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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §124 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des HB in W, vertreten durch Dr. EK, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. März 1997, Zl. UVS-04/A/30/00037/96, betreffend eine Baustrafe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Die A-GesmbH ist Bauwerberin in einem Bauverfahren betreffend ein Vorhaben auf der Liegenschaft EZ X der KG A. Nach einer Bauverhandlung am 27. September 1994 wurde die Baubewilligung erteilt; der Bescheid wurde der Bauwerberin am 6. Dezember 1994 zugestellt. Die D-GesmbH ist Bauführerin.
Am 22. November 1994 wurde anlässlich einer Erhebung durch ein Organ der Baubehörde festgestellt, dass auf dieser Liegenschaft mit der Herstellung von Fundamenten für die Errichtung von Siloanlagen und Nebenanlagen begonnen wurde und dass an der Bewehrung der zum Aufstellen der Silos notwendigen zusätzlichen Streifenfundamente gearbeitet wurde, während die Fundamentplatte bereits fertig gestellt worden war.
Mit Schreiben vom 7. März 1995 hielt der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, dem Beschwerdeführer vor, er hätte es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bauführerin der Bauwerberin vorsätzlich erleichtert, eine Verwaltungsübertretung dadurch zu begehen, dass sie durch Arbeitnehmer und Betriebsmittel der Bauführerin die genannten Arbeiten durchgeführt hätte, obwohl eine Bewilligung der Behörde nicht bewirkt worden sei, weshalb der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 60 Abs. 1 lit. b BauO für Wien begangen hätte.
Der Beschwerdeführer äußerte sich in seiner Rechtfertigung vom 29. März 1995 dahingehend, dass auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen mit der Bauwerberin alle Behördenforderungen (einschließlich Erwirkung der Baubewilligung) vom Bauherrn (hier:= Bauwerberin) durchgeführt würden. Sowohl vom Bauherrn als auch vom Grundstückeigentümer sei glaubhaft versichert worden, dass eine mündliche Baubewilligung bereits vorliege und die schriftliche Baubewilligung nur noch Formsache und bereits unterwegs sei. Auf Grund dieser Auskunft sei das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen der Aufforderung des Bauwerbers nachgekommen, mit den Arbeiten sofort zu beginnen. Man sei auch dadurch in der Annahme, dass die Baubewilligung bereits erfolgt wäre, bestärkt worden, dass von den damit beauftragten Stellen die Eisenbeschau und die Baubeschau bereits durchgeführt worden sei. Bis zur Baueinstellung durch die Baupolizei am 22. November 1994 sei die Bauführerin der festen Meinung gewesen, dass die Baubewilligung bereits erteilt worden wäre. Außerdem hätte es sich nur um Vorbereitungsarbeiten gehandelt.
Mit Straferkenntnis vom 27. November 1995 wurde der Beschwerdeführer der erwähnten Übertretung schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- verhängt. In der Begründung wurde auch auf § 7 VStG verwiesen; der Beschwerdeführer hätte es als Bauführer wissen müssen, dass die Durchführung der Bauarbeiten erst nach Rechtskraft eines Bewilligungsbescheides erlaubt sei. Eine mündliche Baubewilligung sei im Gesetz nicht vorgesehen.
In seiner dagegen erstatteten Berufung verwies der Beschwerdeführer abermals darauf, dass die A-GesmbH, die der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft den Auftrag erteilt hatte, mitgeteilt hätte, dass sie schon über eine Baubewilligung verfüge, deren Zustellung nur mehr Formsache sei. Der Beschwerdeführer habe darauf vertrauen können, dass sein Auftraggeber bereits die Baubewilligung erwirkt habe und dass lediglich der Bescheid nicht zugestellt, aber um vorzeitige Baubewilligung bereits angesucht worden sei. Tatsächlich sei dann am 6. Dezember 1995 die Baubewilligung erteilt bzw. zugestellt worden. Auch von Organen der Baubehörde sei mündlich mitgeteilt worden, dass kein Einwand gegen die Bauführung bestünde. Insbesondere liege der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Vorsatz nicht vor. Die gegenständliche Arbeit sei für ein in der Bauindustrie tätiges Unternehmen von lediglich geringer Bedeutung und müsse der Beschwerdeführer auf die Angaben seiner Mitarbeiter, die Baubewilligung liege vor und es könne mit dem Bau begonnen werden, vertrauen können, ohne dass hiefür noch gesondert persönliche Erhebungen erforderlich wären.
