TE Vfgh Beschluss 2013/11/22 B1182/2013

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Veröffentlicht am 22.11.2013
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Asylgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

I.              Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II.              Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit am 18. Oktober 2013 zur Post gegebenem Schriftsatz begehrt die antragstellende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung, mit dem der in der Gemeinderatssitzung vom 21. März 2013 gefasste und in der Gemeinderatssitzung vom 4. April 2013 bestätigte Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gallneukirchen,

"1. dass die Stadtgemeinde Gallneukirchen die Anliegen der 2011 gegründeten, überparteilichen Bürgermeisterplattform unterstützt, ihr beitritt und sich solidarisch mit den dort vertretenen Bürgermeistern um Lösungen im Sinne dieser Plattform bemüht.

2. dass dieser Beschluss im nächsten Stadtblatt mit Stellungnahmen aller Fraktionen veröffentlicht wird.",

aufgehoben wird. Dieser Bescheid wurde der Stadtgemeinde Gallneukirchen am 23. August 2013 zugestellt.

2. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt die antragstellende Partei im Wesentlichen aus, dass ihr Rechtsvertreter die Beschwerde am 30. September 2013 (somit vier Tage vor Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist) in zweifacher Ausführung unterfertigt habe. Am selben Tag sei ein Schreiben an die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Gallneukirchen gerichtet worden, in dem auf die fristgerecht eingebrachte Verfassungsgerichtshofbeschwerde Bezug genommen worden sei.

In der Folge hätte jedoch eine namentlich genannte – bisher objektiv geeignete und bewährte – Kanzleikraft des Rechtsvertreters, deren Aufgabe es gewesen sei, die Beschwerde zu kuvertieren und zur Post zu bringen, es unterlassen, die Beschwerde aufzugeben, und stattdessen nur das Schreiben an die Stadtgemeinde Gallneukirchen abgesandt. Erst am 15. Oktober 2013 habe die Mitarbeiterin anlässlich eines Anrufes des Amtsleiters der antragstellenden Partei festgestellt, dass die Beschwerde irrtümlich noch immer im Akt aufgelegen sei. Die Mitarbeiterin glaubte sich erinnern zu können, dass sie die Postaufgabe deshalb zurückgestellt habe, weil sie noch mit einer Korrektur gerechnet habe; der Rechtsvertreter habe die Beschwerde jedoch am 30. September 2013 unterfertigt, um sie absenden zu lassen. Ihm sei es nicht zumutbar, die Postaufgabe durch die bisher verlässliche Mitarbeiterin zu kontrollieren.

Unter einem wurde eine eidesstättige Erklärung der Kanzleikraft vorgelegt, in der diese ausführt, dass sie dem Rechtsvertreter am 30. September 2013 die Beschwerde sowie ein Berichtsschreiben an die antragstellende Partei zur Unterschrift vorgelegt habe. Ihr sei unerklärlich, warum sie in der Folge zwar das Schreiben an die Stadtgemeinde Gallneukirchen kuvertiert und aufgegeben habe, nicht aber die bereits unterfertigte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Es sei ihr noch nie passiert, dass sie eine Eingabe nicht abgefertigt, sondern im Handakt liegen gelassen habe.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

3.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

3.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

3.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

3.2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel am 15. Oktober 2013 weg. Mit dem am 18. Oktober 2013 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

3.3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Bevollmächtigten der antragstellenden Partei im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden:

Dem Rechtsvertreter der antragstellenden Partei ist ein Verschulden seiner Kanzleiangestellten nur dann anzulasten, wenn man ihm selbst Nachlässigkeit bei der Kontrolle, Überwachung oder Belehrung vorwerfen kann. Der Verfassungsgerichtshof sieht zwar nach Lage des Falles keinen Grund, das durch eidesstattliche Erklärung bescheinigte Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, wonach die Versäumung der Frist auf einem singulären Versehen einer bisher zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte.

Dieses Fehlverhalten ist dem Vertreter der antragstellenden Partei jedoch als ein die leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden anzulasten: Es gehört nämlich zu einer den gebotenen Sorgfaltsmaßstäben entsprechenden Kanzleiorganisation, Kontrollmechanismen – insbesondere ein Fristenbuch – anzulegen, die Gewähr leisten, dass ein solcher Fehler – nämlich die auf einem Irrtum beruhende, aber bewusste Nichteinbringung eines fristgebundenes Schriftstückes durch eine Kanzleikraft – spätestens am Tag des Ablaufes der Frist bemerkt wird. Dass ein derartiges Fristenbuch geführt wird oder der Rechtsvertreter des antragstellenden Partei sich sonst vergewissert, dass fristgebundene Schriftstücke auch tatsächlich eingebracht werden, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt; aus diesem geht vielmehr hervor, dass die Nichteinbringung der vorliegenden Beschwerde erst etwa zwei Wochen nach Fristablauf – anlässlich eines Anrufes der antragstellenden Partei und Mandantin des Rechtsvertreters – bemerkt wurde; ein besonderer Grund, warum dieser Fehler zwei Wochen lang unbemerkt bleiben konnte, wurde nicht dargelegt. Es ist aber einem Rechtsanwalt – für dessen berufliche Tätigkeit die Einhaltung von Fristen von besonderer Bedeutung ist und für die daher ein hoher Sorgfaltsmaßstab gilt – jedenfalls zumutbar, sich – durch die Führung eines entsprechenden Fristenbuches oder sonstige organisatorische Maßnahmen – zu vergewissern, dass Schriftstücke, die einer Kanzleikraft zur Kuvertierung und Postaufgabe übergeben werden, tatsächlich spätestens am letzten Tag der Frist eingebracht werden (vgl. VfSlg 15.539/1999, 16.417/2002).

3.4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

4. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

6. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B1182.2013

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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