TE Vfgh Erkenntnis 2013/10/1 G2/2013

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Veröffentlicht am 01.10.2013
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Index

25/01 Strafprozess

Norm

DSG 2000 §1
EMRK Art8 Abs2
StPO §75 Abs5, §76 Abs4, §140 Abs3
AVG §46

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der StPO über die Verwendung von im Strafverfahren ermittelten personenbezogenen Daten als Beweismittel in anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren wegen Verstoßes gegen das Recht auf Datenschutz; Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für eine Weiterverwendung dieser Daten

Spruch

I. §140 Abs3 der Strafprozeßordnung 1975, BGBl Nr 631, idF BGBl I Nr 19/2004, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Oktober 2014 in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1408/2011 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Der Beschwerdeführer war Polizeibeamter im Bereich des Landespolizeikommandos Wien (LPK Wien) und befindet sich seit 1. Jänner 2011 im Ruhestand. Im Jahr 2009 erstattete das LPK Wien gegen ihn wegen des Verdachts verschiedener Disziplinarvergehen Disziplinaranzeige. In diesem Zusammenhang wurde gegen den Beschwerdeführer wegen allfälliger gerichtlich strafbarer Handlungen auch ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren geführt, in dem die Staatsanwaltschaft (nach gerichtlicher Bewilligung) eine auf die Mobilfunknummer des Beschwerdeführers bezogene Rufdaten- und Standortdatenrückerfassung anordnete. Die ermittelten Daten der Nachrichtenübermittlung wurden der Staatsanwaltschaft und dem LPK Wien zur Kenntnis gebracht.

Das Strafverfahren wurde – soweit es mit den angeführten verdeckten Ermittlungen im Zusammenhang stand – durch Einstellung (3. März 2010), im Übrigen durch Freispruch (17. August 2010) beendet.

1.2. Die in der Folge vom Beschwerdeführer wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch Verwendung der für Zwecke des Strafverfahrens erhobenen Daten im Disziplinarverfahren bei der Datenschutzkommission eingebrachte Beschwerde wurde mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 abgewiesen, weil die Daten im Strafverfahren rechtmäßig ermittelt worden seien und daher allenfalls von den Justizbehörden zu löschen wären. Die – parallel ermittelnde – Disziplinarkommission habe die strafrechtlichen Daten iSd Ermächtigung des §140 Abs3 StPO weiterverwenden und als Beweismittel verwerten dürfen.

2. Bei Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §140 Abs3 StPO entstanden. Es wurde daher am 12. Dezember 2012 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte die Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, folgendermaßen dar:

"2.1. Vorangestellt sei, dass §140 Abs3 StPO nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verwendung von Daten, die in einem Strafverfahren legitimerweise ermittelt wurden, in anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren eine abschließende Regelung darstellt, sodass die (insoweit verdrängte) Bestimmung des §8 Abs4 Z2 DSG 2000 auf derartige Fälle nicht anwendbar sein dürfte.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass die in Prüfung genommene Vorschrift nicht nur ein Beweisverwertungsverbot in Bezug auf unrechtmäßig ermittelte Daten normiert, sondern darüber hinaus eine generelle Ermächtigung zur Verwendung von in einem Strafverfahren rite erhobenen Ergebnissen iSd §134 Z5 StPO – nämlich die Beschlagnahme von Briefen (§134 Z1 StPO), die Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung (§134 Z2 StPO), die Überwachung von Nachrichten (§134 Z3 StPO), die optische und akustische Überwachung von Personen (§134 Z4 StPO) – als Beweismittel in (allen) anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren enthält und daher dem Grundrecht auf Datenschutz widerspricht.

2.3. Diesem – verfassungsgesetzlich gewährleisteten – Grundrecht (§1 Abs1 DSG 2000) zufolge hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat.

2.3.1. Beschränkungen dieses Grundrechts sind nach dem Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG 2000 (abgesehen vom lebenswichtigen Interesse der Betroffenen an der Verwendung personenbezogener Daten oder ihrer Zustimmung dazu) nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Besondere Schutzvorkehrungen gelten ferner für 'ihrer Art nach besonders schutzwürdig(e)', also sogenannte sensible Daten.

2.3.2. Gemäß Art8 Abs2 EMRK sind Eingriffe in das in diesem Artikel verbürgte Grundrecht nur statthaft, insoweit sie eine Maßnahme darstellen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Auch im Fall zulässiger Beschränkungen darf gemäß dem letzten Satz des §1 Abs2 DSG 2000 der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden (vgl. VfSlg 18.975/2009). Der jeweilige Gesetzgeber muss daher eine diesen Anforderungen genügende materienspezifische Regelung vorsehen (VfSlg 18.643/2008, 19.592/2011).

2.3.3. Zudem hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 18.146/2007 ausgesprochen, dass die Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten durch Eingriffe einer staatlichen Behörde wegen des Gesetzesvorbehalts des §1 Abs2 DSG 2000 nur auf Grund von Gesetzen zulässig ist, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar regeln, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist. Das DSG 2000 geht daher von einer strengen Zweckbindung der Ermittlung und der Verwendung von Daten aus, weshalb erhobene Daten ausschließlich für die im jeweiligen Materiengesetz definierten Zwecke verwendet werden dürfen (vgl. auch VfGH 29.6.2012, G7/12).

2.4. Nun ist es dem Gesetzgeber durch das Grundrecht auf Datenschutz nicht von vornherein untersagt, die Zulässigkeit einer Datenverwendung als Beweismittel in anderen Verfahren als in jenem, in dem diese Daten rechtmäßig ermittelt wurden, vorzusehen, jedoch ist ein solcher Eingriff gemäß §1 DSG 2000 iVm Art8 Abs2 EMRK auf das erforderliche, geeignete und verhältnismäßige Maß zu beschränken (vgl. VfSlg 18.975/2009 mwN). Der Gesetzgeber darf daher die Verwertung von personenbezogenen Daten, die in einem Strafverfahren rite erhoben wurden, in sonstigen (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Verfahren nur insoweit vorsehen, als der Zweck der Datenverwendung in diesen Verfahren ein öffentliches Interesse verfolgt, welches das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung (bzw. Löschung) der Daten übersteigt.

2.5. Diesen verfassungsrechtlich vorgegebenen Erfordernissen dürfte die Regelung des §140 Abs3 StPO nicht genügen:

2.5.1. Scheint sie doch die Verwendung von Ergebnissen einer Datenermittlung aus einem Strafverfahren als Beweismittel in sonstigen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren unter der einzigen Prämisse, dass die Datenverwendung im Bezug habenden Strafverfahren zulässig war oder wäre, im Übrigen aber unbeschränkt zu erlauben.