Bei der von der belangten Behörde durchgeführten Berufungsverhandlung legte der Beschwerdeführer Vertragsunterlagen vor, wonach die Bauwerberin gehalten war, "sämtliche Behördenforderungen" zu erbringen, sowie ein Rundschreiben des Beschwerdeführers an alle Bauleiter des von ihm vertretenen Unternehmens, dass "keine Baustelle ohne rechtskräftige Baubewilligung" begonnen werden dürfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die Strafsanktionsnorm richtig: "§ 135 Abs. 1 BauO für Wien iVm § 7 VStG" zu lauten hatte.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf das Vorbringen des Berufungswerbers und auf eine wörtlich wiedergegebene Aussage des "mit der Sachlage betrauten Baupolizisten". Rechtlich verwies sie auf die Bestimmungen der §§ 60 Abs. 1 lit. a der BauO für Wien und des § 7 VStG und auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1980, Zl. 237/80. Der Auffassung des Beschwerdeführers, es sei Pflicht des Auftraggebers, für die Beistellung einer gültigen Baugenehmigung zu sorgen, wurde "entschieden entgegen getreten". Es sei vielmehr Pflicht des auftragnehmenden Bauausführers, die genehmigten Baupläne einzusehen, zumal allfällige Auflagen ausschließlich aus den authentischen, genehmigten Bauplänen zu ersehen seien. Daher sei das Straferkenntnis in der Schuldfrage voll inhaltlich zu bestätigen gewesen.
Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof wolle "den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt wird, und die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten, in eventu den Beschwerdeführer nur wegen fahrlässiger Tatbegehung verurteilen und eine verpönt- und schuldangemessene, reduzierte Strafe verhängen, wobei noch auf die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu verweisen ist".
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer verkennt zwar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einer Bescheidbeschwerde im Falle der Stattgebung nur kassatorisch vorgehen kann (§ 42 VwGG). Ist jedoch aus dem Beschwerdevorbringen in seinem Zusammenhalt zu entnehmen, in welchem Recht der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet, dann ist eine Beschwerde aber nicht deswegen zurückzuweisen, wenn der Beschwerdeführer statt richtigerweise die Aufhebung, die Abänderung des angefochtenen Bescheides beantragt (siehe die Nachweise bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 251). Erkennbar erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtbestrafung verletzt.
§ 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) ist eine Blankett-Strafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Die Blankett-Strafnorm des § 135 Abs. 1 BO enthält die Verweisung auf die Bauordnung und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Rechtsquelle für das Tatbild von Übertretungen im Sinne dieses Gesetzes. Ob eine Bestimmung der BO überhaupt eine Norm enthält, der zuwidergehandelt werden kann, muss daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 99/05/0145). Der Beschwerdeführer wurde nun - als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliches Organ einer juristischen Person - "als Bauführer" deshalb bestraft, weil er gemäß § 7 VStG die von der Bauwerberin als unmittelbare Täterin begangene Verwaltungsübertretung (Durchführung von Bauarbeiten, obwohl eine Bewilligung der Behörde nicht erwirkt worden war) vorsätzlich erleichtert hätte.
