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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Stattgabe eines WiedereinsetzungsantragsSpruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird Folge gegeben.
Begründung
Begründung:
I.1. Mit dem am 19. Dezember 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt die einschreitende Gesellschaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragstellung nach §87 Abs3 VerfGG und stellt unter einem den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
2. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages bringt die einschreitende Gesellschaft im wesentlichen vor, daß der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die Behandlung ihrer Beschwerde gegen gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. März 1997, Z GA 17-96/4476/11, abgelehnt worden ist, ihr am 3. November 1997 zugestellt worden sei und sie aus einem Versehen die zweiwöchige Frist zur Antragstellung gemäß Art144 Abs3 B-VG versäumt habe.
"In der Rechtsanwaltskanzlei Dris. K ist die Kanzleileiterin
..., eine durch rund 38 Jahre in solchen Kanzleien tätige und
daher erfahrene bzw. verläßliche Mitarbeiterin, mit der Übernahme
und der Öffnung der eingehenden Post und der allfälligen
Eintragungen von Terminen im Vormerkkalender beauftragt. So auch
am 03.11.1997. Der Einlauf war rege. Die Genannte hat an diesem
Tag die gesamte eingehende (nicht geringe) Post - wie gewöhnlich
- geöffnet und auf einen Stapel gelegt, in welchem sich auch eine
Zuschrift einer (anderen) Klientin ... mit vielen Beilagen
befand, die keiner Erledigung bedurfte, weil sie nur Kopien
finanzbehördlicher Bescheide mit Unterlagen zur bloßen
Kenntnisnahme Dris. K ... enthielt. Deshalb wurde diese Zuschrift
in den Abgabenakt (dieser) Klientin ... durch die Kanzleileiterin
abgelegt, ohne daß sie dem Rechtsvertreter der
beschwerdeführenden Partei vorgelegt worden ist, ...
Durch einen unglücklichen Umstand verhedderte sich die eine Seite umfassende Beschlußausfertigung des Verfassungsgerichtshofes in die mit einer Büroklammer zusammengehaltenen Beilagen der Zuschriften (des anderen Mandanten) und kam dadurch versehentlich in den Abgabenakt dieser Klientin, weswegen die zweiwöchige Frist im Vormerkbuch auch nicht eingetragen worden ist.
Sie kam erst wieder zum Vorschein, als sich Dr. K in der Sache (des Ehemannes der anderen Klientin) zu einer Vorsprache beim Vorstand des Finanzamtes Mödling am 11.12.1997, um 11 Uhr 30 begeben mußte und sich zu diesem Zweck um 10 Uhr dieses Tages von der Kanzleileiterin ... die Akten ... vorlegen ließ und dabei in diesem Akt den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 30.09.1997 vorfand.
Ergänzend sei hinzugefügt, daß Dr. K seine Mitarbeiter, und daher auch die Kanzleileiterin ... - nicht nur stichprobenweise sondern regelmäßig kontrolliert. Eine solche Kontrolle durch den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei am 03.11.1997 war im übrigen gar nicht möglich, weil der Genannte - wie oben dargestellt - an diesem Tag auswärtigen Verrichtungen nachgehen mußte und daher in der Kanzlei gar nicht anwesend war.
Den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei trifft nach dem Gesagten überhaupt kein Verschulden und die Kanzleileiterin ..., wenn überhaupt, nur ein solches minderen Grades, zumal es sich im vorliegenden Fall um ein Mißgeschick (Versehen minderen Grades) handelt, das nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch jedem sorgfältigen Menschen unterlaufen kann (vgl. VfSlg. 9817/1983, Nr. 1626)."
II.Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:
1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG in §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.
Nach §146 ZPO ist einer Partei soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986, 14123/1995).
2. Der glaubwürdige Umstand, daß einer (sonst zuverlässigen) Kanzleileiterin bei Öffnen und Sichtung der Post ein nur eine Seite umfassender Beschluß versehentlich zu einem einen anderen Mandanten betreffenden Akt "rutscht", stellt für den Rechtsanwalt ein unvorhergesehenes Ereignis dieses minderen Versehengrades iSd §146 Abs1 ZPO dar, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben war.
III.Dieser Beschluß konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B960.1997Dokumentnummer
JFT_10019694_97B00960_00