2.5.2. Das dürfte bedeuten, dass in einem strafgerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen (Ermittlungs-)Verfahren auf legitime Weise erhobene personen-bezogene Daten der genannten Art auch lange nach Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens sowie unabhängig von dessen Ausgang und ungeachtet einer dort allenfalls bereits erfolgten Löschung in jedem anderen (auch zivil-)gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen (Parallel-)Verfahren, in welchem die Behörde Kenntnis von diesen Daten hat, als Beweismittel benützt werden können; dies anscheinend ohne jede Einschränkung im Hinblick auf öffentliche Interessen bzw. auf die Bedeutung dieser Verfahren (somit auch in Bagatellsachen) sowie ohne die Notwendigkeit des Bestehens eines Zusammenhanges mit dem betreffenden Strafverfahren.

2.6. Nach den Gesetzesmaterialien war die angeführte vergleichbare Vorgängerbestimmung (§149h StPO idF BGBl I 105/1997) vom Ziel getragen, die Beweisverwertung von Überwachungsergebnissen in anderen (nicht strafrechtlichen) Gerichtsverfahren und verwaltungsbehördlichen Verfahren zu verbieten, wenn die Verwertung dieser Ergebnisse im Strafverfahren unzulässig war oder unzulässig gewesen wäre. Die Erweiterung des strafrechtlichen Beweisverwertungsverbotes auf andere Verfahren wurde damit begründet, dass 'nur dadurch das Wesen und der rechtsstaatliche Wert einer Verfahrensordnung zum Ausdruck gebracht werden kann, die massive Eingriffe in die Privatsphäre nur unter dem Gesichtspunkt und im Ausmaß eines angestrebten Nachweises organisierter Kriminalität und schwerster Straftaten in Kauf nehmen will' (AB 812 BlgNR 20. GP, 10).

Dieser gesetzgeberischen Intention dürfte die in Prüfung genommene (mit der Vorgängerbestimmung nahezu wortidente) Regelung, die nach ihrem anscheinend klaren Wortlaut gerade nicht auf die Konnexität der angeführten Verfahren mit dem Bezug habenden Strafverfahren oder auf den Nachweis schwerer und organisierter Kriminalität abstellt, insoweit nicht entsprechen, als die Beweisverwertung in anderen Verfahren – so nimmt der Verfassungsgerichtshof vorerst an – selbst dann erlaubt ist, wenn die Verwendung der Daten im Strafverfahren – etwa zufolge Wegfalls der Berechtigung zur Weiterspeicherung – unzulässig geworden ist oder die Daten im Strafakt bereits gelöscht wurden.

2.7. Vor diesem Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof vorderhand keinen sachlichen Grund zu erkennen, der die beweismäßige Nutzung von Daten über Ergebnisse iSd §134 Z5 StPO, darunter Daten einer geheimen Nachrichtenübermittlung, in allen (anderen) gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren schlechthin – unabhängig davon, ob bzw. welche öffentlichen Interessen mit diesen Verfahren verfolgt werden (also nicht nur in mit der Strafsache in Konnex stehenden Gerichts-, Disziplinar- und sonstigen Verwaltungsverfahren oder bei Verdacht schwerer bzw. organisierter Delinquenz, wie es §75 Abs5 StPO vorsieht), gemäß §1 DSG 2000 iVm Art8 Abs2 EMRK aus überwiegenden Interessen des Auftraggebers notwendig erscheinen ließe.

2.8. Auch hegt der Verfassungsgerichtshof Zweifel, dass die in Prüfung genommene gesetzliche Regelung auf den geringst möglichen Eingriff abstellt. Vielmehr dürfte die – wie schon dargelegt, ganz allgemein gehaltene und ohne jede Schranken normierte – Verwendungs- und Verwertungsermächtigung des §140 Abs3 StPO mit Blick auf die Garantien des Datenschutzes überschießend und deshalb unverhältnismäßig sein.

2.9. Für eine allfällige verfassungskonforme Interpretation der in Rede stehenden Bestimmung in der Weise, dass für diese die Verwendungsbeschränkungen des (zum Teil auf identische Überwachungsmaßnahmen bezogenen) §75 Abs5 StPO heranzuziehen sind (nämlich das Erfordernis eines inhaltlichen Zusammenhanges zwischen anderen Zivil- und Verwaltungsverfahren und jenem Strafverfahren, in dem die Ergebnisse nach §§135, 136 und 141 StPO rechtmäßig erzielt wurden, oder das Vorliegen bestimmter Fälle der Gefahrenabwehr – vgl. Reindl-Krauskopf, WK-StPO2 [2011], §75 Rz 15 f. und [2009] §140 Rz 28 f.), sieht der Verfassungsgerichtshof angesichts des anscheinend keinen Auslegungsspielraum offen lassenden Wortlautes sowohl des §140 Abs3 StPO als auch des §75 Abs5 StPO (der als lex specialis gegenüber §140 Abs3 StPO auf Daten, die durch eine Überwachung von Nachrichten [§134 Z3 leg.cit.], eine optische oder akustische Überwachung [§134 Z4 leg.cit.] oder einen automationsunterstützten Datenabgleich [§141 leg.cit.] ermittelt worden sind, Bezug nimmt) – jedenfalls vorerst – keine Möglichkeit. Auch scheint es dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, mit der Übernahme der Vorgängerbestimmung des §149h StPO in §140 Abs3 [StPO idF] des Strafprozessreformgesetzes BGBl I 19/2004 lediglich versehentlich die Festlegung der mit demselben Gesetz in §75 Abs5 StPO ausdrücklich normierten Schranken unterlassen zu haben.

2.10. Schließlich geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass der dem Betroffenen durch §27 Abs1 Z2 DSG 2000 grundsätzlich – wohl auch in Bezug auf die (ebenfalls) als Auftraggeber iSd §4 Z4 DSG 2000 anzusehende Behörde im Parallelverfahren – eingeräumte Löschungsanspruch ebenfalls (zumindest, soweit es sich um die Weiterverwendung von Daten handelt, die im Strafakt schon gelöscht wurden) nicht geeignet sein dürfte, die Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Ermächtigungsnorm zu entkräften, zumal dem Betroffenen damit anscheinend eine unverhältnismäßige einseitige Belastung in Bezug auf ein allenfalls rechtswidriges Vorgehen auferlegt würde.

[…]

Ob die Prozessvoraussetzungen gegeben sind und die angeführten Bedenken zutreffen, wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein; ebenso wird zu beurteilen sein, ob die in Rede stehende Vorschrift einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung in der Richtung zugänglich ist, dass diese ein bloßes Beweisverwertungsverbot (ohne Ermächtigung zur Datenverwendung) beinhaltet."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"2. Zu den Anforderungen des Grundrechts auf Datenschutz

2.1. Der dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Sachverhalt gehört zu einer Abfolge von Vorgängen, die sich wie folgt beschreiben lässt:

       1. Ermittlung und Speicherung von personenbezogenen Daten durch eine Behörde (A) zur Erfüllung der von dieser Behörde wahrzunehmenden Aufgaben der Hoheitsverwaltung (Gerichtsbarkeit).

Hier: (zunächst) verdeckte Ermittlung von personenbezogenen Daten auf Grund besonderer Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden (Rufdatenrückerfassung) nach Maßgabe strenger prozessualer Voraussetzungen und strenger Zweckbindung im gerichtlichen Strafverfahren.

