TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/24 2011/01/0240

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Veröffentlicht am 24.10.2013
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Index

27/01 Rechtsanwälte;

Norm

GO RAK Krnt 1997 §6 Abs4 litb;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des MMag. M in K, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Floragasse 5, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten (Vollausschuss) vom 20. Juni 2011, Zl. 18 Hv 99/08d, betreffend Umbestellung eines Verfahrenshelfers (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Rechtsanwaltskammer für Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Kärnten (Vollausschuss), vom 16. März 2011 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 1 RAO zum Verteidiger in einem näher genannten Strafverfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt bestellt.

Mit Schreiben vom 22. März 2011 beantragte der Beschwerdeführer, ihn seines Amtes als Verfahrenshelfer zu entheben und einen anderen Verfahrenshelfer zu bestellen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Juni 2011 wurde diesem Antrag nicht Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Verfahrensbeholfene die Wiederaufnahme eines näher genannten Strafverfahrens, in dem er vom LG Klagenfurt rechtskräftig verurteilt worden sei, beantragt habe.

Aus der (vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen) Vorstellung gehe hervor, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Wiederaufnahme dieses Verfahrens entschieden gegen den Sachverständigen DDr. J.N. vorgehen müsse, und zwar aufgrund dessen Tätigkeit im (vorangegangen) wiederaufzunehmenden Strafverfahren.

Der Beschwerdeführer erachte sich diesbezüglich für befangen, weil er mit dem genannten Sachverständigen beruflich zusammenarbeite und diese Zusammenarbeit aufrecht erhalten wolle; das Vorgehen gegen den Sachverständigen (im Wiederaufnahmeverfahren) würde vermutlich zu einem Abbruch der beruflichen Beziehungen des Beschwerdeführers zum Sachverständigen führen, was den Interessen des Beschwerdeführers widerstreiten würde.

Diese Begründung stelle jedoch - so die belangte Behörde weiter - keine Grundlage dar, die eine Umbestellung des Verfahrenshelfers rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich angeführt, dass er keine freundschaftlichen oder privaten Kontakte zum genannten Sachverständigen habe. In der - vom Beschwerdeführer nicht näher substanziierten - beruflichen Zusammenarbeit sei kein Befangenheitsgrund zu erblicken, da immer dann, wenn Sachverständige in Gerichtsverfahren beigezogen würden, naturgemäß berufliche Kontakte zwischen Rechtsanwälten und den Sachverständigen bestünden.

Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, dass er gegen den genannten Sachverständigen persönlich vorzugehen habe, sondern ergebe sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er im Sinne des Verfahrensbeholfenen dem vom Sachverständigen im wiederaufzunehmenden Strafverfahren erstatteten Gutachten, das den Verfahrensbeholfenen schwer belastet habe und nach dessen Auffassung in vielen Punkten schlichtweg falsch sei, inhaltlich entgegen zu treten habe.

Es gehöre jedoch zur Tätigkeit von Rechtsanwälten, im Interesse der von ihnen vertretenen Parteien, sich inhaltlich und argumentativ mit einem Gutachten eines Sachverständigen, zu dem auch eine persönliche Bekanntschaft bestehe, auseinander zu setzen.

Die belangte Behörde erblicke sohin in den Ausführungen des Beschwerdeführers keine konkreten Gründe für eine Befangenheit. Dem Antrag auf Umbestellung sei daher nicht Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 111/2010 (RAO), lautet auszugsweise:

"§ 9. (1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.

(1a) …

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten und die ihm sonst in seiner beruflichen Eigenschaft bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet. Er hat in gerichtlichen und sonstigen behördlichen Verfahren nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Vorschriften das Recht auf diese Verschwiegenheit.

