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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
MEG 1950 §32 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2012/04/0160Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerden des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol 1.) vom 23. Juli 2012, Zl. uvs-2012/31/1566-2 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/04/0160) und 2.) vom 12. Oktober 2012, Zl. uvs-2012/30/2663-1 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/04/0159), jeweils betreffend Übertretung des Maß- und Eichgesetzes (mitbeteiligte Partei jeweils: X in Y), zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid vom 23. Juli 2012 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2012 wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) vom 3. Februar 2012 wurde dem Mitbeteiligten aufgrund der Anzeige des Eichamtes Innsbruck eine näher umschriebene Übertretung des § 43 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) zur Last gelegt und über ihn gemäß § 63 Abs. 1 MEG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,-- verhängt.
Aufgrund des gegen die Strafhöhe erhobenen Einspruches des Mitbeteiligten erließ die BH den Bescheid vom 27. Februar 2012, mit dem sie gemäß § 21 VStG von der Verhängung der Geldstrafe absah und dem Mitbeteiligten eine Ermahnung erteilte. Laut aktenkundigem Rückschein wurde dieser Bescheid dem Mitbeteiligten am 5. März 2012 zugestellt.
Gegen den letztgenannten Bescheid erhob das Eichamt Innsbruck mit Schreiben vom 8. Mai 2012 Berufung und führte aus, dass ihm dieser Bescheid am 2. Mai 2012 zugestellt worden sei. Die Berufung wurde damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 21 VStG für ein Absehen von der Strafe gegenständlich nicht erfüllt seien.
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof erstangefochtenen Bescheid vom 23. Juli 2012 wies die belangte Behörde die Berufung des Eichamtes als unzulässig zurück. Begründend stellte die belangte Behörde fest, die Zustellung des Bescheides vom 27. Februar 2012 an den Mitbeteiligten sei am 5. März 2012 mittels Zustellnachweis (RSb) erfolgt. Eine Nachfrage bei der Erstbehörde habe aber ergeben, dass dem Eichamt Innsbruck der Bescheid vom 27. Februar 2012 "lediglich einfach postalisch" und nicht nachweislich übermittelt worden sei. Da gemäß § 24 VStG iVm § 22 AVG auch die Zustellung an das Eichamt mittels Zustellnachweis bzw. zu eigenen Handen hätte erfolgen müssen, sei nach Ansicht der belangten Behörde der Bescheid vom 27. Februar 2012 rechtlich noch nicht existent, sodass die dagegen erhobene Berufung des Eichamtes als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Daraufhin stellte die BH ihren Bescheid vom 27. Februar 2012 dem Eichamt Innsbruck am 7. September 2012 neuerlich - nunmehr mit Zustellnachweis - zu. Gegen diesen Bescheid erhob das Eichamt Innsbruck mit Schriftsatz vom 10. September 2012 neuerlich Berufung (die inhaltlich gleichlautend wie die genannte Berufung vom 8. Mai 2012 begründet wurde).
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof zweitangefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2012 wurde die Berufung vom 10. September 2012 als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde - entgegen ihren Ausführungen im erstangefochtenen Bescheid (dieser stammte allerdings von einem anderen Organwalter der belangten Behörde) - davon aus, dass der Bescheid der BH vom 27. Februar 2012 bereits durch seine Zustellung an den Mitbeteiligten am 5. März 2012 erlassen worden sei, und dass auch die Zustellung dieses Bescheides an das Eichamt Innsbruck, wie von letzterem glaubhaft angegeben, am 2. Mai 2012 erfolgt sei. Durch die neuerliche, nunmehr nachweisliche Zustellung dieses Bescheides an das Eichamt Innsbruck am 7. September 2012 sei der Beginn der Berufungsfrist nicht neuerlich ausgelöst worden. Ausgehend von der Bescheidzustellung am 2. Mai 2012 sei die (neuerliche) Berufung des Eichamtes Innsbruck vom 10. September 2012 verspätet.
Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend erhob jeweils eine auf § 63 Abs. 2 MEG gestützte Amtsbeschwerde sowohl gegen den erstangefochtenen als auch gegen den zweitangefochtenen Bescheid, die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Gegenschriften wurden nicht erstattetet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese (gemäß § 63 Abs. 2 MEG zulässigen) Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dem Eichamt Innsbruck (als "Eichbehörde" im Sinne des § 32 Abs. 2 MEG) gemäß § 63 Abs. 2 MEG das Recht der Berufung gegen Straferkenntnisse oder die Verfügung der Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem MEG zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/04/0158, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Im vorliegenden Fall steht der Berufung des Eichamtes gegen den Bescheid vom 27. Februar 2012 nicht entgegen, dass mit diesem Bescheid gemäß § 21 VStG von der Verhängung der Geldstrafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wurde. Gegenständlich kann nämlich dahingestellt bleiben, ob der im VStG verwendete Begriff "Straferkenntnis" auch einen Bescheid umfassen kann, mit dem, wie hier, (bloß) eine Ermahnung erteilt wurde (diese Frage bejahend hinsichtlich des Begriffs "Straferkenntnis" in § 51 Abs. 7 VStG das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2007/09/0245). Entscheidend ist vielmehr, ob der Begriff "Straferkenntnis" - im Sinne des § 63 Abs. 2 MEG - auch Bescheide umfasst, mit denen eine Ermahnung erteilt wurde. Dafür spricht, dass der Zweck des Berufungsrechts der Eichbehörden nach den Erläuterungen zu dieser Bestimmung (RV 367 BlgNR 18. GP, Seite 15) einerseits darin besteht, die Interessen des Bundes gegenüber der Nichtverfolgung von Verstößen des MEG zu wahren und andererseits "für einen verbesserten Schutz der Konsumenten gegen falsch anzeigende Messgeräte zu sorgen". Da diese Ziele nicht nur in Fällen der ungerechtfertigten Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren und ungerechtfertigt geringer Strafen, sondern ebenso im Falle des ungerechtfertigten (gänzlichen) Absehens von einer Strafe gefährdet wären, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe das Absehen von der Strafe bzw. das bloße Erteilen einer Ermahnung vom Berufungsrecht der Eichbehörden ausnehmen wollen.
Zum erstangefochtenen Bescheid:
Die belangte Behörde vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass der Bescheid der BH vom 27. Februar 2012 gegenüber dem Eichamt Innsbruck mangels (nachweislicher) Zustellung gemäß § 22 AVG rechtlich nicht existent geworden sei und daher vom Eichamt mit Berufung nicht habe bekämpft werden können.
Unstrittig (und durch den Verwaltungsakt belegt) ist jedenfalls, dass der genannte Bescheid vom 27. Februar 2012 dem Mitbeteiligten am 5. März 2012 zugestellt wurde. Zutreffend bringt die Beschwerde vor, dass schon deshalb der Bescheid vom 27. Februar 2012 dem Rechtsbestand angehörte und daher von den Eichbehörden ab Kenntniserlangung vom Bescheidinhalt mit Berufung bekämpft werden konnte (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das hg. Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2000/07/0100, mwN).
Die belangte Behörde hat daher die Berufung des Eichamtes Innsbruck vom 8. Mai 2012 zu Unrecht zurückgewiesen, weshalb der erstangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Zum zweitangefochtenen Bescheid:
Die Amtsbeschwerde wendet ein, dass über die erste Berufung des Eichamtes Innsbruck gegen den Bescheid vom 27. Februar 2012 nicht inhaltlich abgesprochen worden sei und es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, die zweite Berufung des Eichamtes gegen diesen Bescheid ihrem Wesen nach als Ergänzung der ersten Berufung zu werten. Damit wäre die zweite Berufung nicht als verspätet anzusehen und die belangte Behörde hätte eine meritorische Entscheidung treffen müssen.
In Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Eichamtes ist die belangte Behörde im zweitangefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 27. Februar 2012 dem Eichamt Innsbruck bereits am 2. Mai 2012 zugestellt wurde. Die vom Eichamt gegen diesen Bescheid erhobene Berufung vom 8. Mai 2012 (nach der Aktenlage bei der Erstbehörde eingelangt am 9. Mai 2012) war, wie bereits dargelegt wurde, zulässig.
Vor diesem Hintergrund löste die neuerliche Zustellung (nunmehr mit Zustellnachweis) dieses Bescheides vom 27. Februar 2012 an das Eichamt Innsbruck am 7. September 2012 gemäß § 6 ZustG keine Rechtswirkungen aus. Da das Eichamt bereits mit der Berufung vom 8. Mai 2012 sein Berufungsrecht gegen den Bescheid vom 27. Februar 2012 konsumiert hat, war die weitere Berufung des Eichamtes Innsbruck vom 10. September 2012 (die im Übrigen mit jener vom 8. Mai 2012 inhaltsgleich ist) gegen diesen Bescheid unzulässig und wurde daher zutreffend zurückgewiesen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2000/07/0100, und jenes vom 26. Juni 2012, Zl. 2011/07/0120).
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2013
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012040159.X00Im RIS seit
08.11.2013Zuletzt aktualisiert am
03.07.2014