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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ElWOG 2010 §80;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der E GmbH in Linz, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle, Dr. Rudolf Mitterlehner, Dr. Klaus Oberndorfer und Dr. Paul Oberndorfer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 9, gegen den Bescheid der Regulierungskommission der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) vom 29. Februar 2012, Zl. R ALB 04/11, betreffend Untersagung bestimmter Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 17. November 2011 zeigte die Beschwerdeführerin - eine Lieferantin, die Elektrizität anderen zur Verfügung stellt - der belangten Behörde erstmalig Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Lieferung elektrischer Energie unter der Marke "s.at" an. Sie änderte diese Bedingungen auf Grund der Korrespondenz mit der belangten Behörde an verschiedenen Stellen ab; die Bedingungen, die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegen, lauten auszugsweise wie folgt:
"1. Art und Umfang der Lieferung
1.1 s.at liefert dem Kunden elektrische Energie zur Deckung seines Eigenverbrauchs. Dabei wird die elektrische Energie durch Einspeisung der dem Kundenverbrauch entsprechenden Energiemengen in das Verteilnetz des örtlichen Verteilernetzbetreibers an den Kunden geliefert. Als Erfüllungsort gilt der technisch geeignete Einspeisepunkt in die Regelzone, in der die Kundenanlage liegt. Mit Lieferbeginn wird der Kunde Mitglied jener Bilanzgruppe, der s.at angehört.
1.2 Die für den weiteren Transport der elektrischen Energie zur Kundenanlage erforderliche Netznutzung bildet keinen Gegenstand des Energieliefervertrages; für die Netznutzung ist ein aufrechter Netzzugangsvertrag zwischen dem Kunden und dem örtlichen Verteilernetzbetreiber erforderlich.
4. Vertragsdauer, Kündigung, Umzug, vorzeitige Auflösung
4.1 Sofern nicht anders vereinbart, wird der Energieliefervertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann vom Kunden unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen schriftlich oder auf seinem Kunden-Account, von s.at unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von acht Wochen durch Erklärung gemäß Pkt. 14, frühestens jedoch zum Ablauf einer allfällig vereinbarten Mindestvertragslaufzeit, gekündigt werden. s.at kann dem Kunden bis 14 Tage vor Wirksamwerden der Kündigung den Abschluss eines neuen Energieliefervertrages anbieten. Sollte der Kunde nach Eingang dieses Angebots bis zum Wirksamwerden der Kündigung weder einen Wechsel seiner Anlage zu einem anderen Lieferanten vornehmen, noch seine Anlage beim örtlichen Verteilernetzbetreiber abmelden, so gilt dies als Annahme des Angebots. Der Kunde wird auf die Bedeutung seines Verhaltens ausdrücklich im Angebot hingewiesen.
4.2 Die Vertragspartner können bei Vorliegen eines wichtigen Grundes den Energieliefervertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung vorzeitig auflösen. Hiervon bleiben allfällige sonstige Ansprüche der Vertragsparteien unberührt. Als wichtige Gründe gelten insbesondere
o Angabe von falschen oder unvollständigen Kundendaten, die für die zweifelsfreie automatisierte Identifizierung des zu beliefernden Zählpunkts und Vertragspartners durch den Netzbetreiber im Wechselprozess erforderlich sind (zB: Zählpunktnummer, Name und Adresse des Vertragspartners) trotz Aufforderung zur Verbesserung unter Setzung einer vierzehntätgigen Nachfrist;
o die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses aufgrund der Angabe falscher Kundendaten, dem s.at bei Kenntnis des für den Kunden tatsächlich zutreffenden Ergebnisses der Bonitätsprüfung nicht zugestimmt hätte;
o wesentliche Vertragsverletzungen - insbesondere, Liefer- oder Zahlungsverzug und Nichtherstellung des vertragsgemäßen Zustandes trotz Aufforderung zur Verbesserung unter Setzung einer vierzehntägigen Nachfrist;
o wenn über das Vermögen des jeweils anderen Vertragspartners ein außergerichtlicher Ausgleich bevorsteht oder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse verweigert wird;
o gänzliche oder teilweise Nichtzahlung, Rückbuchung bzw. Nichtanpassung einer gemäß Pkt. 9 vereinbarten oder von s.at gemäß Pkt. 9 geforderten Sicherheitsleistung bzw. Vorauszahlung;
o wenn die Vollmacht gemäß Pkt. 2.2. nicht gültig erteilt oder widerrufen wird;
o wenn die Bankeinzugsermächtigung nicht gültig erteilt oder widerrufen wird, ohne dass eine angemessene Sicherheit oder Vorauszahlung (maximal 6 monatliche Teilbeträge) geleistet wurde.