       2. Übermittlung der für den ursprünglichen Zweck ermittelten Daten an eine Behörde (B) zur Erfüllung eines anderen Zwecks, nämlich der Wahrnehmung der von der Behörde B zu erfüllenden Aufgabe der Hoheitsverwaltung.

Hier: Übermittlung von Daten aus der Rufdatenrückerfassung durch die Kriminalpolizei an die als Disziplinarbehörde zuständigen Organe des BMI.

       3. Weiterverwendung der übermittelten personenbezogenen Daten für Zwecke der Erfüllung der der Behörde B zukommenden Aufgaben;

Hier: Beweiserhebung und -verwertung der Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung durch die Disziplinarbehörde im BMI.

2.2. Beschwerdegegenstand im Verfahren, das mit dem dem Prüfungsbeschluss zugrunde liegenden Bescheid der Datenschutzkommission erledigt wurde, war - soweit ersichtlich - ausschließlich die Weiterverwendung von Daten, sodass die Frage der Rechtmäßigkeit der Ermittlung und Übermittlung in diesem Verfahren lediglich als Vorfrage bzw. allenfalls im Rahmen der Interessenabwägung relevant war.

2.3. Nach dem in §1 Abs1 DSG 2000 normierten 'Grundrecht auf Datenschutz' hat 'jedermann [...], insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht'.

Aus der Sicht dieses Grundrechts ist jeder der drei unter Punkt II.2.1. umschriebenen Schritte gesondert als Eingriff zu qualifizieren und daher jeweils gesondert auf seine Zulässigkeit zu prüfen. Zur Eingriffsqualität der angeführten Schritte kann auf die einschlägige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden (zu Maßnahmen der Ermittlung zB VfSlg 18.975/2009, VfGH 29.6.2012, B1031/12, VfGH 29.9.2012, B54/12; zur Eingriffsqualität der bloßen [weiteren] Speicherung zB VfSlg 18.963/2009, VfGH 29.6.2012, G7/12; zur Eingriffsqualität von Maßnahmen der Übermittlung an andere Auftraggeber siehe zB VfSlg 17.940/2006, zur Eingriffsqualität der Unterkategorie einer Übermittlung in Form der Zweckänderung durch Überführung in ein anderes Aufgabengebiet desselben Auftraggebers - vgl. §4 Z12 DSG 2000 - siehe zB VfGH 11.10.2012, B1369/11, sowie im Fall der Veröffentlichung VfSlg 17.065/2003).

Bei den genannten Eingriffen handelt es sich jeweils nicht um Eingriffe Privater, sondern um Eingriffe durch eine 'staatliche Behörde' im Sinne des §1 Abs2 DSG 2000.

Daraus folgt, dass sich die Beurteilung der Zulässigkeit dieser Eingriffe nach den in §1 Abs2 DSG 2000 normierten Voraussetzungen richtet. Danach muss der Eingriff kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

       1. Die Maßnahme muss (da es sich bei jedem der drei Schritte um einen 'Eingriff einer staatlichen Behörde' handelt) gesetzlich vorgesehen' sein, und zwar durch eine gesetzliche Regelung, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig ist.

       2. Der Eingriff muss 'zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen' eines anderen stattfinden (§1 Abs2 DSG 2000 erster Satz).

Selbst wenn die Voraussetzungen 1. und 2. erfüllt sind, bedarf die Zulässigkeit noch der Erfüllung einer dritten Voraussetzung:

       3. Die betreffende Maßnahme darf 'in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art' eingreifen (§1 Abs2 DSG 2000 letzter Satz).

Als nähere Konkretisierung der Voraussetzung 2. (Überwiegensprinzip) ist in erster Linie auf §7 Abs1 sowie §§8 und 9 DSG 2000 zu verweisen. Als einfachgesetzliche Verankerung des bereits in §1 Abs2 DSG 2000 normierten Verhältnismäßigkeitsgebots (Voraussetzung 3.) findet sich eine Regelung in §7 Abs3 DSG 2000. Die Erfüllung der Voraussetzung 1., also der im öffentlichen Bereich zur Datenverwendung erforderlichen gesetzlichen 'Grundlage', wird nicht im einfachgesetzlichen Teil des DSG 2000 näher ausgeführt, sondern ist durch Auslegung des von der datenverarbeitenden Behörde zu vollziehenden materiellen und prozessualen Rechts zu ermitteln.

2.4. Der den Anlass des Gesetzesprüfungsverfahren bildende Bescheid der Datenschutzkommission enthält eine ausdrückliche Auseinandersetzung (nur) mit der ersten Voraussetzung: Er bejaht (1.) das Vorliegen einer gesetzlichen 'Ermächtigung', die er in §140 Abs3 StPO lokalisiert. Zu den übrigen Eingriffsvoraussetzungen, nämlich ob der Eingriff (2.) zur Wahrung eines überwiegenden berechtigten Interesses erfolgt ist und ob der Eingriff auch (3.) auf die gelindeste zum Ziel führende Art erfolgt ist, enthält der Bescheid keine ausdrückliche Auseinandersetzung. Diese Vorgangsweise entspräche dann dem Gesetz, wenn die als 'Ermächtigung' herangezogene Gesetzesbestimmung als abschließende Regelung zu deuten wäre, die keinen Raum mehr für eine Interessenabwägung und eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beließe, wenn es sich also gleichsam um eine gesetzliche 'Datenverwendungspflicht jener Behörde handeln würde, die die Daten von der Strafverfolgungsbehörde erhalten hat und wenn somit aufgrund dieser Bestimmung eine zusätzliche Prüfung anhand von §§7, 8 und 9 DSG 2000 gesetzlich ausgeschlossen wäre.

2.5. Wie im Folgenden zu zeigen ist, steht §140 Abs3 StPO einer solchen Prüfung durch die Datenschutzkommission aber keineswegs entgegen, weil diese Vorschrift zur Verwertung von Daten in einem anderen Verfahren (zB Disziplinarverfahren) weder positiv 'ermächtigt' noch zwingt und weil sie auch keine Regelung darstellt, mit der der Gesetzgeber die Interessenabwägung bereits generell abschließend (also für die zur Verwertung in Betracht kommenden Organe der Vollziehung bindend) vorweggenommen hätte und sämtliche Kautelen des DSG 2000 vollständig verdrängt hätte.

3. Unterscheidung zwischen 'Ermächtigung' ('Grundlage') zur Datenverwendung und datenschutzrechtlichen Einschränkungen der Datenverwendung.

3.1. Das Grundrecht auf Datenschutz ist ein Grundrecht, das der Gesetzgeber durch verschiedene einfachgesetzliche Regelungen näher ausgestaltet. Bei der Beurteilung der Verfassungskonformität einer Gesetzesvorschrift am Maßstab dieses Grundrechts ist nach Auffassung der Bundesregierung zunächst zu untersuchen, ob es sich um eine Regelung zur näheren Ausgestaltung des Grundrechts handelt (also eine eingriffsbeschränkende Regelung) oder aber um eine Regelung, die zu einem Eingriff in das Grundrecht ermächtigt (zum Eingriff ermächtigende Regelungen).

