Index
E3L E09301000;Norm
32005R1777 MehrwertsteuerDV Art14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Kufstein Schwaz, 6333 Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 18. April 2011, Zl. RV/0404-I/08, betreffend Umsatzsteuer 2007 (mitbeteiligte Partei: W GmbH in W, vertreten durch Treuconsult Kufstein Helmuth Wohlfartstätter und Sigrid Eglmayr OG Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in 6330 Kufstein, Kaiserbergstraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten GmbH betrieb ein Therapiezentrum und bot Aus- und Fortbildungen für Angehörige von Gesundheitsberufen an. Die Kurse betrafen insbesondere die Bereiche manuelle Lymphdrainage, Osteopathie - craniosacrale Therapie, orthopädische Medizin, Befundung und Behandlung Erwachsener mit neurologischen Erkrankungen, Sportphysiotherapie, Spezialqualifikation Elektrotherapie u.ä.
Die Mitbeteiligte behandelte die Umsätze aus den Bildungsveranstaltungen als gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 umsatzsteuerbefreit. Zur Begründung führte sie aus, sie biete ihre Aus- und Fortbildungen in Schulform an, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur habe ihr den Status einer Erwachsenenbildungseinrichtung iSd § 1 Abs. 2 BG über die Förderung von Erwachsenenbildung zuerkannt. Außerdem übe sie eine dem WIFI bzw. BFI vergleichbare Tätigkeit aus.
Im Zuge einer das Jahr 2007 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer zur Auffassung, dass die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 nicht zur Anwendung komme, weil der Nachweis, dass die angebotene Ausbildung eine mit der Tätigkeit einer öffentlichen Schule vergleichbare Tätigkeit darstelle, nicht erbracht worden sei.
In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2007 führte die Mitbeteiligte aus, sie stehe mit den in Schulform angebotenen Berufsausbildungen (Heilmasseur, Fußpflege, Lymphdrainage) und den laufenden Fortbildungen in direktem Wettbewerb zu WIFI und BFI, die für vergleichbare Ausbildungen die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 in Anspruch nehmen könnten. Die Mitbeteiligte verfolge bei der Unterrichtserteilung eine mit den öffentlichen Einrichtungen vergleichbare Zielsetzung. Ihre Aus- und Fortbildungen seien jenen des WIFI und BFI qualitativ und quantitativ zumindest gleichwertig, in der Regel seien ihre Bildungsangebote sogar höherwertig.
Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab, dass sämtliche durchgeführten Lehrgänge mit dem berufsspezifischen Angebot von WIFI und BFI vergleichbar seien. Die Bildungsveranstaltungen der Mitbeteiligten dienten in erster Linie der beruflichen Weiterbildung bestimmter medizinisch ausgebildeter Berufsgruppen, wie Ärzten, Physiotherapeuten, Masseuren.
Vor der belangten Behörde stellte das Finanzamt außer Streit, dass die Mitbeteiligte eine berufsbildende Einrichtung sei. Es fehle ihr allerdings die dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 zufolge erforderliche Vergleichbarkeit mit öffentlichen Schulen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Die Mitbeteiligte sei als Aus- und Fortbildungsinstitution eine sonstige Einrichtung iSd Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL 2006/112/EG. Überdies sei ihr der Status einer Erwachsenenbildungseinrichtung iSd BG über die Förderung der Erwachsenenbildung bescheinigt worden.
Die Mitbeteiligte erbringe ausschließlich Berufsfortbildungsmaßnahmen für fachmedizinische Berufsgruppen, wie Ärzte, Physiotherapeuten und Masseure, die der Erhaltung und Vertiefung der beruflichen Kenntnisse dienten. Ihre Tätigkeit sei jener des WIFI vergleichbar. Entscheidend sei allerdings, dass sich im gegenständlichen Fall die Umsatzsteuerbefreiung unmittelbar aus den unionsrechtlichen Bestimmungen des Art. 132 der MwStSystRL iVm Art. 14 der Verordnung (EG) 1777/2005 ergebe. Demnach seien Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienten, umsatzsteuerbefreit. Das Erfordernis des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 einer Vergleichbarkeit mit einer öffentlichen Schule sei somit unionsrechtlich nicht gedeckt (und damit verdrängt).
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes. Das Finanzamt erachtet die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 einzig aus dem Grund nicht anwendbar, weil "keine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeiten ausgeübt wurden".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 sind steuerfrei:
"die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird;"
Art. 132 MwStSystRL 2006/112/EG lautet auszugsweise:
"(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
a)
…
i)
Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
j) …"
Gemäß Art. 133 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Abs. 1 lit. i für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der in diesem Art. angeführten Bedingungen abhängig machen.
Art. 14 der mit 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom 17. Oktober 2005 ist zu der in der 6. MwStRL enthaltenen Vorgängerbestimmung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL ergangen und lautete:
"Die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, die unter den Voraussetzungen des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden, umfassen Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich."
Die genannte Verordnung wurde in der Folge mit Wirksamkeit ab Juli 2011 durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG ersetzt (siehe deren Art. 64 f). Ihr Art. 44 lautet:
"Die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, die unter den Voraussetzungen des Artikels 132 Absatz 1 Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG erbracht werden, umfassen Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich."
Das Finanzamt bringt vor, die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 habe zunächst zur Bedingung, dass ein schulähnlicher Betrieb gegeben sei, der über die organisatorischen Voraussetzungen verfüge, um laufend gegenüber einer größeren Anzahl von Interessenten eine unterrichtende Tätigkeit auszuüben, und dass Kenntnisse allgemein bildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienende Fertigkeiten vermittelt würden. Diese Anforderungen seien im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Befreiungsbestimmung habe jedoch auch zur Voraussetzung, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt werde, wobei als Vergleichsmaßstab primär der Lehrstoff heranzuziehen sei. Die Mitbeteiligte übe keine einem gesetzlichen Schulerhalter bzw. einer Universität oder einer anerkannten Privatschule vergleichbare Tätigkeit aus, weshalb sie die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfülle. Auch die Mitbeteiligte selbst behaupte bloß die Vergleichbarkeit mit dem WIFI und dem BFI; diese Einrichtungen seien aber keine öffentlichen Schulen und keine Privatschulen iSd Privatschulgesetzes. Nach Ansicht des Finanzamtes ist die Richtlinienbestimmung "andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL durch die Regelung "von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit … nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird" in § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 umgesetzt worden.
Nach Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL sind u.a. die Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder "andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" von der Umsatzsteuer befreit.
Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 mit 1. Juli 2006 bzw. deren Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 282/2011 ist allerdings für den Tätigkeitsbereich, der von der Befreiungsbestimmung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL erfasst wird, ein Mindestumfang verbindlich festgelegt ("Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich.") Die in Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 bzw. der Verordnung (EU) Nr. 282/2011 angeführten Schulungsmaßnahmen sind daher - unbeschadet der Regelung des Art. 133 MwStSystRL -in jedem Fall von der Befreiungsbestimmung erfasst, unabhängig davon, ob sie sich in einem Mitgliedstaat als eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit darstellen (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 310).
Mit dem Vorbringen, die Mitbeteiligte, welche berufsbildende Kenntnisse und Fertigkeiten vermittle, übe keine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit aus, zeigt das Finanzamt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 21. November 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2011150109.X00Im RIS seit
10.12.2013Zuletzt aktualisiert am
04.07.2018