(3) Das Recht des Rechtsanwaltes auf Verschwiegenheit nach Abs. 2 zweiter Satz darf durch gerichtliche oder behördliche Maßnahmen, insbesondere durch Vernehmung von Hilfskräften des Rechtsanwaltes oder dadurch, dass die Herausgabe von Schriftstücken, Bild-, Ton- oder Datenträgern aufgetragen wird oder diese beschlagnahmt werden, nicht umgangen werden; besondere Regelungen zur Abgrenzung dieses Verbots bleiben unberührt.

§ 45. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer.

(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. Im Fall des Todes des bestellten Rechtsanwalts oder des Verlustes seiner Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist von Amts wegen ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen.

§ 46. (1) Die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern haben bei der Bestellung nach festen Regeln vorzugehen. …

(2) Die Geschäftsordnungen können jedoch allgemeine Gesichtspunkte festlegen, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung ganz oder teilweise befreit sind. …"

Die Geschäftsordnung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten in der Fassung vom 21. November 2003 (in der Folge: "Geschäftsordnung") lautet auszugsweise:

"§ 6

Bestellungsbehörde

(4) Eine Umbestellung eines bestellten Verfahrenshelfers ist nur zulässig,

a) wenn der bestellte Rechtsanwalt die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Strafsache vertreten hat

b) wenn solche Befangenheitsgründe geltend gemacht werden, die aus objektiver Sicht ernstlich bezweifeln lassen, dass der bestellte Verfahrenshelfer seiner Verpflichtung, die Verfahrenshilfe dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten, nachkommen werde können

c) wenn ein übereinstimmender Umbestellungsantrag der Verfahrenshilfepartei, des bestellten Verfahrenshelfers und eines an dessen Stelle zu bestellenden Verfahrenshelfers vorliegt.

§ 7

Feste Regeln

(8) Umbestellungen von Verfahrenshelfern durch Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer sind nur zulässig,

a) wenn ein dreiseitiger Antrag der Verfahrenshilfepartei, des bisher bestellten Verfahrenshelfers und des neu zu bestellenden Verfahrenshelfers vorliegt,

b) wenn beim bisher bestellten Verfahrenshelfer solche Befangenheitsgründe geltend gemacht werden, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, eine den Bestimmungen der §§ 9 und 10 RAO entsprechende Vertretung zu gefährden.

…"

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dass eine Befangenheit des Beschwerdeführers im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO (in Verbindung mit § 6 Abs. 4 lit. b bzw. § 7 Abs. 8 lit. b der Geschäftsordnung) nicht vorliege, weshalb die vom Beschwerdeführer beantragte Umbestellung nicht zulässig sei.

Dagegen bringt die Beschwerde zusammengefasst vor:

a) Die belangte Behörde lasse unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vorstellung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die beruflichen Beziehungen zum Sachverständigen konkret dargelegt habe. Er habe den Sachverständigen als Experten auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens und als Wirtschaftsprüfer in verschiedenen Fragen zu Rate gezogen und unter anderem auch zur Erstellung von Privatgutachten herangezogen. Dass eine berufliche Zusammenarbeit nicht näher substanziiert worden sei, sei somit unrichtig.

b) Die belangte Behörde übersehe auch, dass es im Zuge einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens des Verfahrensbeholfenen darum ginge, gegen den Sachverständigen vorzugehen. Aufgrund der Tätigkeit des Sachverständigen und dem nach Ansicht des Verfahrensbeholfenen falschen Gutachten des Sachverständigen sei auch ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Sachverständigen anhängig. Es gehe nicht nur darum, sich im Interesse der Partei inhaltlich und argumentativ mit dem Gutachten des Sachverständigen auseinanderzusetzen. Die beruflichen Interessen des Beschwerdeführers stünden dabei aber den Interessen des Verfahrensbeholfenen entgegen und würden eine Befangenheit des Beschwerdeführers begründen.