10. Zahlungsverzug und Rücklastschrift
10.1 Bei Zahlungsverzug wird s.at den Kunden einmalig mahnen und eine Frist von 14 Tagen zur Ermöglichung eines reibungslosen Bankeinzugs oder Überweisung des offenen Betrages setzen. Nach Ende dieser Frist wird s.at - sofern die offene Forderung bis dahin nicht zur Gänze beglichen wurde - einen erneuten Bankeinzug versuchen. Ist dieser nicht durchführbar, so ist s.at zur sofortigen Kündigung aus wichtigem Grund und/oder Deckung offener Kundenforderungen aus allfälligen Sicherheitsleistungen des Kunden berechtigt, worauf der Kunde in der Mahnung ausdrücklich hingewiesen wird. Kündigt s.at den Vertrag nicht, ist s.at berechtigt, die Wiederaufstockung der Sicherheit zur Absicherung künftiger Leistungen aus dem Lieferverhältnis zu verlangen."
Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs 1 Z 4 E-ControlG, BGBl. I Nr. 110/2010 idF BGBl. I Nr. 107/2011 iVm § 80 Abs 1 ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 110/2010, im geschäftlichen Verkehr mit Endverbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, die oben kursiv dargestellten Formulierungen zu verwenden sowie sich auf diese Formulierungen zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, § 82 Abs. 3 ElWOG 2010 berechtige den Netzbetreiber im Falle der Vertragsverletzung nur dann zu einer physischen Trennung der Netzverbindung, wenn die dort näher beschriebene zweimalige Mahnung eingehalten worden sei. Der Abs. 1 dieser Bestimmung richte sich ausdrücklich an den Netzbetreiber, der Abs. 2 an Lieferanten; hingegen sei im Abs. 3 lediglich eine Vertragsverletzung erwähnt, womit nicht nur die eine Verletzung des Netzzugangsvertrages, sondern auch die des Liefervertrages umfasst sein müsse. Wäre das qualifizierte Mahnverfahren nur bei einer Verletzung des Netzzugangsvertrages erforderlich, so wäre dieses Erfordernis in § 82 Abs. 1 ElWOG 2010 zu regeln gewesen. Mit allgemeinen Lieferbedingungen, die für die Aussetzung der Belieferung als Folge des Zahlungsverzuges nicht ein derart qualifiziertes Mahnverfahren vorsähen, wäre der Bestimmung des § 82 Abs. 3 ElWOG 2010 nicht entsprochen. Ein Kunde, dessen Liefervertrag durch den Lieferanten ohne Einhaltung des qualifizierten Mahnverfahrens aufgelöst werde, bleibe für einen gewissen Zeitraum, mindestens jedoch einige Wochen, am Netz angeschlossen, ohne dass er über einen aufrechten Energieliefervertrag verfüge. Der Netzbetreiber könne die Abschaltung erst vornehmen, wenn er das qualifizierte Mahnverfahren durchgeführt habe. Auch auf Grund des Vorliegens von zwei getrennten Verträgen, nämlich eines Liefervertrages sowie eines Netzzugangsvertrages, könne es bei Nichtzahlung der Verpflichtung aus dem Liefervertrag nicht Sache des Netzbetreibers sein, den Kunden zu mahnen. Somit habe eine Abstimmung zwischen Lieferanten und Netzbetreiber bei einer Vertragsverletzung, die die Einhaltung des qualifizierten Mahnverfahrens erfordere, beispielsweise bei Zahlungsverzug, zu erfolgen und es sei das qualifizierte Mahnverfahren durch den Gläubiger der ausstehenden Zahlungen durchzuführen.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich insbesondere in ihrem Recht auf Nichtuntersagung der Verwendung der beanstandeten, zulässigen Formulierungen in ihren AGB verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt, Spruchpunkt 1 wäre überschießend formuliert, weil die Zulässigkeit der Auflösung aus wichtigem Grund an sich untersagt wurde. Diesbezüglich sei auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2013, Zl. 2010/05/0079, verwiesen, wonach das Ziel, die außerordentliche Kündigung aus bestimmten Gründen hintanzuhalten, nur durch Formulierung des Kündigungsgrundes einschließlich des Einleitungssatzes erreicht werden könne.