Einfachgesetzliche Regelungen mit Relevanz für das Grundrecht auf Datenschutz existieren in mehrerlei Gestalt:

       a. Dazu zählen etwa jene Regelungen, die näher definieren, wie die in §1 Abs3 DSG 2000 geregelten Rechte (Auskunftsrecht, Löschungsrecht, etc) auszuüben sind, weiters auch Datensicherheits-, Protokollierungs-, Transparenzverpflichtungen und andere.

       b. Weiters kann sich der (einfache) Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Grundrechts auch solcher Regelungen bedienen, die hinsichtlich der Zulässigkeit der Datenverwendung konkretere Determinanten dafür liefern, unter welchen Umständen bei der Abwägung zwischen dem Eingriffsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse von einem 'überwiegenden Interesse eines anderen' ausgegangen werden darf (vgl zB die §§8 und 9 DSG 2000; in der deutschen Literatur findet sich hierfür die Bezeichnung als allgemeine bzw. konkretisierte 'lnteressenabwägungsklausel', vgl. Tinnefeld/Buchner/Petri, Einführung in das Datenschutzrecht, 5. Aufl, 367 f). Es handelt sich bei diesen Bestimmungen nicht um Ermächtigungen an eine staatliche Behörde im Sinne des §1 Abs2 DSG 2000: Vielmehr handelt es sich um datenschutzrechtliche Regelungen, die (nicht nur im privaten Bereich, sondern – lege non distinguente –) auch bei Datenverwendungen einer staatlichen Behörde zu beachten sind, deren Anwendung die erforderliche Ermächtigung dieser Behörde aber nicht ersetzen kann (vgl. auch Jahnel, Das Grundrecht auf Datenschutz nach dem DSG 2000, in FS Schäffer, 335). Dies ergibt sich bereits aus den Materialien zum DSG 2000: Wenn dort ausgeführt wird, dass ein Eingriff durch eine staatliche Behörde einer 'besonderen' gesetzlichen Grundlage bedarf (1613 BlgNR 20. GP, 35), so kann nicht vom einfachgesetzlichen Teil des DSG 2000 die Rede gewesen sein. Dies findet auch Anerkennung in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der den allgemeinen Regelungen des DSG 2000 die Eignung als 'Ermächtigung' abgesprochen hat, als er im Erkenntnis VfSlg 1[8].643/2008 in Bezug auf eine Abstandsmessungsanlage der Straßenpolizei aussprach, dass sich 'auch aus den Regelungen der StVO betreffend die Zuständigkeit und Aufgaben der Straßenpolizeibehörden [...] in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen über die Verwendung von Daten aus dem 2. Abschnitt des DSG 2000 (s. insb. §§6, 7, 8 DSG 2000) keine Ermächtigung zum Einsatz eines solchen [S]ystems ableiten' lässt.

       c. Weiters finden sich im einfachen Gesetz stellenweise Regelungen, mit denen der Gesetzgeber die nach allgemeinem Datenschutzrecht gebotene Interessenabwägung (§1 Abs2, §7 Abs3 DSG 2000) für bestimmte Falltypen und in bestimmter Hinsicht zwingend von vornherein zugunsten des Betroffenen festlegt, zB indem er bestimmte Datenverwendungsarten kategorisch verbietet oder beschränkt. Es ist freilich nicht haltbar, solche Regelungen in dem Sinn auszulegen, dass ihnen gleichsam im Umkehrschluss entnommen wird, dass sie die Anwendung aller sonstigen Kautelen, die sich sonst noch aus allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen ergeben, 'verdrängen'. Ein Beispiel für diese Kategorie punktueller einfachgesetzlicher Ausgestaltungsregelungen ist zB d[a]s Verbot der Übermittlung von Daten, wenn sie aus einer unzulässigen Datenanwendung stammen (§7 Abs2 Z1 DSG 2000) oder auch die in einzelnen Materiengesetzen enthaltenen Löschungsfristen, die die Löschung nach Ablauf einer festgelegten Frist zwingend vorsehen, während sie abgesehen von diesem Fall (also vor Fristablauf) die Pflicht zur Interessenabwägung unberührt lassen (so etwa §58 Abs1 Z6 SPG idF BGBl 104/1997, dazu: VfSlg 16.150/2001, beziehungsweise §75 Abs3 StPO, dazu VfGH 29.6.2012, G7/12).

       d. Von den genannten Ausgestaltungsregelungen des einfachgesetzlichen Teils des DSG 2000 (und sonstiger Gesetze) streng zu unterscheiden sind jene gesetzlichen Regelungen, durch die Organe der Vollziehung zu einem Eingriff in das Grundrecht ermächtigt (bzw. verpflichtet) werden (§1 Abs2 DSG 2000 spricht hier von 'Eingriffe[n] einer staatlichen Behörde […] auf Grund von Gesetzen').

3.2.   Ordnet man §140 Abs3 StPO in die vorstehende Typologie von Normen mit datenschutzrechtlichem Bezug ein, so ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung klar, dass hierbei für die Verwendung durch Behörden/Gerichte 'in anderen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren' keine 'Ermächtigung' (Typ d.) vorliegt, sondern eine Regelung, die ausschließlich zum Schutz des Betroffenen (also ausschließlich verwendungsbeschränkend) wirken soll (Typ c.) und darüber hinaus gehenden Einschränkungen (insbesondere jenen des DSG 2000) zudem nicht entgegensteht.

4. Zu Inhalt und Wirkungsweise des §140 Abs3 StPO

4.1. Mit der ihrem Bescheid zugrundeliegenden Annahme, dass §140 Abs3 StPO als eine 'gesetzliche Ermächtigung' der Disziplinarbehörde zur Datenverwendung zu verstehen sei, setzt sich die Datenschutzkommission in einen gewissen Widerspruch zu ihrer früheren Rechtsprechung (Bescheid vom 16.12.2005, K121.105/0004-DSK/2005), in der sie bezüglich der Ermittlung von Daten durch die Disziplinarbehörde in einem Disziplinarverfahren gegen einen Beamten des BMI noch davon ausgegangen ist, dass 'gemäß §105 Z1 BDG 1979 iVm. §38 Abs2 AVG [...] im Disziplinarverfahren gegen Beamte von Amts wegen vorzugehen und der Sachverhalt wahrheitsgemäß zu ermitteln [ist]'.

4.2. Auch sonst hat eine Ermächtigung der Ermittlung und Verwendung von Daten in der Form, dass Beweise erhoben werden und den Feststellungen bei Erlassung einer behördlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden, ihren Sitz gewöhnlicherweise immer in jenen Bestimmungen, die die von dieser Behörde zu vollziehende Materie, das dafür anzuwendende Verfahren und die Organisation dieser Behörde regeln.

