TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/24 97/05/0217

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Veröffentlicht am 24.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Anneliese Gillitschka in Wien, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien III, Esteplatz 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. März 1997, Zl. MA 50-B/28/93, betreffend Wohnbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50 (im Folgenden: MA 50), nahm mit Bescheid vom 18. Februar 1993 mehrere abgeschlossene Wohnbeihilfeverfahren der Beschwerdeführerin gemäß § 69 Abs. 1 und 3 AVG wieder auf und sprach aus, dass der Beschwerdeführerin ab 1. März 1990, 1. März 1991 und 1. März 1992 keine Wohnbeihilfe gebühre und dass sie zur Rückzahlung der empfangenen Wohnbeihilfe in Höhe von S 41.828,-- verpflichtet sei. Grund der Wiederaufnahme war, dass die Beschwerdeführerin den monatlichen Unterhalt, den sie von ihrem geschiedenen Gatten seit 1. Jänner 1980 laufend bezog, erst anlässlich des am 26. Jänner 1993 eingelangten Verlängerungsantrages bekannt gegeben habe.

Die belangte Behörde bestätigte mit Bescheid vom 13. September 1993 diesen Bescheid mit der Maßgabe, dass Leistungsfristen abgeändert wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 94/05/0025, den Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1993 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die Beschwerdeführerin hätte behauptet, dass sie bei jeder Antragstellung den Scheidungsvergleich vorgelegt habe; mit dieser Behauptung habe sich die belangte Behörde nicht weiter auseinander gesetzt. Sie war gehalten, bei Beurteilung der Wiederaufnahmevoraussetzung der unverschuldeten Unkenntnis durch geeignete Erhebungen die Sachbehauptungen der Beschwerdeführerin einer Überprüfung zu unterziehen und in ihrer Entscheidung eine entsprechende Beweiswürdigung vorzunehmen.

Darauf forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27. November 1996 auf, bezüglich ihrer Berufung vom 22. Februar 1993 zu einem bestimmten Zeitpunkt beim Amte zu erscheinen oder einen Vertreter zu entsenden. Dem zu diesem Termin einschreitenden Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wurde aufgetragen, zu folgenden Fragen schriftlich Stellung zu nehmen:

1. Wurden die Anträge 1990, 1991, 1992 auf Weitergewährung persönlich bei der ersten Instanz abgegeben und bei wem?

2. Gibt es irgendeine Bestätigung über die vorgelegten Unterlagen?

Vorgehalten wurde weiters, dass laut Aktenlage der "Bescheid" des Bezirksgerichtes bei den Verlängerungsanträgen nicht vorgelegt worden sei.

Die Beschwerdeführerin erklärte in einer Stellungnahme, dass ihr die Namen der Personen, welche die Anträge entgegen genommen und die Unterlagen geprüft hätten, nicht erinnerlich seien, weshalb eine weitere Frist diesbezüglich begehrt wurde. Eine Bestätigung über die vorgelegten Unterlagen sei der Beschwerdeführerin nicht ausgehändigt worden. Es hätte keinen Sinn ergeben, dass die Beschwerdeführerin erst im Jahr 1993 erstmalig den Unterhaltsvergleich mitgenommen und vorgelegt hätte.