Schon § 16 Abs. 1 Z. 3 Energie-Regulierungsbehördengesetz idF BGBl. I Nr. 30/2008 (E-RBG) wies der Energie-Control Kommission (hier: der belangten Behörde) folgende Aufgabe zu:
"die Untersagung der Anwendung von Bedingungen, die auf Endverbraucher Anwendung finden und die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen;"
Nunmehr sieht die Verfassungsbestimmung des § 12 Abs. 1 Z. 4 Energie-Control-Gesetz BGBl. I Nr. 110/2010 idF BGBl. I Nr. 107/2011 (E-ControlG) vor, dass die Regulierungskommission der E-Control zur bescheidmäßigen Erledigung folgender Aufgabe zuständig ist:
"die Untersagung der Anwendung von Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie und Erdgas gemäß § 80 ElWOG 2010 und § 125 GWG 2011, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen".
Diese Zuständigkeitsnorm verweist somit auf AGB's "gemäß § 80 ElWOG 2010". Diese Bestimmung lautet:
"Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie
§ 80. (1) (Grundsatzbestimmung) Versorger haben Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie für Kunden, deren Verbrauch nicht über einen Lastprofilzähler gemessen wird, zu erstellen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie ihre Änderungen sind der Regulierungsbehörde vor ihrem In-Kraft-Treten in elektronischer Form anzuzeigen und in geeigneter Form zu veröffentlichen.
(2) Änderungen der Geschäftsbedingungen und der vertraglich vereinbarten Entgelte sind nur nach Maßgabe des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs und des Konsumentenschutzgesetzes zulässig. Solche Änderungen sind dem Kunden schriftlich in einem persönlich an sie gerichteten Schreiben oder auf dessen Wunsch elektronisch mitzuteilen. In diesem Schreiben sind die Änderungen der Allgemeinen Bedingungen nachvollziehbar wiederzugeben. Wird das Vertragsverhältnis für den Fall, dass der Kunde den Änderungen der Geschäftsbedingungen oder der Entgelte widerspricht, beendet, endet das Vertragsverhältnis mit dem nach einer Frist von 3 Monaten folgenden Monatsletzten.
(3) (Grundsatzbestimmung) Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter zwischen Versorgern und Kunden haben zumindest zu enthalten:
1. Name und Anschrift des Versorgers;
2. erbrachte Leistungen und angebotene Qualität sowie
den voraussichtlichen Zeitpunkt für den Beginn der Belieferung;
3. den Energiepreis in Cent pro kWh, inklusive
etwaiger Zuschläge und Abgaben;
4. Vertragsdauer, Bedingungen für eine Verlängerung
und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses,
Vorhandensein eines Rücktrittsrechts;
5. etwaige Entschädigungs- und Erstattungsregelungen
bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten
Leistungsqualität, einschließlich fehlerhafter und verspäteter
Abrechnung;
6. Hinweis auf die zur Verfügung stehenden
Beschwerdemöglichkeiten;
7. die Bedingungen, zu denen eine Belieferung im Sinne
des § 77 erfolgt;
8. Modalitäten, zu welchen der Kunde verpflichtet ist,
Teilbetragszahlungen zu leisten, wobei eine Zahlung zumindest zehn Mal jährlich jedenfalls anzubieten ist.
(4) (Grundsatzbestimmung) Die Versorger haben ihre Kunden nachweislich vor Abschluss eines Vertrages über die wesentlichen Vertragsinhalte zu informieren. Zu diesem Zweck ist dem Kunden ein Informationsblatt auszuhändigen. Dies gilt auch, wenn der Vertragsabschluss durch einen Vermittler angebahnt wird.
(5) Durch die Regelungen der Abs. 1 bis 4 bleiben die Bestimmungen des KSchG und des ABGB unberührt."
§ 51b Oö. ElWOG 2006 idF LGBl. Nr. 72/2008 lautet auszugsweise:
"§ 51b
Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie
(1) Versorger haben Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie für Kunden, deren Verbrauch nicht über einen Lastprofilzähler gemessen wird oder deren jährlicher Stromverbrauch weniger als 100.000 kWh beträgt, zu erstellen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie ihre Änderungen sind der Energie-Control-Kommission vor ihrem Inkrafttreten in elektronischer Form anzuzeigen und in geeigneter Form zu veröffentlichen."