Auch die StPO selbst geht von dieser Systematik aus:

Die im 5. Hauptstück der StPO ('Gemeinsame Bestimmungen') enthaltene Bestimmung des §76 Abs4 leg.cit. regelt, dass eine Übermittlung der im Zuge der Strafrechtspflege verarbeiteten Daten 'an andere Behörden' nur zulässig ist, 'wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht'. Den Sitz einer solchen 'Ermächtigung' verortet der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang naturgemäß nicht in der StPO selbst. Der Gesetzgeber meint dabei vielmehr eine Ermächtigung, die diesen anderen Behörden im jeweiligen - dh. in dem von diesen Behörden zu vollziehenden - Materiengesetz erteilt wurde (vgl. die Erläuterungen zur RV für das Strafprozessreformgesetz, BGBl I Nr 19/2004, 25 BlgNR, 22. GP; so auch Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren, Rz 319; ebenso Lendl, WK-StPO [2012], §76 Rz 22).

Wenn aber der StPO-Gesetzgeber schon im Zusammenhang mit der Übermittlung (§76 Abs4 StPO) die Ermächtigung zur außerstrafprozessualen Datenverwendung im jeweiligen Materiengesetz voraussetzt, so muss ihm dies erst recht im Kontext von §140 Abs3 StPO unterstellt werden, also bei einer Bestimmung, die die (Schranken der) Weiterverwertung betrifft. Denn die Regelung der Ermächtigung einer Behörde, die ihr zuvor von anderen Behörden übermittelten oder von ihr unmittelbar selbst ermittelten Beweise bei Erlassung der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung zur Feststellung des Sachverhalts zu verwerten, muss in jenen Gesetzen enthalten sein, die die von dieser Behörde zu vollziehende Materie und das dazugehörige Verfahrensrecht regelt: Die grundsätzliche Erlaubnis zur Erhebung und Verwertung von Beweisen wäre also im jeweiligen Materiengesetz (verbunden mit dem entsprechenden Verfahrensgesetz) der 'anderen Behörde' zu suchen. Es ist dagegen nicht Zweck der StPO für das Ermittlungs- und Beweisverfahren vor anderen Behörden die 'Grundlage' zu bieten.

4.3. Es handelt sich daher bei §140 Abs3 StPO um keine den Behörden und Gerichten erteilte 'Ermächtigung' zur Verwendung von Daten, sondern um eine Regelung, die das Vorhandensein einer solchen Ermächtigung überhaupt nicht berührt (eine solche Ermächtigung also voraussetzt) und ausschließlich die Wirkung hat, eine Datenweiterverwendung für den Fall, dass der Gesetzgeber zur Datenverwendung (im Materiengesetz) ermächtigt haben sollte, punktuell unter einem datenschutzrechtlichen Gesichtspunkt einzuschränken (nämlich unter dem Gesichtspunkt, dass die Daten aus einer zulässigen Ermittlung stammen müssen: vgl. die ähnlich wirkende Norm des §7 Abs2 Z1 DSG 2000 hinsichtlich der Zulässigkeit von Übermittlungen).

4.4. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung dadurch gleichzeitig auch die Anwendung aller sonstigen relevanten datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte (wie insbesondere das Überwiegensprinzip, das Erforderlichkeitsprinzip und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz [§7 Abs3 DSG 2000] verdrängen und die weiterverwendende Behörde von der Beachtung dieser Regeln entbinden wollte, sind für die Bundesregierung nicht erkennbar. Der Inhalt der Regelung nimmt keineswegs sämtliche Gesichtspunkte der durch §1 Abs2 DSG 2000 gebotenen Interessenabwägung vorweg. Er regelt nur eine Voraussetzung (von mehreren). §140 Abs3 StPO ist daher keine abschließende Regelung und verdrängt insbesondere auch nicht die Beschränkungen, die sich im Anlassfall für die Disziplinarbehörde aus dem Überwiegensprinzip des §1 Abs2 DSG 2000 (§7 Abs1, §8 Abs1 Z4 DSG 2000), aus dem Übermaßverbot des §7 Abs3 DSG 2000 und den sonstigen datenschutzrechtlichen Prinzipien wie dem Erforderlichkeits- und Zweckbindungsgrundsatz ergeben hätten.

4.5. Es wäre im Übrigen auch kaum möglich, bereits in der StPO eine abschließende Regelung zu treffen, die sämtliche Fälle einer Datenweiterverwendung in umfassender Weise so regeln könnte, dass sämtliche Aspekte der Interessenabwägung generell-abstrakt schon vom StPO-Gesetzgeber 'abgehandelt' wären und eine weitere Abwägung durch den (für die Weiterverwendung zuständigen) Materiengesetzgeber ausgeschlossen (oder 'verdrängt') wäre. Auch aus diesem Grund kann §140 Abs3 StPO nicht in dieser Weise verstanden werden.

Es kann für den Zweck dieses - auf §140 Abs3 StPO beschränkten - Gesetzesprüfungsverfahrens offen bleiben, ob die gesetzliche Grundlage für das Beweisverfahren vor Disziplinarbehörden aufgrund des BDG 1979 (iVm dem AVG) auch die Weiterverwendung von Ergebnissen aus dem Einsatz der vergleichsweise eingriffsintensiven Ermittlungsbefugnisse der StPO erlauben würde. Ob die von den Disziplinarbehörden anzuwendenden Regelungen des BDG 1979 in Verbindung mit dem AVG über das Beweisverfahren (Ermittlung und Verwertung von Beweisen von Amts wegen, Unbeschränktheit der Beweismittel, etc) eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den von der Datenschutzkommission zu beurteilenden Informationseingriff darstellen konnten, wäre im Wege der Auslegung dieser Bestimmungen zu beurteilen gewesen. Sollte eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehlen (oder nicht ausreichen), so führt dies nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zur Verfassungswidrigkeit des betreffenden Gesetzes (hier: des BDG), sondern bloß zur Unzulässigkeit des in Rede stehenden Informationseingriffs (VfSlg 18.643/2008, 18.922/2009, 18.987/2010). Auch §140 Abs3 StPO wäre in diesem Fall nicht verfassungswidrig, sondern lediglich inoperativ, weil für eine Datenverwendung, auf die er anwendbar wäre, schon auf vorgelagerter Stufe die Grundlage fehlte. (Was freilich nicht bedeutet dass §140 Abs3 StPO immer inoperativ wäre, zumal ja das Vorhandensein einer spezifischen Ermächtigung für andere Zwecke als für Disziplinarverfahren und in anderen Materiengesetzen als dem BDG 1979 denkbar wäre).

