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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ASchG 1994 §130 Abs5 idF 2006/I/147;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2013/02/0145 E 25. Oktober 2013Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und Hofrat Mag. Dr. Köller und Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 13. Mai 2013, Zl. UVS 303.15-2/2013-25, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (mitbeteiligte Partei:
T in B, vertreten durch die Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 8042 Graz, St. Peter Gürtel 4 OG1/1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 1. hinsichtlich der Strafhöhe sowie der Kosten des Verfahrens, in seinem Spruchpunkt 2. zur Gänze, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom 5. Dezember 2012 hat die BH F den Mitbeteiligten als handelsrechtlichen Geschäftsführer und daher als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlichen der M Bau GmbH schuldig erkannt, 1. er habe es zu verantworten, dass am 11. Oktober 2011 auf der Baustelle in G für die durchgeführten Arbeiten keine Montageanweisungen von einer fachkundigen Person erstellt worden seien, insbesondere für das Anschlagen der Last an den Ladekran und das Transportieren und die beim Transport einzuhaltende Transportlage sowie 2. er habe als Arbeitgeber eines Arbeitnehmers auf der genannten Baustelle, auf der gleichzeitig Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber beschäftigt worden seien, nicht dafür gesorgt, dass durch eine entsprechende Koordination der am 11. Oktober 2011 durchgeführten Arbeiten die Gefahren für die Sicherheit oder Gesundheit der auf der Baustelle von zwei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer vermieden worden seien.
Zu Spruchpunkt 1. habe der Mitbeteiligte § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG iVm mit den §§ 86 Abs. 1 bis 3 und 85 Abs. 1 BauV übertreten, wofür eine Geldstrafe von 7.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) verhängt wurde. Zu Spruchpunkt 2. habe der Mitbeteiligte § 130 Abs. 1 Z 10 ASchG iVm § 8 Abs. 1 und 3 ASchG verletzt, wofür über ihn eine Geldstrafe von 5.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Mitbeteiligten gegen Punkt 1. des Straferkenntnisses dem Grunde nach abgewiesen und die Strafe auf 3.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage) herabgesetzt. Hinsichtlich Punkt 2. des Straferkenntnisses hat die belangte Behörde der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Verfahrensgang wieder und stellte fest, dass zwischen der M Bau GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Mitbeteiligte sei, und dem Transportunternehmen P eine mehrjährige Zusammenarbeit bestehe, im Zuge derer das Transportunternehmen P der M Bau GmbH auf Basis einer Rahmenvereinbarung verschiedene Fahrzeuge (LKW 2-Achser und 3-Achser mit Kran-Greifer, Kran-LKW und Tieflader) für einzelne Arbeiten zu einem bestimmten Regiestundensatz zur Verfügung stelle. Dieser Stundensatz umfasse die Bereitstellung des LKWs und des Fahrers. Das Transportunternehmen P setze für einzelne Aufträge fallweise die H GmbH als Subunternehmer ein. Die Bestellung des jeweils erforderlichen Gerätes erfolge kurzfristig mündlich durch den für die jeweilige Baustelle zuständigen Polier der M Bau GmbH. Die Firma P/H GmbH stelle dabei lediglich den LKW-Fahrer zur Verfügung, allfällig erforderliches Hilfspersonal werde von der M Bau GmbH beigestellt. Der jeweils entsandte LKW-Fahrer melde sich nach seinem Eintreffen auf der Baustelle beim zuständigen Polier/Vorarbeiter der M Bau GmbH und erhalte von diesem das erforderliche Material und die erforderlichen Instruktionen. Der Baustellenverantwortliche der M Bau GmbH entscheide auch, ob und welches Hilfspersonal beigestellt werde und welche Tätigkeiten dieses durchzuführen habe. Nach Beendigung der Arbeiten würden die Stunden, welche die Basis für die