Mit einer weiteren Eingabe erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie keine Namen von Personen bekannt geben könne, welche ihre Anträge entgegen genommen und Unterlagen überprüft gehabt hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass die zu Unrecht empfangene Wohnbeihilfe in Höhe von insgesamt S 41.828,-- bis längstens 30. März 2000 zurück zu erstatten sei. Sie stellte fest, dass der Antragstellung auf Weitergewährung vom 23. Februar 1990 lediglich die Einkommens- und Arbeitsbescheinigung und die Einkommenserklärung, wonach die Beschwerdeführerin keine weiteren Einkünfte gemäß §§ 2 bzw. 29 EStG 1988 erhalte, angeschlossen gewesen sei. Erst im Antrag vom 26. Jänner 1993 sei auch der Vergleich des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 27. Februar 1980 angeschlossen gewesen. Die Beschwerdeführerin habe trotz Aufforderung keine weiteren Beweise vorlegen können, sodass die Behauptung, sie habe bei jeder Antragstellung die notwendigen Unterlagen beigebracht, mit der Aktenlage in Widerspruch stehe. Ständige Praxis der Wohnbeihilfenstelle sei es, vorgelegte Unterlagen entweder dem Akt anzuschließen oder entsprechende Vermerke über die vorgelegte Urkunde im Akt vorzunehmen. Der Umstand, dass kein Vermerk im Akt aufscheine, in Verbindung mit der beigebrachten Erklärung der Beschwerdeführerin, keine weiteren Einkünfte gemäß § 2 bzw. §§ 29 EStG zu erhalten, hätte im Zuge der Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG als den Tatsachen entsprechend gewertet werden müssen. Unter Bedachtnahme auf die Unterhaltszahlung des geschiedenen Gatten der Beschwerdeführerin habe sich für die Jahre 1990 bis 1992 ein Familieneinkommen ergeben, mit welchem die Einkommenstufe überschritten würde, bis zu der eine Wohnbeihilfe gebühre.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gewährung einer Wohnbeihilfe und in ihrem Recht verletzt erachtet, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 AVG ausgesprochen werde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. ist die Wiederaufnahme zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Nach herrschender Lehre und Judikatur (siehe die Nachweise bei Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, Rz. 590) kann die Behörde wegen des Hervorkommens neuer Tatsachen und Beweise nur dann von Amts wegen die Wiederaufnahme verfügen, wenn sie an der Nichtberücksichtigung im wiederaufzunehmenden Verfahren kein Verschulden trifft.

Die amtswegige Wiederaufnahme war also im vorliegenden Fall nur zulässig, wenn die Behörde an der Nichtberücksichtigung der Unterhaltsleistung bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage kein Verschulden traf. Diesbezüglich wurden schon im ersten Rechtsgang auf Grund der Aktenlage Feststellungen getroffen (dass die Beschwerdeführerin den Vergleich nicht vorgelegt und schriftlich erklärt hätte, über keine weiteren Einkünfte zu verfügen), allerdings fehlte in Bezug auf die schon damals aufgestellte Sachbehauptung der Beschwerdeführerin eine Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG.

Im zweiten Rechtsgang wurde die Beschwerdeführerin zur Vorlage von Beweismitteln bzw. Namhaftmachung von Personen aufgefordert. Dass sich die Beschwerdeführerin dazu außer Stande sah, würdigte die belangte Behörde dahingehend, dass die Behauptung, stets den Unterhaltsvergleich vorgelegt zu haben, mit der Aktenlage in Widerspruch stehe. Es sei ständige Praxis der Wohnbeihilfenstelle, vorgelegte Unterlagen dem Akt anzuschließen oder einen Vermerk darüber aufzunehmen. Der Umstand, dass kein Vermerk im Akt aufscheine, müsse in Verbindung mit der Erklärung, dass die Beschwerdeführerin über keine weiteren Einkünfte verfügt hätte, im Zuge der Beweiswürdigung als den Tatsachen entsprechend angesehen werden.

Wenn die Beschwerdeführerin ihre in der Berufung aufgestellte Behauptung, sie hätte bei jeder Antragstellung einen Scheidungsvergleich vorgelegt, durch kein weiteres Beweismittel unterstützen konnte, erscheint die auf der (nachvollziehbaren) Praxis der Beihilfenstelle und der schriftlichen Erklärung, über keine weiteren Einkünfte zu verfügen, beruhende Beweiswürdigung durchaus schlüssig. Es ist durch nichts erklärbar, aus welchem Grund ein Einkommensnachweis, der zu einer anderen Entscheidung, nämlich zur Versagung der Wohnbeihilfe geführt hätte, nicht zu den Akten genommen und nicht weiter berücksichtigt worden sein sollte.

Ausgehend von der nunmehr durch eine schlüssige Beweiswürdigung gedeckten Feststellung, dass die Beschwerdeführerin den Unterhaltsvergleich ihren Anträgen nicht angeschlossen hat, lässt sich tatsächlich kein Verschulden der Behörde annehmen. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Vorerkenntnis festgestellt hat, enthielt die von der Beschwerdeführerin unterfertigte Erklärung auch den Hinweis darauf, dass "Alimente" zu den Einkünften zu zählen seien. Wenn sie trotz dieses Hinweises erklärte, über keine weiteren Einkünfte zu verfügen, hatte die Behörde tatsächlich keine Veranlassung, gesondert nach Unterhaltsleistungen zu fragen, zumal die Beschwerdeführerin ja ein eigenes Arbeitseinkommen besaß.

Damit erweist sich die Beschwerde aber insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997050217.X00

Im RIS seit

21.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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