Es handelt sich bei dieser Problematik im Übrigen um keine Besonderheit von personenbezogenen Daten, die ursprünglich im gerichtlichen Strafprozess ermittelt worden sind, sondern um eine allgemeine Frage der Auslegung und Anwendung von §46 AVG in Situationen, in denen die Beweisverwertung eine gesetzlich oder auch (zB) grundrechtlich geschützte Position verletzen könnte (vgl. zur Annahme von Verwertungsverboten bei Auslegung von §46 AVG Thienel/
Schulev-Steindl
, Verwaltungsverfahrensrecht5, 190 f). Denn die gleichgelagerte Problematik der Abgrenzung zwischen Zulässigkeit und Unzulässigkeit des in der Verwendung bestehenden Informationseingriffs stellt sich nicht nur hinsichtlich der Verwertbarkeit von Daten mit Ursprung in gerichtlichen Ermittlungen, sondern naturgemäß (und umso dringlicher!) auch hinsichtlich der Verwertbarkeit von Beweisen, die der Behörde zwar vorliegen, aber auf - vergleichbar eingriffsintensive - illegale Überwachungsmaßnahmen zB von Privaten oder von dazu nicht ermächtigten Behörden zurückgehen, so etwa im Fall geheimer Videoüberwachungen, illegaler Computerzugriffe, etc (vgl. zB Baurecht, Verwendung und Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln - Zivilprozessuale und datenschutzrechtliche Grenzen, NetV 2006, 97; Schenk, Schranken der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Abgabenverfahren, taxlex 2010, 433; Kodek, Die Verwertung rechtswidriger Tonbandaufnahmen und Abhörergebnisse im Zivilverfahren, ÖJZ2001, 281, 287, 334).

4.6. Wie ausgeführt, kämen als 'Grundlage' des Eingriffs zwar nicht §140 Abs3 StPO, sondern (wenn überhaupt) nur die nach dem BDG 1979 für das Disziplinarverfahren maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen der Beweiserhebung und Beweisverwertung in Betracht. Diese beruhen auf dem Prinzip der Unbeschränktheit der Beweismittel (§46 AVG).

Selbst wenn man die (wie unter Pkt. II.4.5. erwähnt: hier dahingestellt bleibende) Annahme zugrunde legen würde, dass sich aus den allgemeinen Regelungen über das Ermittlungsverfahren nach dem BDG iVm dem AVG eine 'Ermächtigung' zur Verwendung (auch) solcher Daten ergeben kann, die ursprünglich durch Ermittlung innerhalb des Aufgabenbereichs der Strafverfolgungsbehörden gewonnen worden sind, ist Folgendes zu berücksichtigen: Ob die Ausübung dieser Ermächtigung durch die Disziplinarbehörde angesichts der Sensibilität und gesetzlichen Sonderstellung von Ergebnissen einer geheimen Rufdatenrückerfassung auch mit den übrigen datenschutzrechtlichen Erfordernissen (insbesondere der Abwägung nach dem Überwiegensprinzip des §7 Abs1 DSG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach §7 Abs3 DSG) in Einklang stand, hätte die Disziplinarbehörde durch Anwendung des DSG 2000 zu beurteilen und allenfalls mit entsprechenden Rechtsfolgen (ggf. Nichtverwendung) zu sanktionieren gehabt.

§140 Abs3 StPO wäre dieser Beurteilung aber in keiner Weise entgegengestanden. Daher können die Bedenken, der Gesetzgeber 'ermächtige' in undifferenzierter Weise und ohne Rücksicht auf die Gewichtung der in Betracht kommenden Interessen zur Weiterverwendung, auf §140 Abs3 StPO nicht zutreffen.

4.7. Eben diese Interessenabwägung hätte daher auch Thema des Verfahrens vor der Datenschutzkommission sein können, wenn sie die allgemeine Ermächtigung zur Verwertung personenbezogener Daten in §46 AVG (iVm §105 BDG 1979) als ausreichende Grundlage erblickt hätte und wenn sie diese Ermächtigung in einer mit dem datenschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kompatiblen Weise verstanden hätte. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung wäre es ihr möglich gewesen, den Umstand zu berücksichtigen, dass die strittigen Beweise ursprünglich in einem gerichtlichen Strafverfahren unter Inanspruchnahme spezifischer Eingriffsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden ermittelt worden sind, die durch wesentlich höher zu gewichtende Eingriffsinteressen der Verfolgung schwerwiegender Straffälle (vgl. §135 Abs2 StPO) legitimiert sind und gerade angesichts dieser gesetzgeberischen Wertung einem engen Korsett prozessualer Voraussetzungen der StPO (§137 StPO) unterliegen, während nunmehr die Weiterverwendung für den Zweck eines anders zu gewichtenden Eingriffsinteresses (Verfolgung von Disziplinarvergehen) zu prüfen gewesen wäre.

4.8. Die Bundesregierung vermag im Übrigen der Prämisse nicht zuzustimmen, dass die Verhinderung von Grundrechtsverletzungen, die darin bestehen, dass Daten ohne überwiegendes öffentliches Interesse verwendet werden, nur Sache des Gesetzgebers sei. Gerade das in Rn 30 des Prüfungsbeschlusses zitierte Erkenntnis VfSlg 18.975/2009 belegt, dass - je nach Eingriffsintensität - durchaus auch weniger spezifisch formulierte gesetzliche Ermächtigungen zur Datenverwendung verfassungskonform wären, dass es aber auch in diesen Fällen Aufgabe der Vollziehung ist, bei Ausübung der Ermächtigung zur Datenverwendung Sorge dafür zu tragen, dass der Informationseingriff den Ansprüchen des §1 Abs2 DSG 2000 genügt. Der Verfassungsgerichtshof hatte im zitierten Erkenntnis keineswegs Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage (zB mangels fehlender Einschränkungen). Er verlangte darin von der Vollziehung, dass sie eine - allgemein gehaltene - gesetzliche Ermächtigung so ausübt dass der Eingriff durch ein überwiegendes Interesse anderer getragen ist und in der gelindest möglichen Weise erfolgt.

4.9. §140 Abs3 StPO entfaltet somit keine Sperrwirkung gegen zusätzliche, ergänzende Beschränkungen der Verwertbarkeit bei der Datenweiterverwendung durch andere Behörden und Gerichte. Aus diesem Grund ist es auch naheliegend, dass in jenem Bereich, in dem sich §140 Abs3 StPO und §75 Abs5 StPO auf der Tatbestandsebene überschneiden, kumulativ die speziellere (auf der Sanktionsebene strengere) Rechtsfolge des §75 Abs5 StPO anzuwenden ist, denn auch diese wird durch die insofern generellere Norm des §140 Abs3 StPO nicht verdrängt. Bei §75 Abs5 StPO handelt es sich, abweichend von §140 Abs3 StPO um eine Regelung, die zusätzliche Aspekte der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung behandelt und Regelungen des DSG insofern - aber ebenfalls nur partiell - verdrängt. Die Verdrängung des DSG 2000 ist schon deswegen auch im Fall des §75 Abs5 StPO nur partiell, weil auch im Anwendungsbereich dieser Norm eine Datenweiterverwendung nicht zwingend angeordnet ist (sondern nur eine Bedingung für ihre Zulässigkeit geregelt wird) und weil auch im Rahmen der Auslegung von §75 Abs5 StPO der unbestimmte Gesetzesbegriff des 'Zusammenhangs' auszulegen sein wird: Dabei wird die zur Weiterverwendung berechtigte Verwaltungsbehörde (das weiter verwendende Gericht) im Lichte des DSG 2000 zu prüfen haben, ob und inwieweit es von einem 'damit in Zusammenhang stehenden Zivil- oder Verwaltungsverfahren' ausgehen darf. Die Reichweite des 'Zusammenhangs' wird bei grundrechtskonformem Verständnis selbstverständlich nur jene Fälle erfassen dürfen, in denen davon ausgegangen werden kann, dass die Verwendung durch 'überwiegende Interessen eines anderen' im Sinne des §1 Abs2 DSG 2000 gerechtfertigt ist.

