TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/25 99/06/0077

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Veröffentlicht am 25.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
VVG §10 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der JG in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Stmk. Landesregierung vom 22. März 1999, Zl. 03-12.05 G 113 - 99/3, betreffend Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 12. Dezember 1996 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, die vorschriftswidrige Nutzung der Wohnungen,

"1.Türe links im Erdgeschoß

2.

Türe rechts im Erdgeschoß

3.

Türe rechts im 1. Obergeschoß"

des Wohnhauses an der näher angeführten Adresse zu Prostitutionszwecken zu unterlassen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 1. April 1997 als unbegründet abgewiesen.

Da die Beschwerdeführerin diesem baupolizeilichen Auftrag nicht nachgekommen ist, wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. November 1997 die Verhängung einer Zwangsstrafe in der Höhe von S 3.000,-- angedroht. Mit Bescheid vom 12. Jänner 1998 wurde die angedrohte Zwangsstrafe verhängt. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. April 1998 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 27. Mai 1998 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin eine weitere Zwangsstrafe in der Höhe von S 5.000,-- verhängt und in dem Fall der weiteren Nichterfüllung des Auftrages eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 7.000,-- angedroht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 17. September 1998 wurde eine weitere Zwangsstrafe in der Höhe von

S 7.000,-- verhängt, weil dem baupolizeilichen Auftrag im Hinblick auf die vorschriftswidrige Nutzung der Wohnung, Türe rechts im

1. Obergeschoß, des näher angeführten Wohnhauses zu Prostitutionszwecken bislang nicht entsprochen worden sei.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde vorgetragen, dass seit Inkrafttreten der neuen Prostitutionsverordnung des Landes Steiermark am 1. März 1998 keine Prostitution mehr im angeführten Hause ausgeübt werde und sich darüber hinaus sämtliche Wohnungen gerade im Umbau befänden.

Die Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich entgegen dem Berufungsvorbringen, wonach seit 1. März 1998 in den vorliegenden Wohnungen keine Prostitution mehr ausgeübt werde, sich aus der Aktenlage ergebe, dass anlässlich einer "Wohnungs-Proststreife" der Bundespolizeidirektion Graz, kriminalpolizeiliche Abteilung, am 24. März 1998 festgestellt werden habe können, dass Wohnungen in dem angeführten Haus weiterhin zu Prostitutionszwecken genutzt würden. Überdies sei dem Bericht der Bundespolizeidirektion Graz vom 7. September 1998 zu entnehmen, dass die im Titelbescheid angeführten Wohneinheiten von Fall zu Fall nach wie vor in konsenswidriger Nutzung, d.h. für Prostitutionszwecke genutzt würden, wobei diese Wohnungen zu Tagesmieten von S 1.000,-- aufwärts vermietet werden sollten. Schließlich habe gemäß diesem Bericht erhoben werden können, dass die Wohnungen im Parterre zwar zurzeit nicht besetzt seien, sehr wohl jedoch die Wohnung im 1. Obergeschoß, Türe rechts. Damit habe festgestellt werden können, dass zumindest die vorschriftswidrige Nutzung der Wohnung, Türe rechts im 1. Obergeschoß, weiterhin vorliege und somit dem baupolizeilichen Auftrag noch nicht zur Gänze entsprochen worden sei, sei die Zwangsstrafe in der Höhe von S 7.000,-- zu Recht verhängt worden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 VVG wird die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird. Die Vollstreckung hat gemäß § 5 Abs. 2 VVG mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie in ihrem Recht auf Parteiengehör deshalb verletzt worden sei, weil ihr der Bericht der Bundespolizeidirektion G. vom 7. September 1998, auf den sich die belangte Behörde maßgeblich stütze, nicht zur Kenntnis und Stellungnahme zugekommen sei. Hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen Besichtigungstermin gesetzt, hätte sie unschwer aufzeigen können, dass die vorliegenden Wohneinheiten nicht mehr zu Prostitutionszwecken verwendet würden, zumal sich diese gerade im Umbau befänden. Es stelle auch einen schweren Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde vom März 1998 bis März 1999 keinerlei relevante Erhebungen und Ermittlungen durchgeführt habe. Hätte die Behörde weitere Ermittlungen durchgeführt, dann hätte sie feststellen können, dass die vorliegenden Wohnungen bereits zu einem Sonnenstudio umgebaut worden seien. Seit dem 1. April 1998 werde in dem gegenständlichen Haus keine Prostitution mehr ausgeübt.