Nach Auffassung der belangten Behörde verstoßen die untersagten Bedingungen gegen §§ 82 Abs. 3 ElWOG 2010. § 82 ElWOG lautet:
"Abschaltung der Netzverbindung und Information der Kunden
§ 82. (1) Netzbetreiber haben Endverbrauchern folgende Informationen einfach und unmittelbar zugänglich im Internet sowie im Rahmen eines der Rechnung beizulegenden Informationsblattes kostenlos zur Verfügung zu stellen:
1. Name und Anschrift des Unternehmens,
2. erbrachte Leistungen und angebotene Qualitätsstufen
sowie Zeitpunkt für den Erstanschluss,
3. Art der angebotenen Wartungsdienste,
4. Art und Weise, wie aktuelle Informationen über alle
geltenden Tarife erhältlich sind,
5. Vertragsdauer, Bedingungen für eine Verlängerung
und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses,
Rücktrittsrechte,
6. etwaige Entschädigungs- und Erstattungsregelungen
bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten
Leistungsqualität, einschließlich fehlerhafter und verspäteter
Abrechnung,
7. Vorgehen zur Einleitung von Streitbeilegungsverfahren,
8. etwaige Ausführungen der Europäischen Kommission
über die Rechte der Energieverbraucher.
(2) Lieferanten haben Endverbrauchern folgende Informationen einfach und unmittelbar zugänglich im Internet sowie im Rahmen eines der Rechnung beizulegenden Informationsblattes kostenlos zur Verfügung zu stellen:
1. Name und Anschrift des Unternehmens,
2. Art und Weise, wie aktuelle Informationen über alle
geltenden Preise erhältlich sind,
3. Vertragsdauer, Bedingungen für eine Verlängerung
und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses,
Rücktrittsrechte,
4. Vorgehen zur Einleitung von Streitbeilegungsverfahren,
5. über das Recht auf Versorgung gemäß § 77,
6. etwaige Entschädigungs- und Erstattungsregelungen
bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten
Leistungsqualität, einschließlich fehlerhafter und verspäteter
Abrechnung,
7. etwaige Ausführungen der Europäischen Kommission
über die Rechte der Energieverbraucher.
(3) Der Netzbetreiber ist in Fällen der Vertragsverletzung zur physischen Trennung der Netzverbindung nur berechtigt, wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweils mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen.
(4) Netzbetreiber und bisheriger Lieferant haben dem Kunden spätestens sechs Wochen nach Vollziehung des Lieferantenwechsels oder nach Vertragsbeendigung die Rechnung zu legen. Der Netzbetreiber hat die Rechnung für die Netznutzung innerhalb von drei Wochen an den bisherigen Lieferanten zu übermitteln, sofern der bisherige Lieferant auch die Rechnung für die Netznutzung legt.
(5) Ein Prepaymentzähler ist zu deinstallieren, wenn der Endverbraucher über einen Zeitraum von sechs Monaten seine Rechnungen beglichen hat."
Zu den Abs. 1 und 2 des § 82 ElWOG 2010 wurde in der Regierungsvorlage (994 d.B XXIV. GP) ausgeführt, dass damit die Vorgaben des Anhanges I Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2009/72/EG umgesetzt würden. Zu Abs. 3 leg. cit. heißt es dort:
"In Abs. 3 wird zum Schutze aller Kunden und dem Konzept einer umfassenden Grundversorgung Rechnung tragend sichergestellt, dass jeder physischen Trennung der Netzverbindung ein klar geregeltes Prozedere vorangeht, die Auffälligkeit von Abschaltungsandrohungen durch verpflichtendes Versenden mit eingeschriebenem Brief auf ein möglichst hohes Maß gesetzt (wobei hierdurch jedoch nicht die Beweislast des Zuganges der Abschaltungsandrohung in einem allfälligen Rechtstreit verschoben wird) und die Höhe der für die Abschaltung verrechenbaren Gebühren gemäß § 58 gedeckelt wird."
Entsprechend der Grundsatzbestimmung des § 80 ElWOG 2000, auf die allein § 12 Abs. 1 Z. 4 E-ControlG verweist, hat die Beschwerdeführerin ihre AGB's der Regulierungsbehörde vorgelegt. Die belangte Behörde sah die Aufzählung bestimmter wesentlicher Punkte für die sofortige Auflösung durch den Lieferanten (Spruchpunkt 1) bzw. die Regelung über den Zahlungsverzug des Kunden (Spruchpunkt 2) als gesetzwidrig an, weil diese Bestimmungen im Widerspruch zu § 82 Abs. 3 ElWOG 2010 stünden. Dabei schließt die belangte Behörde aus der Bezugnahme auf "Fälle der Vertragsverletzung" darauf, dass sich das Gesetzesgebot auch an den Lieferanten bzw. Versorger richte.