Abrechnung bildeten, vom Polier der M Bau GmbH abgezeichnet. Im Oktober 2011 hätten in G Bauarbeiten stattgefunden. Im Auftrag des Bauherren sei eine Lagerhalle von der M Bau GmbH in ein Möbelgeschäft umgebaut worden. Hiebei seien in der fertig eingedeckten Halle unter anderem vier Betonfertigteilstiegen zu versetzen gewesen. Einige Zeit vor dem späteren Unfall seien zwei dieser Betonfertigteilstiegen von einem Mitarbeiter der H GmbH versetzt worden, wobei es keinerlei Probleme gegeben habe. Die Versetzrichtlinie des Herstellers der Fertigteilstiegen sei auf der Baustelle beim Polier der M Bau GmbH aufgelegen. Zusätzliche schriftliche Montageanweisungen der M Bau GmbH für das Versetzen der gegenständlichen Betonfertigteilstiegen habe es nicht gegeben. Am Tag vor dem Unfall sei der gegenständliche Arbeitsvorgang vom Polier der M Bau GmbH mit einem Mitarbeiter der H GmbH auf der Baustelle mündlich besprochen worden. Der am Unfallstag entsandte Mitarbeiter der H GmbH R sei an diesem Tag das erste Mal auf dieser Baustelle gewesen. Da der Polier an diesem Tag nicht anwesend gewesen sei, habe sich R nach seinem Eintreffen beim Vorarbeiter der M Bau GmbH gemeldet und dieser habe ihm gezeigt, wo die zu versetzenden Betonfertigteilstiegen gelagert seien und ihm das Gewicht der Stiegen genannt sowie ihm Drahtseilschlaufen zum Befestigen der Ketten übergeben. Der Vorarbeiter habe auch bestimmt, dass er selbst sowie zwei weitere Mitarbeiter der M Bau GmbH beim Einrichten der Stiegen helfen würden. Der Einbau der ersten Stiege sei problemlos verlaufen. Da die zweite Fertigteilstiege etwas länger gewesen sei, habe R gemeinsam mit dem Vorarbeiter wegen der geringen Einbauhöhe die Ketten im vorderen Bereich etwas verkürzen müssen, um zu verhindern, dass der Kran beim Einhängen der Treppe an der Decke der Halle anstoße. Dieses Verkürzen der Ketten habe einen Neigungswinkel von deutlich mehr als die höchstzulässigen 60 Grad zur Folge gehabt, wodurch der Aufhängering des oberen Anschlagmittels durch den deutlich überschrittenen Neigungswinkel in die Richtung der Öffnung des Hakens gezogen worden sei, wodurch das Anschlagmittel ausgefädelt habe, der Kranarm seitlich nach oben geschnellt sei und den auf der Decke des ersten Stockwerkes direkt an der Stirnseite der Treppe stehenden Mitarbeiter der M Bau GmbH getroffen habe, der noch am Unfallsort seinen schweren Verletzungen erlegen sei.
Nach einer gerafften Beweiswürdigung stellte die belangte Behörde die Rechtslage dar und führte zu Spruchpunkt 1. zur Strafbemessung aus, die erstinstanzliche Behörde sei von einem Wiederholungsfall im Sinne des § 130 Abs. 5 ASchG ausgegangen und habe aufgrund einschlägiger Vorstrafen des Mitbeteiligten wegen vorangegangener Übertretungen der BauV den höheren zweiten Strafsatz zur Anwendung gebracht. Ein Blick auf das Vorstrafenregister des Beschwerdeführers zeige allerdings, dass dieser zwar zwei noch nicht getilgte Vormerkungen wegen früherer Übertretungen der BauV aufweise, diese hätten jedoch § 110 BauV sowie § 48 BauV betroffen und somit andere Tatbestände, weshalb zwar kein Wiederholungsfall vorliege, wohl aber seien diese Verwaltungsvormerkungen bei der Strafbemessung als erschwerend zu berücksichtigen. Weiter erschwerend wirke nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, dass die Tat schwere Folgen in Gestalt eines tödlichen Arbeitsunfalles nach sich gezogen habe. Als mildernd sei nichts anzunehmen. Gehe man somit bei der Strafbemessung vom ersten Strafsatz aus, so erscheine die von der belangten Behörde im Ausmaß von nahezu der Höchststrafe bemessene Geldstrafe bei erstmaliger Begehung trotz der unbestritten tragischen Folgen der Tat doch bei Weitem überzogen. Außer den beiden erwähnten Übertretungen der BauV weise der Geschäftsführer trotz langjähriger Geschäftsführertätigkeit keine einzige weitere Vorstrafe wegen Verstoßes gegen arbeitnehmerschutzrechtliche Vorschriften auf.