c) Die belangte Behörde übergehe auch zu Unrecht den Umstand, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner (bereits in seiner Stellungnahme vom 12. April 2011 vorgebrachten) Verschwiegenheitsverpflichtung nicht möglich gewesen sei, noch detailliertere Angaben zur beruflichen Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen zu machen. Gerade die Preisgabe von Informationen, in welcher Form bzw. in welchen Angelegenheiten diese Zusammenarbeit konkret bestehe, würde eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht begründen.

d) Die belangte Behörde lasse schließlich auch unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer (wie bereits in seinem Umbestellungsantrag vom 22. März 2011 angeführt) den Antrag auf Umbestellung über Wunsch und mit ausdrücklicher Zustimmung des Verfahrensbeholfenen eingebracht habe, weil dieser nicht mehr durch den Beschwerdeführer vertreten werden wolle.

Mit diesem Vorbringen wird eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt:

Zu a und b): Dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs. 4 RAO liegt das Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde Motive zu Grunde. Soweit hier erheblich, soll diese gesetzliche Regelung (hier: im Zusammenhalt mit § 6 Abs. 4 lit. b der Geschäftsordnung) gewährleisten, dass der bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Vertretenen - insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten - nicht durch sachfremde Motive gehemmt sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2008, Zl. 2005/06/0342, mwN).

Um die Möglichkeit aufzuzeigen, er sei aus sachfremden Motiven an der pflichtgemäßen (sachlichen) Ausübung gehindert, hätte der Beschwerdeführer konkrete Sachverhaltsbehauptungen aufstellen müssen, die die Befürchtung nachvollziehbar erscheinen lassen, der Verfahrenshelfer sei dadurch in seinem pflichtgemäßen Handeln gegenüber dem Verfahrensbeholfenen gehemmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2001, Zl. 98/10/0302, sowie das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004, Zl. 2003/06/0003).

In diesem Sinn reicht der bloße Hinweis des Beschwerdeführers, dass er den genannten Sachverständigen als Experten auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens und als Wirtschaftsprüfer bzw. zur Erstellung von Privatgutachten herangezogen habe, nicht aus, um eine Befangenheit des Verfahrenshelfers nachvollziehbar erscheinen zu lassen, zumal derartige berufsbedingte Nahebeziehungen zu den im Rahmen von Gerichtsverfahren tätigen Sachverständigen zu den typischen Elementen anwaltlicher Berufsausübung zählen.

Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen vorbringt, dass er als Folge einer - pflichtgemäßen - Vertretung des Verfahrensbeholfenen den Abbruch seiner beruflichen Beziehungen zum genannten Sachverständigen durch den Letztgenannten befürchte bzw. er den Eintritt dieser Folgewirkung vermeiden möchte, ist auch daraus alleine eine Befangenheit nicht ableitbar.

Zu c): Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwaltes umfasst gemäß § 9 Abs. 2 RAO die ihm anvertrauten Angelegenheiten und die ihm sonst in seiner beruflichen Eigenschaft bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse seiner Partei gelegen ist. Im Hinblick darauf lässt die Beschwerde eine ausreichende Relevanzdarstellung vermissen, wonach die Verschwiegenheitsverpflichtung der Offenlegung von konkreten beruflichen Beziehungen des Beschwerdeführers zum Sachverständigen, aus denen sich fallbezogen allenfalls Hinweise für das Vorliegen von Befangenheitsgründen ergeben hätten, entgegen stand.

Zu d): Soweit diesem Vorbringen offenkundig die Behauptung innewohnt, dass bei der Beigebung eines Rechtsanwalts auch Vorbehalte einer Partei gegen einen Rechtsanwalt zu berücksichtigen seien, übersieht der Beschwerdeführer, dass weder ein Rechtsanspruch auf Beigebung eines bestimmten Rechtsanwaltes besteht, noch darauf, dass ein bestimmter Rechtsanwalt nicht zum Verfahrenshelfer bestellt wird (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2001).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Oktober 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2011010240.X00

Im RIS seit

25.11.2013

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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