Welche Bestimmung der Bauordnung damit übertreten wurde, geht daraus allerdings nicht hervor: Während die Strafbehörde erster Instanz ausdrücklich als übertretene Norm § 60 Abs. 1 lit. b BauO für Wien in der geltenden Fassung angeführt hat, stellte die belangte Behörde die "Strafsanktionsnorm" auf "richtig: '§ 135 Abs. 1 BauO für Wien iVm § 7 VStG' " um; ohne weitere rechtliche Schlussfolgerung wird in der Begründung ausgeführt, dass gemäß der "übertretenen Rechtsvorschrift § 60 Abs. lit. a der Bauordnung für Wien" bei Neu-, Zu- und Umbauten vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken sei. Ob die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen wollte, dass sie im Gegensatz zur erstinstanzlichen Behörde nicht die Übertretung des § 60 Abs. 1 lit. b, sondern jene des § 60 Abs. 1 lit. a BO annahm, ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides jedenfalls nicht zu entnehmen, sodass der Vorschrift des § 44a Z. 2 VStG nicht entsprochen wurde.
Im zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof aber auch dargetan, dass die Beihilfe gegenüber der unmittelbaren Täterschaft subsidiär ist und ein- und dieselbe Person nicht sowohl als unmittelbarer Täter als auch als Mitschuldiger bestraft werden kann. Wörtlich wurde ausgeführt:
"§ 124 Abs. 1 BO verpflichtet den Bauwerber, sich zur Ausführung aller nach § 60 bewilligungspflichtigen und nach § 62 anzeigepflichtigen Bauarbeiten eines Bauführers zu bedienen, der nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist. Der Bauführer (das ist derjenige, der in fremdem Auftrag und für fremde Rechnung als Unternehmer ein Bauwerk herstellt) hat gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle den Zeitpunkt des Beginns dieser Ausführung mindestens 3 Tage vorher der Behörde anzuzeigen. Wird mit dem Bau entgegen der Baubeginnsanzeige nicht begonnen, gilt diese als nicht erstattet. § 125 BO wiederum normiert die Verantwortlichkeit bei der Bauausführung. Gemäß Abs. 1 lit. a dieser Gesetzesstelle ist für die Einhaltung der Baupläne, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sowie aller Auflagen der Baubewilligung, für die werksgerechte Bauausführung, für die Tauglichkeit der verwendeten Baustoffe und Konstruktionen sowie überhaupt für die Einhaltung aller auf die Bauführung Bezug habenden Vorschriften dieses Gesetzes, seiner Nebengesetze und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnungen der Bauführer verantwortlich. Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen bleiben die Verpflichtungen des Bauwerbers und des Eigentümers (aller Miteigentümer) der Liegenschaft unberührt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll daher verwaltungsrechtlich der Behörde gegenüber jeweils derjenige verantwortlich sein, der in eigener Verantwortung eine bestimmte Tätigkeit ausführt (vgl. hiezu die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 3. Auflage, S. 530 f, abgedruckten Erläuterten Bemerkungen zur Novelle 1976). Aus dieser Bestimmung ergibt sich daher im Zusammenhang mit § 135 Abs. 1 BO, dass der Bauführer als unmittelbarer Täter für eine Tat, die die belangte Behörde dem § 7 VStG unterstellt hat, zu bestrafen ist."
Auch im vorliegenden Fall war das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen als Bauführer für die Einhaltung aller auf die Bauführung bezughabenden Vorschriften verantwortlich; beginnt der Bauführer mit der Bauausführung, ohne dass die dafür erforderliche Bewilligung vorliegt, so übertritt er die Bestimmung des § 72 BO. Dass daneben gemäß § 125 Abs. 4 leg. cit. auch der Bauwerber weiterhin verantwortlich bleibt, hat auf die unmittelbare Täterschaft des Bauwerbers keinen Einfluss. Eine Erleichterung der Begehung einer Verwaltungsübertretung durch den Bauwerber hat der Bauführer hingegen nicht zu vertreten.
Im Falle des von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisses wurde der Beschwerdeführer als Gehilfe der Hauseigentümerin bestraft; dass er Bauführer im Sinne des § 124 Abs. 1 BO gewesen wäre, geht aus diesem Erkenntnis aber nicht hervor.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid (der weder Sachverhaltsfeststellungen, noch eine Beweiswürdigung enthält) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die dort genannten Pauschalsätze decken auch die Umsatzsteuer.
Wien, am 24. Oktober 2000
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 BerufungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997050189.X00Im RIS seit
03.05.2001