Zu Spruchpunkt 2. nahm die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung an, weil der Mitarbeiter der H GmbH R im Betrieb der M Bau GmbH tätig gewesen sei, kein von den Leistungen der M Bau GmbH unterscheidbares Werk erbracht habe, lediglich der Kran von der H GmbH beigestellt worden sei, R in den Betrieb der M Bau GmbH eingegliedert gewesen sei, und eine Haftung für den Erfolg der Werkleistung nicht übernommen worden sei. Insgesamt seien von den vier Abgrenzungskriterien des § 4 Abs. 2 AÜG drei zur Gänze und eines teilweise als erfüllt anzusehen. Die Tätigkeit des R am Unfallstag sei daher nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt sowohl unter Zugrundelegung der Abgrenzungskriterien als auch gemäß § 9 ASchG als Arbeitskräfteüberlassung zu qualifizieren. Da bei einer Arbeitskräfteüberlassung die Vorschriften des § 8 ASchG über die Koordination nicht gälten, sei das Verfahren in diesem Spruchpunkt einzustellen gewesen, weil keine betriebsfremden Arbeitnehmer an der Baustelle tätig geworden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 13 ArbIG erhobene Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu Spruchpunkt 1. wendet sich der beschwerdeführende Bundesminister gegen die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, ein Wiederholungsfall liege nur dann vor, wenn der Beschuldigte wegen Übertretung derselben Vorschrift, nach der er schon einmal bestraft worden sei, neuerlich bestraft werde; bei den Vorstrafen des Mitbeteiligten handle es sich um Strafen wegen Übertretungen anderer Vorschriften der BauV. Demgegenüber sei nach Meinung des beschwerdeführenden Bundesministers ein Wiederholungsfall nicht nur dann anzunehmen, wenn gegen dieselben, sondern auch wenn gegen andere Vorschriften der BauV verstoßen worden sei. Die Verordnung diene nämlich zur Gänze dem Schutz von ArbeitnehmerInnen (Hinweis auf das Erkenntnis vom 6. Juli 1982, Zl. 81/11/0089).
Die von der belangten Behörde für die Bestrafung herangezogene Norm des § 130 Abs. 5 ASchG lautet in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 147/2006:
"Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7.260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14.530 EUR, zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in
1. den nach dem neunten Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder
2. die nach dem neunten Abschnitt weiter geltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält."
Nach der vom beschwerdeführenden Bundesminister in der Beschwerde zitierten hg. Rechtsprechung zu § 30 KJBG liegt ein Wiederholungsfall auch dann vor, wenn nach einer einmal erfolgten Zuwiderhandlung gegen eine Bestimmung des KJBG oder eine aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung gegen eine andere Bestimmung des KJBG (der genannten Verordnungen) verstoßen wird (vgl. das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis vom 6. Juli 1982, Zl. 81/11/0089, ebenso das Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0282).
Der dieser Auslegung damals zugrunde liegende Wortlaut des § 30 KJBG - "wer diesem Bundesgesetz oder einer aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwider handelt, ist … im Wiederholungsfall … zu bestrafen" - entspricht im Wesentlichen der Formulierung der im Beschwerdefall angewendeten Strafbestimmung. Die Einschränkung im § 130 Abs. 5 ASchG auf Straftatbestände nach dem neunten Abschnitt hat - wie sich auch aus den übrigen Absätzen des § 130 ASchG ergibt - lediglich systematische Zwecke im Auge, nämlich die Zusammenfassung und Zuordnung bestimmter Straftatbestände zu bestimmten Strafsätzen. Gemeinsam ist allen Bestimmungen des ASchG jedenfalls der Zweck des Arbeitnehmerschutzes. Es kann daher diesbezüglich kein Unterschied zu der oben wieder gegebenen, von der Rechtsprechung zu § 30 KJBG getroffenen Aussage bestehen, sodass es auch bei mehrfachen Übertretungen des ASchG für die Beurteilung des Vorliegens eines Wiederholungsfalles nicht darauf ankommt, nach welchen Bestimmungen eine Bestrafung bereits erfolgt ist.
Dies verkennend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass kein Wiederholungsfall vorliege und hat deshalb für die Bestrafung des Mitbeteiligten den ersten Strafrahmen des § 130 Abs. 5 ASchG herangezogen. Insofern ist der Strafausspruch zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Zu Spruchpunkt 2. vertritt der beschwerdeführende Bundesminister die Ansicht, zwischen der M Bau GmbH und der H GmbH sei zwar ein Werkvertrag vereinbart gewesen, die Voraussetzungen für eine Arbeitskräfteüberlassung lägen jedoch nicht vor. Die H GmbH habe einen Arbeitnehmer mit einem eigenen Arbeitsmittel, nämlich einem Kran, und mit einem bestimmten Arbeitsauftrag, nämlich den Einbau von Betonfertigteilstiegen, auf die Baustelle entsandt. Der Einbau von Betonfertigteilstiegen sei ein eigenständiges, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk. Dass der Kranführer der H GmbH einer zumindest eingeschränkten Dienst- und Fachaufsicht der M Bau GmbH unterstanden sei, gehe aus dem Sachverhalt nicht hervor. Die M Bau GmbH sei nicht in der Lage gewesen, den Einbau der Betonfertigteilstiegen selbst durchzuführen und habe deshalb ein anderes Unternehmen beauftragt. An der Baustelle seien daher Arbeitgeber mehrerer Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, eine Arbeitskräfteüberlassung sei nicht vorgelegen.