Die Bestimmung erlaubt dem Netzbetreiber die Trennung vom Netz nur, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, verbietet sie ihm somit, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Ob der Netzbetreiber selbst diese Voraussetzungen schafft oder ob die entsprechend qualifizierten Mahnungen durch den Lieferanten bzw. Versorger erfolgen, ist in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich festgelegt.
Diese Frage hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen zur mit § 82 Abs. 3 ElWOG 2010 wortidenten Bestimmung des § 127 Abs. 3 GWG 2011 ergangenen Erkenntnissen vom 11. September 2013, Zlen. 2012/04/0021 und 2012/04/0162, geklärt und ausgeführt, dass diese Bestimmung bei der Durchführung des qualifizierten Mahnverfahrens nicht auf den Netzbetreiber abstelle; vielmehr heiße es in dieser Bestimmung, dass der Netzbetreiber in Fällen der Vertragsverletzung zur physischen Trennung der Netzverbindung nur berechtigt sei, wenn dem das näher genannte qualifizierte Mahnverfahren "vorangegangen ist". Damit werde dieses qualifizierte Mahnverfahren als Voraussetzung für die physische Trennung normiert, eine Beschränkung, dass dieses Mahnverfahren nur durch den Netzbetreiber durchgeführt werden könne bzw. durchzuführen sei, werde nicht normiert. Klargestellt wurde auch, dass es sich bei § 127 Abs. 3 GWG 2011 um ein gesetzliches Verbot handelt, das eine Untersagung nach § 125 Abs. 5 GWG 2011 ("Die Regulierungsbehörde kann die Anwendung der gemäß Abs. 1 angezeigten Lieferbedingungen innerhalb von zwei Monaten insoweit untersagen, als diese gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen…") rechtfertigen könnte.
Im Fall des Erkenntnisses Zl. 2012/04/0162 kam allerdings hinzu, dass der dortige Gasversorger in seinen AGB vorgesehen hatte, die Lieferung durch Anweisung an den Netzbetreiber zur physischen Trennung der Netzverbindung auszusetzen. Damit war ein Zusammenhang zwischen dem Erfordernis der qualifizierten Mahnung und der Trennung vom Netz hergestellt. Ein solcher Zusammenhang bestand im Fall des Erkenntnisses Zl. 2012/04/0021 jedoch nicht; aus den dort beanstandeten Klauseln ergab sich nicht, dass abweichend vom gesetzlichen Verbot des § 127 Abs. 3 GWG eine physische Trennung der Netzverbindung ohne ein qualifiziertes Mahnverfahren vertraglich vereinbart werden sollte, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Heranziehung dieses Untersagungsgrundes nicht billigte.
Auch aus den hier gegenständlichen Klauseln lässt sich kein Hinweis entnehmen, dass die physische Trennung der Netzverbindung ohne ein qualifiziertes Mahnverfahren vereinbart wäre; die Klauseln nehmen keinerlei Bezug auf eine Abschaltung, sondern erfassen lediglich die Beendigung des Liefervertrages. Ohne einen solchen Zusammenhang kann die Beschwerdeführerin mit ihren AGB aber nicht gegen § 82 Abs. 3 ElWOG 2010 verstoßen. Zweck dieser Bestimmung ist es im Übrigen keineswegs, die von der belangten Behörde befürchtete vertragslose Weiterbelieferung hintanzuhalten.
Ob Ausführungsgesetze einzelner Länder eine Verpflichtung zu einem derart qualifizierten Mahnverfahren enthalten, wie in der Gegenschrift behauptet wird, ist ohne Belang, weil sich der angefochtene Bescheid nicht darauf stützt. Ebenso wenig ist es ohne Belang, ob andere Lieferanten in ihren AGB's das qualifizierte Mahnverfahren vorsehen.
Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie im gegebenen Zusammenhang eine vom Verwaltungsgerichtshof nicht gebilligte Rechtsgrundlage ihrer Untersagung heranzog, zwar nicht ihren Zuständigkeitsbereich überschritten, aber den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. Oktober 2013
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012050074.X00Im RIS seit
27.11.2013Zuletzt aktualisiert am
07.01.2019