TE Vfgh Beschluss 2013/11/27 V60/2013

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Veröffentlicht am 27.11.2013
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Index

L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Wr BauO 1930 §58 Abs2 litd
Plandokument Nr 7291

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Wiener Plandokuments hinsichtlich der Widmung abgetretener Grundstücksteile als öffentliche Verkehrsfläche infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen

1. Mit dem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehrt der Antragsteller, den "Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für Wien in der geltenden Fassung insoweit als verfassungswidrig aufzuheben, als er die nicht straßenseitig ausgebauten, jedoch zur Verkehrsfläche abgetretenen Teile der Koschatgasse in 1190 Wien, welche an die Liegenschaft EZ2419 KG 01514 angrenzen, als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet ausweist". Soweit der Antragsteller den Aufhebungsantrag mehrmals sprachlich geringfügig unterschiedlich formuliert, wertet ihn der Verfassungsgerichtshof als einen Antrag.

2. Der Antragsteller führt zunächst an, dass er Eigentümer einer Liegenschaft sei, die mit Bescheid der Magistratsabteilung XIV vom 10. Oktober 1907, Zl. 873/07, als Bauplatz genehmigt worden sei. Dabei sei die unentgeltliche Abtretungsverpflichtung bis zur Achse der 8m breiten Verkehrsfläche zur Gänze erfüllt worden. Die vorgelagerte öffentliche Verkehrsfläche sei – wie auch im derzeit geltenden "PD 7291" – bei unverändertem Baulinienverlauf stets mit 8m Breite festgesetzt worden.

Der Antrag führt weiters Folgendes aus: "Von der im Jahre 1907 abgetretenen Grundfläche wurden bis dato lediglich ca. 8 m straßenseitig ausgebaut. Die übrigen 15 m sind abgezäunt, mit Betonpflastersteinen befestigt und werden von der Nachbarliegenschaft […] als Zufahrt genützt. Die abgezäunte Grundfläche wurde nicht für den Straßenbau übernommen und seitens der Stadt Wien keine Herstellung der Höhenlage oder Befestigung vorgenommen. Derzeit ist seitens des Bezirkes und der MA 28 kein Ausbau der 8,00 m breiten Koschatgasse in Planung."

3. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller eingangs vor, dass er am 3. Juni 2011 bei der zuständigen Magistratsabteilung einen "Antrag auf Änderung der Flächenwidmung" der nicht straßenseitig ausgebauten Teile der Koschatgasse, welche an die Liegenschaft des Antragstellers angrenzten, gestellt habe. Dieser Antrag sei mit Bescheid der Magistratsabteilung 64 vom 17. Juni 2011, Zl. MA 64 – 1404/2011, mit der Begründung abgewiesen worden, dass die gegenständliche Grundfläche nicht zur Liegenschaft des Antragstellers rückgestellt werden könne, weil sich seit der Abtretung der Baulinienverlauf im gegenständlichen Bereich nicht geändert habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung sei von der Bauoberbehörde für Wien abgewiesen worden.

Die Rechtsordnung stelle dem Antragsteller keinen anderen Weg als den gegenständlichen Antrag zur Verfügung, um die durch die Rechtswidrigkeit des geltenden Flächenwidmungsplanes bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren. Insbesondere sehe die BO für Wien kein Antragsrecht eines Eigentümers einer Liegenschaft auf Änderung des bestehenden Flächenwidmungsplanes vor. Die Rechtssphäre des Antragstellers werde durch die bekämpfte Verordnungsstelle unmittelbar beeinträchtigt, weil diese unzulässigerweise in sein gemäß Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreife.

II. Rechtslage

Die hier maßgebliche Bestimmung des §58 des Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuches (Bauordnung für Wien - BO für Wien) idF LGBl 64/2012 lautet folgendermaßen:

"§58. (1) Werden durch Änderungen des Bebauungsplanes Verkehrsflächen verschmälert, verbreitert, aufgelassen oder so geändert, daß unter Beibehaltung der Breite die Baulinie auf der einen Seite vorgerückt und auf der anderen Seite zurückgerückt wird, und entsteht für Bauplätze oder Baulose durch die Änderung des Bebauungsplanes die Verpflichtung, nach Maßgabe der neuen Baulinie Grundflächen einzubeziehen oder abzutreten, so hat im ersten Fall der Bauwerber an die Gemeinde oder an den Eigentümer dieser Grundflächen, im zweiten Fall die Gemeinde an den Bauwerber Entschädigung zu leisten.