4.10. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Die Stoßrichtung der Regelung des §140 Abs3 StPO ist nicht 'autorisierend' in dem Sinn, dass sie die 'Grundlage' (im Sinne des in §1 Abs2 DSG 2000 verwendeten Begriffs 'auf Grund von Gesetzen') für eine Datenverwendung durch eine Verwaltungsbehörde oder ein anderes Gericht bieten könnte, sondern ist ausschließlich 'prohibitiv' in dem Sinne zu verstehen, dass sie - selbst im Fall existierender materiengesetzlicher 'Grundlage' einer Datenweiterverwendung durch andere Behörden - gegenüber der fraglichen Datenverwendung Schranken aufstellt.

4.11. Dazu kommt, dass §140 Abs3 StPO seine beschränkende Wirkung keineswegs exklusiv entfaltet:

Denn es handelt sich nur um eine Beschränkung, die nicht hindert, dass andere (datenschutzrechtliche) Beschränkungen kumulativ zur Anwendung kommen. §140 Abs3 StPO führt daher keinesfalls dazu, dass der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des datenschutzrechtlichen Interessenabwägungsgebots nicht auch noch kumulativ - insbesondere im DSG 2000 - Schranken vorsehen dürfte. Zusätzliche gesetzliche Schranken bestehen in der Tat: Das Datenschutzgesetz fordert sowohl bei der Ermittlung als auch der weiteren Verwendung (einschließlich der Beweisverwertung) von personenbezogenen Daten durch eine Verwaltungsbehörde (neben dem Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage) insbesondere die Beachtung des Gesetzmäßigkeits-, des Erforderlichkeits- und des Zweckbindungsprinzips (§6 Abs1 Z2 und 3, §7 Abs1 DSG 2000), sowie des Grundsatzes, dass die Datenverwendung nur dann stattfinden darf, wenn dadurch 'die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden' (§7 Abs1 DSG 2000).

4.12. Gerade im Rahmen der - neben der gesetzlichen Grundlage - erforderlichen Interessenabwägung müssen aber auch die dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen entgegenstehenden Interessen an einer Weiterverwendung richtig gewichtet werden: Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Grundrecht auf Datenschutz die Weiterverwendung von personenbezogenen Daten der hier in Rede stehenden Kategorien nicht generell verbietet. Ein generelles verfassungsrechtliches Verwertungsverbot auch für jene Fälle, in denen Daten im Strafprozess rechtmäßig gewonnen wurden und nach Prüfung der strengen Voraussetzungen der §§75 Abs5 und 140 Abs3 StPO durch die zuständige Staatsanwaltschaft an ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde übermittelt worden sind, kann aus §1 DSG nicht abgeleitet werden. Die Annahme eines (keiner Interessenabwägung im Einzelfall zugänglichen) Verbots würde den öffentlichen Interessen, denen das betreffende 'andere' Materiengesetz dienen soll (so zB dem Interesse auf Sicherstellung der Aufklärung auch der disziplinarrechtlichen Aspekte eines Sachverhalts) entgegenstehen. Das öffentliche Interesse (oder das Interesse eines am 'anderen Verfahren' beteiligten Dritten) kann fallbezogen höher zu bewerten sein als jenes des Betroffenen auf Geheimhaltung bzw. Löschung seiner personenbezogenen Daten. Keinen Einfluss auf die Bewertung des öffentlichen Interesses hat dabei die Frage, ob das den Anlass der zulässigen Datenermittlung bildende Strafverfahren zum Zeitpunkt der fraglichen Weiterverwendung bereits rechtskräftig beendet ist bzw. ob die Daten im Strafakt inzwischen schon gelöscht worden sind.

5. Zum Anwendungsbereich von §75 Abs5 und §140 Abs3 StPO im Detail:

5.1. Je nach der Intensität eines Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz und je nach Schutzwürdigkeit der verarbeiteten personenbezogenen Daten bedarf es gemäß §1 Abs2 DSG 2000 der Festlegung angemessener Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen. Solche Garantien können etwa in gesetzlich vorgesehenen Verwendungsbeschränkungen liegen (Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 §1 Anm 19).

Eben eine solche den Erfordernissen des §1 Abs2 DSG 2000 Rechnung tragende Beschränkung normiert §75 Abs5 StPO unter anderem dadurch, dass eine Schranke der Datenverwendung jedenfalls dort eingezogen wird, wo ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Strafverfahren, in dem die Daten ermittelt wurden und jenem Zivil- oder Verwaltungsverfahren, in dem diese Verwendung finden sollen, fehlt.

5.2. Der in §75 Abs5 StPO in Anlehnung an die Terminologie der §§149a ff StPO idF vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes BGBl I Nr 19/2004 am 1. Jänner 2008 verwendete Begriff der 'Überwachung von Nachrichten' ist angesichts des Charakters der Regelung als Eingriffsschranke (im Gegensatz zu Eingriffsermächtigungen) nicht restriktiv sondern weit zu verstehen. Der Begriff umfasst im weiteren Sinn nicht nur das Ermitteln des Inhalts von Nachrichten (§92 Abs3 Z7 TKG), die über ein Kommunikationsnetz (§3 Z11 TKG) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft (§1 Abs1 Z2 des Notifikationsgesetzes) ausgetauscht oder weitergeleitet werden (§134 Z3 StPO), sondern schon grundsätzlich auch die 'Auskunft über Daten einer Nachrichtenermittlung', somit die Auskunft über Verkehrsdaten (§92 Abs3 Z4 TKG), Zugangsdaten (§92 Abs3 Z4a TKG), die nicht einer Anordnung gemäß §76a Abs2 unterliegen, und Standortdaten (§92 Abs3 Z6 TKG) eines Telekommunikationsdienstes oder eines Dienstes der Informationsgesellschaft (§1 Abs1 Z2 des Notifikationsgesetzes) und seit BGBl I Nr 33/2011 die 'Auskunft über Vorratsdaten', also die Erteilung einer Auskunft über Daten, die Anbieter von öffentlichen Kommunikationsdiensten nach Maßgabe des §102a Abs2 bis 4 TKG zu speichern haben und die nicht nach §99 Abs2 TKG einer Auskunft nach Z2 unterliegen (§134 Z2 und 2a StPO idF BGBl I Nr 33/2011). Diesem umfassenden Verständnis des Begriffs der 'Überwachung von Nachrichten' trägt auch die Praxis insofern Rechnung, als bei Durchführung einer (gerichtlich bewilligten) staatsanwaltschaftlichen Anordnung zur Überwachung von Nachrichten (§135 Abs3 iVm §137 Abs1 StPO) etwa stets die betreffenden Verkehrsdaten mitübermittelt werden.