Die Erlassung einer Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG setzt voraus, dass der Betroffene die sich aus einem rechtskräftigen Bescheid ergebende Verpflichtung u.a. zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, bisher nicht erfüllt hat. Nachdem die verfahrensgegenständliche Zwangsstrafe der Beschwerdeführerin am 28. September 1998 zugestellt wurde, ist somit der als Beweismittel ins Treffen geführte Bericht der Bundespolizeidirektion G. vom 7. September 1998 für die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Zwangsstrafe von maßgeblicher Bedeutung. Dieser Bericht lautete wie folgt:

"Bericht

zum vorliegenden Schreiben G... bzw. zur ggst. Urgenz vom 26.08.1998, betreffend G..., 'konsenswidrige Nutzung':

Dazu muss berichtet werden, dass von hier aus bis zur Zeit - trotz Zuwartens ! - keine eindeutigen Erkenntnisse berichtet werden können.

Nach ha. Kenntnisstand bzw. Kenntnisstand der

ha. Abteilung IV, - Fremdenpolizei - stehen die im ggst. Bescheid angeführten Wohneinheiten von Fall zu Fall nach wie vor in konsenswidriger Verwendung, d.h. es wird an Prostituierte zwecks Ausübung der Gewerbsunzucht in diesen Wohnungen seitens der G... zu Tagesmieten von ATS 1.000,-- aufwärts vermietet, jedoch ist ein Beweis in Form von 'dienstlichen Wahrnehmungen' nur sehr schwer und nur in Einzelfällen zu erbringen.

Jedenfalls konnte in der Vorwoche eine V-Person 'aufgestellt' werden, die nicht nur dezidiert anzugeben vermochte, welche 'Sicherungsmaßnahmen' J... G... gegen Polizeikontrollen bzw. überhaupt gegen behördliche Kontrollen ergriffen hat, sondern auch angab, dass die Wohnungen im Parterre zur Zeit nicht besetzt sind, sehr wohl aber die in Rede stehende Wohnung im 1. Stock dieses Hauses. Dazu muss natürlich von hier aus angemerkt werden, dass sich dieser Zustand nach den ha. bisherigen langjährigen Erfahrungswerten von Tag zu Tag ändern kann!

     Für die do. Behörde dürfte noch von Interesse sein, dass die

V-Person angegeben hat, G... plane in ihrem illegalen

Bordellbetrieb auch die Installation einer Sauna, etc., und soll

u. U. mit dem Bau schon begonnen haben. Es wird von hier aus

angezweifelt, ob G... sich von do. die notwendigen Genehmigungen

geholt hat!"

Dieser Bericht wurde der Beschwerdeführerin weder zur Kenntnis noch zur Stellungnahme übermittelt. Im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens kommt die Durchführung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens und daher die Anhörung einer Partei grundsätzlich nicht in Betracht. Die Behörde hat regelmäßig lediglich zu prüfen, ob ein tauglicher Exekutionstitel vorliegt. Muss es allerdings im Vollstreckungsverfahren aus besonderen Gründen doch zu Ermittlungen kommen (wie im vorliegenden Fall die Frage, ob dem baupolizeilichen Auftrag im Hinblick auf den Berufungseinwand nach wie vor nicht entsprochen wurde), so hat die Behörde diese vorzunehmen, doch kommt in solchen Fällen der Mitwirkung des Verpflichteten besondere Bedeutung zu (vgl. das Erkenntnis vom 25. Juni 1991, 91/07/0034). In diesem Sinne hätte die Berufungsbehörde im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin Gelegenheit einräumen müssen, zu dem angeführten Bericht Stellung zu nehmen und sich mit ihrer Stellungnahme auseinander zu setzen gehabt. Dieser Verfahrensmangel stellt sich auch als wesentlich dar.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Oktober 2000

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999060077.X00

Im RIS seit

23.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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