TE Vwgh Erkenntnis 2013/11/14 2013/17/0701

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Veröffentlicht am 14.11.2013
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
VStG §30 Abs2;
VStG §45 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2013/17/0752 E 7. März 2014 2013/17/0796 E 29. November 2013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der P N in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. September 2013, Zl. UVS-1-1117/E11-2012, betreffend Aussetzung eines Verfahrens wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes (GSpG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde die Beschwerdeführerin als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer bestimmt bezeichneten Gesellschaft einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 3 GSpG schuldig erkannt und eine Geldstrafe, sowie für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid setzte die belangte Berufungsbehörde das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) aus.

In ihrer Begründung führte sie aus, der Vertreter der Beschwerdeführerin habe in einem Schreiben im Wesentlichen angegeben, mit dem gegenständlichen Gerät seien im relevanten Tatzeitraum Spiele mit Einsätzen von über EUR 10,-- möglich gewesen und es habe bei jedem Spielprogramm die Möglichkeit bestanden, Serienspiele durchzuführen.

Die erstinstanzliche Behörde habe unter anderem mitgeteilt, das gegenständliche Gerät Nr. 1 sei mit dem Gerät Nr. 2 ident. Am Gerät Nr. 2 sei bei den virtuellen Walzenspielen "Hot Deal" und "Classic Seven" ein Einsatz von EUR 15,-- möglich gewesen.

Seitens der Finanzpolizei sei darauf hingewiesen worden, dass auf allen von der Finanzpolizei beschlagnahmten Geräten ein Höchsteinsatz von über EUR 10,-- möglich gewesen sei.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013, B 422/2013, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, gelangte die belangte Behörde zu der Beurteilung, aufgrund der dargelegten Beweisergebnisse sei davon auszugehen, dass Umstände hervorgekommen seien, die darauf hindeuteten, dass am gegenständlichen Gerät ein Einsatz von über EUR 10,-- pro Spiel beziehungsweise Serienspiele möglich gewesen seien. Es sei daher zweifelhaft, ob es sich bei der gegenständlichen Tat nicht um eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung handle. Angesichts dessen werde das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes ausgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 30 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. I Nr. 52/1991, lautet:

"Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen

§ 30.

(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

…"

§ 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, lauten:

"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt; …

(2) Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a bleiben davon unberührt.

…"

§ 168 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, lautet:

"Glücksspiel

§ 168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, daß bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

(2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

Die Beschwerde vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, eine Aussetzung gemäß § 30 Abs. 2 VStG setze Zweifel voraus, ob die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde. Aufgrund der aktenkundigen Einsatzmöglichkeiten von über EUR 10,-- bleibe keinesfalls Raum für eine weitere Verfolgung wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und komme daher eine Aussetzung gemäß § 30 Abs. 2 VStG nicht in Betracht. Die belangte Behörde hätte das Verwaltungsstrafverfahren einstellen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013, B 422/2013, zugrunde liegenden Rechtansicht angeschlossen, wonach eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 Strafgesetzbuch (StGB) dann besteht, wenn an einem Glücksspielgerät ein EUR 10,-- übersteigender Einsatz möglich war beziehungsweise wenn Serienspiele veranlasst werden konnten. Liegt ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vor, tritt die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG hinter die gerichtliche Strafbarkeit zurück und es ist im Ergebnis keine verfolgbare Verwaltungsübertretung anzunehmen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2012/17/0578).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und nach der hg. Rechtsprechung haben die Verwaltungsbehörden vor Erlassung eines Strafbescheides stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielgerät geleistet werden konnte beziehungsweise ob Serienspiele veranlasst werden konnten, um beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG besteht (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013, oder das Erkenntnis vom 13. September 2013, B 834/2013, sowie u.a. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2013, Zlen. 2013/17/0210-0211).

Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht dahin zu verstehen, dass es einer Verwaltungsstrafbehörde verwehrt wäre, ein eingeleitetes Verfahren, bei Vorliegen von Zweifeln hinsichtlich ihrer Zuständigkeit, gemäß § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen, weil sie auch in diesem Fall die möglichen Höchsteinsätze und die Möglichkeit von Serienspielen zu ermitteln und gegebenenfalls das Verwaltungsstrafverfahren schon vor Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens einzustellen hätte. Im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung dient die Aussetzung gemäß § 30 Abs. 2 VStG gerade dem Ziel, die Frage der Zuständigkeit zu klären. Einer Verwaltungsstrafbehörde ist es aufgrund der Subsidiarität des § 52 Abs. 1 Z 1GSpG gegenüber § 168 StGB nämlich verwehrt, eine Strafe gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu verhängen, ohne zu ermitteln, welcher Höchsteinsatz an einem Gerät möglich war beziehungsweise ob Serienspiele veranlasst werden konnten.

Die Aussetzung eines Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 30 Abs. 2 VStG setzt begründete Zweifel der Verwaltungsstrafbehörde an ihrer Zuständigkeit voraus, weil die Tat von der Behörde nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Liegen derartige Zweifel vor, so hat die Verwaltungsstrafbehörde das bei ihr anhängige Strafverfahren auszusetzen, bis über die Frage, ob die Tat einen derartigen Tatbestand verwirklicht, von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

Die Intention der Bestimmung des § 30 Abs. 2 VStG liegt unter anderem darin, einer Verwaltungsstrafbehörde zu ermöglichen, bei Vorliegen einer nur subsidiär zu verfolgenden Verwaltungsübertretung nicht erst durch unter Umständen umfangreiche Ermittlungen detaillierte Sachverhaltsfeststellungen treffen zu müssen, um beurteilen zu können, welcher Tatbestand tatsächlich erfüllt wurde und wessen Zuständigkeit daher gegeben ist. Eine solche Verpflichtung könnte zu dem unerwünschten Ergebnis führen, dass durch derartige Ermittlungen der Beschuldigte eines Verwaltungsstrafverfahrens Verfolgungshandlungen einer schlussendlich vielleicht unzuständigen Behörde neben jenen einer weiteren Behörde oder eines Gerichtes ausgesetzt wäre.

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde aufgrund von Schreiben der Beschwerdeführerin, der erstinstanzlichen Behörde und der Finanzpolizei davon ausgegangen, dass an dem gegenständlichen Glücksspielgerät die Möglichkeit bestehen könnte, auch mit Einsätzen von über EUR 10,-- zu spielen beziehungsweise Serienspiele zu veranlassen. Die belangte Behörde ist daher zu Recht vom Vorliegen von Zweifeln im Sinne des § 30 Abs. 2 VStG ausgegangen, weshalb sie rechtsrichtig das Verwaltungsstrafverfahren aussetzte.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. November 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013170701.X00

Im RIS seit

03.12.2013

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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