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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Worte "über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr" im ersten Halbsatz der Z1 des §36a Abs5 AlVG idF BGBl 411/1996 bzw des §36b Abs1 und des letzten Satzes des §36b Abs2 AlVG idF BGBl 297/1995 mit E v 05.03.98, G284/97.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Jänner 1997 auf Gewährung von Arbeitslosengeld mit der Begründung abgewiesen, daß der Beschwerdeführer nicht als arbeitslos gelte, weil sein Einkommen laut Einkommensteuerbescheid für 1993 über der Geringfügigkeitsgrenze von 3.740 S für 1997 gelegen sei.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) mit Bescheid vom 25. April 1997 teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin gehend ab, daß dem Antrag für die Zeit vom 14. Jänner 1997 bis 10. März 1997 mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben werde; im übrigen (also ab 11. März 1997) habe das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste den Antrag neuerlich in Behandlung zu nehmen und bei Zutreffen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Nachzahlung zu bewilligen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß gemäß §36a Abs5 Z1 AlVG das Einkommen einer Person, die zur Einkommensteuer veranlagt wird, durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr nachzuweisen sei. Dieser Einkommensteuerbescheid sei so lange als Grundlage für die Einkommensberechnung heranzuziehen, bis ein aktueller Steuerbescheid vorliege. Da das Einkommen des Leistungswerbers laut Einkommensteuerbescheid für 1993 die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von 3.740 S für 1997 übersteige, gelte er für die Zeit vom 14. Jänner 1997 bis 10. März 1997 nicht als arbeitslos; demgegenüber weise der Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 11. März 1997 einen Verlust aus, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleicheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 5. März 1998, G284/97, hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Wortfolge "über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr" im ersten Halbsatz des §36a Abs5 Z1 AlVG idF BGBl. 411/1996 als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
3. Die Beschwerde ist am 6. Juni 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Normenprüfungsverfahren G284/97 war der 27. Februar 1998. Die Gesetzesaufhebung (vgl. Pkt. II.1.) wirkt daher auch für sie.
Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung einer als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmung ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für den Beschwerdeführer als nachteilig erweist. Der Beschwerdeführer ist demnach durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden. Der Bescheid ist daher aufzuheben.
4. Diese Entscheidung kann gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von 3.000 S enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B1361.1997Dokumentnummer
JFT_10019694_97B01361_00