Nach § 8 Abs. 1 ASchG haben die betroffenen Arbeitgeber bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten, wenn in einer Arbeitsstätte, auf einer Baustelle oder einer auswärtigen Arbeitsstelle Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber beschäftigt werden. Sie haben ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der Gefahrenverhütung zu koordinieren (Z 1) und einander sowie ihre Arbeitnehmer und die zuständigen Belegschaftsorgane über die Gefahren zu informieren (Z 2).
Gemäß § 8 Abs. 6 ASchG gelten die Absätze 1 bis 5 nicht bei einer Überlassung im Sinne des § 9.
Eine Überlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt nach § 9 Abs. 1 ASchG vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie und unter deren Kontrolle zu arbeiten. Überlasser ist, wer als Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet. Beschäftiger ist, wer diese Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einsetzt.
§ 9 Abs. 1 ASchG erfasst u.a. auch die Überlassung von Arbeitskräften nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 2010, Zl. 2009/02/0302).
Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist gemäß § 4 Abs. 1 AÜG der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Nach der Rechtsprechung ist für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung nicht entscheidend, ob und welche Rechtsbeziehungen zwischen dem Beschäftiger (Auftraggeber) und der Arbeitskraft, aber auch zwischen dem Beschäftiger und dem Überlasser bestehen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zl. 2009/11/0250).
Nach § 4 Abs. 2 AÜG liegt Arbeitskräfteüberlassung insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber
"1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder
2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder
3. organisatorisch in dem Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder
4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet"
Wenn eine der vier Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG iVm dem Einleitungssatz dieser Bestimmung zur Gänze erfüllt ist, ist eine Arbeitskräfteüberlassung jedenfalls gegeben. Dann bedarf es keiner Gesamtbeurteilung des Sachverhaltes im Sinne des § 4 Abs. 1 AÜG (vgl. das Erkenntnis vom 29. April 2011, Zl. 2010/09/0161).
Die belangte Behörde hat keine solche Gesamtbetrachtung vorgenommen, sondern den Sachverhalt dahin beurteilt, dass jedenfalls § 4 Abs. 1 Z 1 bis 3 zur Gänze und Z 4 AÜG teilweise als erfüllt anzusehen sind.
Zuzustimmen ist der belangten Behörde in ihrer Einschätzung, dass zwischen der M Bau GmbH und der H GmbH ein Werkvertrag über den Einbau der Betonfertigteilstiegen abgeschlossen wurde (vgl. zu den Merkmalen eines Werkvertrages aus der ständigen Rechtsprechung das Erkenntnis vom 15. Februar 2013, Zl. 2012/09/0046).
Allerdings verkennt die belangte Behörde die Rechtslage, wenn sie die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 1 Z 1 bis 4 AÜG als gegeben erachtet:
Nach den Feststellungen ist die M Bau GmbH gerade nicht in der Lage, die Betonfertigteilstiegen einzubauen, weshalb die Einschätzung der belangten Behörde, es läge kein von den Leistungen des Werkbestellers (M Bau GmbH) abweichendes oder unterscheidbares Werk vor, verfehlt ist. Auch wurde die Arbeit vorwiegend mit dem Werkzeug des Werkunternehmers (H GmbH) durchgeführt, weil ohne den von ihm beigestellten Spezialkran das Werk (Einbau der Stiege) nicht hätte durchgeführt werden können. Aus den Feststellungen ergibt sich auch keinerlei Hinweis darauf, dass R bei der Ausführung des Werkes in irgendeiner Form organisatorisch in den Betrieb der M Bau GmbH eingegliedert war oder ihrer Dienst- und Fachaufsicht unterstand. Auch ist Wesen eines Werkvertrages, dass der Werkunternehmer für den Erfolg (im Beschwerdefall für den fachgerechten Einbau der Stiege) haftet. Nur wenn der konkrete Umfang des Werkes nicht feststeht, fehlt es auch an einem solchen gewährleistungstauglichen Erfolg (vgl. das Erkenntnis vom 29. April 2011, Zl. 2008/09/0286).
Demnach ist keine der im § 4 Abs. 2 AÜG angeführten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung im Beschwerdefall gegeben, weshalb die belangte Behörde zu Unrecht das Vorliegen einer solchen angenommen hat.
Wegen ihrer Fehlbeurteilung hat die belangte Behörde keine Feststellungen für eine Gesamtbetrachtung im Sinne des § 4 Abs. 1 AÜG getroffen.
Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb der angefochtene Bescheid auch im Spruchpunkt 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Gänze aufzuheben war.
Wien, am 25. Oktober 2013
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013020141.X00Im RIS seit
28.11.2013Zuletzt aktualisiert am
23.03.2017