(2) Sind anläßlich einer Abteilungsbewilligung Grundflächen zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetreten worden, treten bei Änderung des Bebauungsplanes folgende Rechtswirkungen ein:

a)-c) […]

d) Der Eigentümer eines Bauplatzes oder Bauloses hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung für die Mehrleistung, die dadurch entstanden ist, dass das Ausmaß der zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetretenen Grundflächen bzw. solcher, für die eine Geldleistung gemäß §17 Abs4a entrichtet wurde, nach dem zur Zeit der Abtretung in Geltung gestandenen Bebauungsplan größer war, als es sich nach dem neuen Bebauungsplan ergeben würde. Müssen für Verkehrsflächen seinerzeit unentgeltlich abgetretene Grundflächen bzw. solche, für die eine Geldleistung gemäß §17 Abs4a entrichtet wurde, nach der neuen Baulinie als Baugrund einbezogen werden, sind diese Flächen im Ausmaß der seinerzeitigen Mehrleistung unentgeltlich und von oberirdischen Bauwerken geräumt zurückzustellen. Für die über dieses Ausmaß zum Bauplatz oder Baulos einzubeziehenden Grundflächen hat der Eigentümer dieses Bauplatzes bzw. Bauloses Entschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Fällt die seinerzeit gegenüber der neuen Verpflichtung zuviel abgetretene Grundfläche nicht in den Bauplatz oder in das Baulos, hat die Gemeinde an den Eigentümer des Bauplatzes oder Bauloses, von dem die Grundflächen seinerzeit unentgeltlich abgetreten worden sind, Geldentschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Diese Ansprüche stehen jedoch nur zu, wenn zur Zeit der Beschlussfassung über die Änderung des Bebauungsplanes dreißig Jahre seit der Abschreibung und Übergabe des Straßengrundes noch nicht verstrichen sind.

e) […]

(3)-(4) […]"

III. Erwägungen

Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Ge-setzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das dem Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg 13.871/1994 mwN). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, dass ein Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (VfSlg 8890/1980, 12.810/1991). Ein Individualantrag wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen – hier gar nicht behaupteter – besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg 11.344/1987, 11.823/1988). Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (VfSlg 15.626/1999 mwN, 17.131/2004).

2. Dem Antragsteller stand ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verordnung zur Verfügung:

Die Magistratsabteilung 64 hat den Antrag auf Rückstellung der seinerzeit von der Liegenschaft des Antragstellers unentgeltlich in das öffentliche Gut abgetretenen Grundfläche mit Bescheid vom 17. Juni 2011, Zl. MA 64 – 1404/2011, gemäß §13 Abs2 litb iVm §58 Abs2 litd BO für Wien abgewiesen, weil sich der Baulinienverlauf im gegenständlichen Bereich seit der Abtretung nicht geändert habe. Die dagegen eingebrachte Berufung wies die Bauoberbehörde für Wien mit Berufungsbescheid vom 21. September 2011 zu Zl. BOB – 367/11 als unbegründet ab.

Im konkreten Fall stand dem Antragsteller die Möglichkeit offen, gegen den letztgenannten Bescheid eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben und darin alle Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument 7291, vorzutragen. Dabei wäre auch die Prozessvoraussetzung der Präjudizialität gegeben gewesen, weil dieser Flächenwidmungs- und Bebauungsplan bei der Entscheidung, ob die Voraussetzung der Änderung des Bebauungsplanes iSd §58 Abs2 litd BO für Wien vorliegt, anzuwenden war (vgl. VfSlg 17.113/2004).

3. Da die Antragslegitimation des Antragstellers schon aus diesem Grund nicht gegeben ist, erübrigt sich die Prüfung, ob der Antrag auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Grundabtretung, Verkehrsflächen, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:V60.2013

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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