Demgemäß ist die 'Überwachung von Nachrichten' nach §75 Abs5 StPO als in Anlehnung an die Gesetzesterminologie vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes BGBl I Nr 19/2004 gewählter Überbegriff über die 'Auskunft über Daten einer Nachrichtenermittlung' (§134 Z2 StPO), der 'Auskunft über Vorratsdaten' (§134 Z2a StPO) und der 'Überwachung von Nachrichten' (§134 Z5 StPO: 'Überwachung des Inhalts übertragener Nachrichten', §134 Z3 StPO) zu verstehen, woraus die begriffliche Gleichsetzung der in §§75 Abs5 und 140 Abs3 StPO genannten Ermittlungsmaßnahmen folgt.

5.3. Der in §75 Abs5 StPO gebrauchte Begriff der 'optischen oder akustischen Überwachung' umfasst die Überwachung des Verhaltens von Personen unter Durchbrechung ihrer Privatsphäre und der Äußerungen von Personen, die nicht zur unmittelbaren Kenntnisnahme Dritter bestimmt sind, unter Verwendung technischer Mittel zur Bild- oder Tonübertragung und zur Bild- oder Tonaufnahme ohne Kenntnis der Betroffenen (§134 Z4 StPO) und entspricht der in §134 Z5 StPO ergebnisbezogenen Bezeichnung der 'Bild- und Tonaufnahme einer Überwachung'.

Für die Überwachung von Nachrichten im weiteren Sinn sowie die optische und akustische Überwachung von Personen existiert somit ein Überschneidungsbereich, weil sowohl §140 Abs3 StPO als auch §75 Abs5 StPO Regelungen dahingehend vorsehen, unter welchen Voraussetzungen ermittelte Daten verwendet werden dürfen. Im Verhältnis der Bestimmungen zueinander ist die unmittelbar den Einsatz von Informationstechnik regelnde Norm des §75 Abs5 StPO als lex specialis zu betrachten. Überdies ist sie lex posterior, bestand doch mit §149h Abs3 eine §140 Abs3 StPO entsprechende strafprozessuale Regelung bereits vor dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes BGBl I Nr 19/2004 am 1. Jänner 2008.

Vor diesem Hintergrund ist in den genannten Bereichen die Datenverwendung insofern zu beschränken, als Daten, deren Verwendung im Strafverfahren zulässig war oder wäre, in Zivil- oder Verwaltungsverfahren lediglich dann Verwendung finden dürfen, wenn diese Verfahren mit dem Strafverfahren in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen (vgl Reindl-Krauskopf, WK-StPO §140 Rz 29). Im Sinne dieser schon aus der einschlägigen Kommentierung ersichtlichen Einschränkung erfüllt neben §75 Abs5 StPO auch §140 Abs3 StPO die durch §1 Abs2 DSG 2000 vorgegebenen Schranken der Statthaftigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz.

5.4. Bei einer ausschließlich am Wortlaut haftenden Betrachtung würde sich die Verwendung der Ergebnisse einer Beschlagnahme von Briefen für andere gerichtliche (verwaltungsbehördliche) Verfahren als jenes wegen der Anlasstat ausschließlich nach §140 Abs3 StPO richten. Zwar ist der mit dieser Maßnahme einhergehende Grundrechtseingriff mit jenem einer technisch unterstützten geheimen Maßnahme bei der Überwachung von Nachrichten oder der optischen oder akustischen Überwachung von Personen nicht vollkommen identisch. Da es sich dabei jedoch ebenso um die (verdeckte) Ermittlung von Kommunikationsinhalten handelt, erweist sich die Maßnahme als ähnlich eingriffsintensiv. Infolge der grundsätzlichen Kongruenz von §§140 Abs3 und 75 Abs5 StPO muss in der fehlende Bezugnahme auf die Beschlagnahme von Briefen in §75 Abs5 StPO daher eine durch Analogie zu schließende planwidrige Lücke gesehen werden. Die Planwidrigkeit dieser Lücke wird umso deutlicher, wenn darauf Bedacht genommen wird, dass §75 Abs5 StPO im Kern eine Regelung ist, die nur in spezifischer Weise einen Gedanken zum Ausdruck bringt, der bereits in allgemeiner Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des DSG 2000 zugrunde liegt.

Im Ergebnis sind die Verwendungsbeschränkungen des §75 Abs5 StPO daher auch bei der Verwendung der durch die Beschlagnahme von Briefen gewonnenen Daten maßgebend. Sämtliche der in §135 Z1 bis 4 StPO aufgezählten Ermittlungsmaßnahmen sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, lediglich eine Überwachung nach §136 Abs1 Z1 StPO kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen (§137 Abs1 StPO). Auftraggeber der Datenanwendung nach §4 Z4 DSG 2000, wozu jede Art der Datenhandhabung, sohin auch die Übermittlung von Daten (§4 Z8 und 12 DSG 2000) zählt, ist daher allein die zuständige Staatsanwaltschaft. Es obliegt daher zunächst der Staatsanwaltschaft, im Lichte der durch §§75 Abs5 und 140 Abs3 StPO zum Ausdruck gebrachten Verwendungsbeschränkungen, vorausschauend die Zulässigkeit einer Weitergabe rechtmäßig ermittelter Daten an Gerichte und Verwaltungsbehörden im Lichte der diesen Behörden zugewiesenen Befugnisse und Aufgaben zu prüfen und es obliegt sodann diesen Gerichten und Verwaltungsbehörden, im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben (abschließend) über die Zulässigkeit der Verwertung dieser Daten zu entscheiden.

6. Zusammenfassung

§140 Abs3 StPO ist nur eine Schranke der Datenweiterverwendung. §140 Abs3 StPO ist - für sich genommen - keine ausreichende Ermächtigung zur Datenweiterverwendung durch andere Behörden und Gerichte. §140 Abs3 StPO kommt kumulativ zur Anwendung und verdrängt zusätzliche datenschutzrechtliche Beschränkungen der Datenweiterverwendung nicht. Für sämtliche der von §140 Abs3 StPO erfassten Datenkategorien (dh. auch für die 'Auskunft über Daten einer Nachrichtenermittlung' und beschlagnahmte Briefe) kommt zusätzlich die Schranke des §75 Abs5 StPO zur Anwendung. §140 Abs3 StPO steht im Einzelfall einer Prüfung dahingehend, ob ein Materiengesetz existiert, das die Weiterverwendung (in hinreichender Weise) erlaubt, nicht entgegen. §140 Abs3 StPO steht auch der bei Anwendung einer solchen Ermächtigung vorzunehmenden Interessenabwägung nicht entgegen.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §140 Abs3 der Strafprozessordnung 1975, BGBl Nr 631 idF BGBl I Nr 19/2004, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

Der Verfassungsgerichtshof hat am 12. Juni 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Vorschriften des DSG 2000, BGBl I 165/1999 idF BGBl I 133/2009, lauten:

"Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

Grundrecht auf Datenschutz

§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen e

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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