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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
EichamtV 1997;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2012/04/0157 E 16. Oktober 2013Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 26. September 2012, Zl. uvs-2012/23/2582-1, betreffend Übertretung des Maß- und Eichgesetzes (mitbeteiligte Partei: X in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Aufgrund einer Anzeige des Eichamtes Innsbruck hat die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (BH) ein Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten eingeleitet und ihm mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Juli 2012 zur Last gelegt, er habe es als Bürgermeister der Marktgemeinde S. zu verantworten, dass eichpflichtige und betriebsbereite Messgeräte, welche die Marktgemeinde S. im Versorgungsnetz der Gemeindewasserversorgungsanlage im rechtsgeschäftlichen Verkehr bereitgehalten habe, bei einer eichpolizeilichen Revision am 30. Mai 2012 nicht geeicht gewesen seien. Als verletzte Rechtsvorschriften wurden § 55 Abs. 1 Tiroler Gemeindeordnung 2001 iVm § 9 Abs. 1 VStG und (u.a.) § 7 Abs. 2 sowie § 63 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) angeführt.
Nach Einlangen der Rechtfertigung des Mitbeteiligten wurde das genannte Strafverfahren mit Bescheid der BH vom 3. September 2012 gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob das Eichamt Innsbruck gestützt auf § 63 Abs. 2 MEG Berufung, die mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen wurde.
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die fachlichen Befugnisse der Eichämter würden gemäß § 32 Abs. 5 MEG durch Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend bestimmt. Daher seien alle Eichämter "lediglich innerhalb des vom Bundesminister festgelegten Rahmens ihrer fachlichen Befugnisse als 'Behörde' zu qualifizieren". Die entsprechende Verordnung des Bundesministers, BGBl. II Nr. 390/1997, weise den Eichämtern "ausschließlich fachliche Kompetenzen" zu, wohingegen diese Verordnung weder die Parteistellung der Eichämter noch deren Berufungsrecht in Strafverfahren vorsehe. Daher sei § 63 Abs. 2 MEG, der das Recht der "Eichbehörde" zur Erhebung einer Berufung in Strafverfahren nach dem MEG vorsehe, nach Ansicht der belangten Behörde dahin auszulegen, dass lediglich dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen mit Sitz in Wien die Parteistellung zukomme. Das bedeute aber, so die belangte Behörde weiter, "dass ein allfälliger anfechtbarer Titel nur dann vorliegt, wenn im betreffenden Verfahren das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als Legalpartei einbezogen worden ist". Letzteres sei im gegenständlichen Strafverfahren nicht erfolgt; der das Strafverfahren einstellende Bescheid vom 3. September 2012 sei lediglich dem Eichamt Innsbruck zugestellt worden. Daher sei das Eichamt Innsbruck "mangels eines anfechtbaren Bescheides" nicht berufungslegitimiert, sodass dessen Berufung als unzulässig habe zurückgewiesen werden müssen.
Dagegen richtet sich die auf § 63 Abs. 2 MEG gestützte Amtsbeschwerde des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, zu der die belangte Behörde unter Verzicht auf eine Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt hat. Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Bundesminister vertritt in seiner Beschwerde zusammengefasst den Standpunkt, die belangte Behörde habe dem Eichamt Innsbruck zu Unrecht das Recht, gegen den Bescheid vom 3. September 2012 Berufung zu erheben, abgesprochen. Dieses Recht ergebe sich aus § 63 Abs. 2 iVm § 32 MEG, die genannte Verordnung sei in diesem Zusammenhang irrelevant.
Mit diesem Vorbringen ist der Bundesminister im Recht:
2. Die hier maßgebenden Bestimmungen des Maß- und Eichgesetzes (MEG), BGBl. Nr. 152/1950 in der Fassung BGBl. I Nr. 115/2010, lauten:
"1. Organisation.
§ 32. (1) Die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen behördlichen Aufgaben werden, soweit nicht der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hierfür zuständig ist, von den Eichbehörden besorgt.
(2) Eichbehörden sind das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und die ihm nachgeordneten Eichämter.
(3) Die Eichbehörden unterstehen dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend.
(4) Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hat seinen Sitz in Wien. Sein Wirkungsbereich erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet.
(5) Die Errichtung, die Auflassung, den Sitz und den Umfang der fachlichen Befugnisse der Eichämter bestimmt der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend durch Verordnung.
…
§ 34. Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen ist befugt, in besonderen Fällen die Tätigkeit der Eichämter selbst zu übernehmen.
…
§ 39. (1) Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hat … Strafbestimmungen.
§ 63. (1) Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen, Entscheidungen oder Verfügungen werden, sofern sie nicht nach anderen Vorschriften mit einer strengeren Strafe bedroht sind oder ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 10 900 EUR bestraft, auch wenn es beim Versuch geblieben ist.
(2) Gegen Straferkenntnisse oder die Verfügung der Einstellung eines Strafverfahrens steht der Eichbehörde die Berufung zu. Gegen im Strafverfahren ergangene Bescheide eines unabhängigen Verwaltungssenates ist der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend befugt, zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung, eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben."
3.1. Im angefochtenen Bescheid ist unstrittig und durch die Aktenlage belegt, dass der Bescheid der BH vom 3. September 2012, mit dem das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt wurde, sowohl dem Mitbeteiligten als auch dem Eichamt zugestellt wurde. Unzutreffend ist daher die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Berufung des Eichamtes sei "mangels eines anfechtbaren Bescheides" unzulässig.
3.2. Der angefochtene Bescheid wäre im Ergebnis allerdings richtig, wenn dem Eichamt kein Recht zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Bescheid vom 3. September 2012 zustünde. Gemäß § 63 Abs. 2 MEG steht der "Eichbehörde" gegen Straferkenntnisse oder die Einstellung eines Strafverfahrens das Recht der Berufung zu. Als Eichbehörden sind gemäß § 32 Abs. 2 MEG sowohl das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als auch die Eichämter zu verstehen.
Angesichts dieses eindeutigen Gesetzeswortlautes ist nicht daran zu zweifeln, dass nicht nur dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, sondern auch den Eichämtern das Recht, Berufung gegen Straferkenntnisse und gegen die Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren nach dem MEG zu erheben, zukommt. Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in anderen Bestimmungen des MEG (vgl. etwa die §§ 39 bis 41 leg. cit.) Regelungen ausdrücklich nur für das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen geschaffen hat, sodass er eine diesbezügliche Formulierung auch in § 63 Abs. 2 MEG gewählt hätte, wenn er das Berufungsrecht bloß dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hätte einräumen wollen.
3.3. Soweit sich die belangte Behörde darauf stützt, dass die genannte Verordnung des Bundesministers über den Sitz der Eichämter und den Umfang ihrer fachlichen Befugnisse, BGBl. II Nr. 390/1997, den Eichämtern keine Befugnis zur Erhebung einer Berufung zugewiesen hat, ist darauf hinzuweisen, dass das Berufungsrecht der Eichämter in § 63 Abs. 2 MEG schon gesetzlich normiert ist und daher keiner Verordnungsbestimmung bedarf. Abgesehen davon ermächtigt § 32 Abs. 5 MEG den Bundesminister, die "fachlichen Befugnisse" der Eichämter (nicht aber deren Befugnis zur Erhebung von Rechtsmitteln) durch Verordnung festzulegen. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten von einer unzutreffenden Rechtsansicht betreffend das Berufungsrecht der Eichämter ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 16. Oktober 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012040158.X00Im RIS seit
08.11.2013Zuletzt aktualisiert am
03.07.2014