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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerden der OV AG in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, Klosterstraße 1, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung jeweils vom 16. Juli 1997, 1. Zl. 590.166/1-1997/Vie (zu hg. Zl. 98/02/0382), und 2. Zl. 590.166/2-1997/Vie (zu. hg. Zl. 98/02/0383), betreffend Vorschreibung einer Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 25.420.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den angefochtenen Bescheiden wurde der beschwerdeführenden Partei im Instanzenzug jeweils gemäß § 4 Abs. 5b StVO die Bezahlung einer Gebühr von S 500.-- vorgeschrieben. Gegen diese Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei zunächst jeweils Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der selben mit Beschluss vom 29. September 1998, Zlen. B 2245/97-10 und B 2246/97-10, ablehnte und die Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat darüber - nach Verbindung wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs - erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 5b StVO ist für Verständigungen nach Abs. 5 und Meldungen gemäß Abs. 5a eine Gebühr von 500 S einzuheben, es sei denn, die Verständigung nach Abs. 5 ist deshalb erfolgt, weil die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander Namen und Anschrift nicht nachweisen konnten. Von der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr sind die Gebietskörperschaften und Lenker von Fahrzeugen derselben ausgenommen. Auf Wunsch erhält jede Person des Abs. 5, die eine gebührenpflichtige Verständigung oder Meldung vorgenommen hat oder die die Gebühr entrichtet, eine Ausfertigung des von der Polizei- oder Gendarmeriedienststelle erstatteten Unfallberichtes. Die Gebühren sind, soferne sie nicht ohne weiteres entrichtet werden, von den Bezirksverwaltungsbehörden, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser vorzuschreiben. Sie fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Organe zu tragen hat.
Die beschwerdeführende Partei wendet u.a. ein, die belangte Behörde habe in beiden Fällen (betreffend zwei verschiedene Verkehrunfälle mit Sachschaden von zwei verschiedenen Versicherungsnehmern der beschwerdeführenden Partei) jeweils zutreffend erkannt, dass der jeweilige Versicherungsnehmer nicht verpflichtet gewesen sei, die Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO zu bezahlen, weil jeweils ein entsprechender Identitätsnachweis nach § 4 Abs. 5 StVO nicht möglich gewesen sei. § 4 Abs. 5b StVO könne - so die Beschwerde - nicht so verstanden werden, dass jeder, der eine Ausfertigung eines Unfallberichtes begehre, die Gebühr zu entrichten habe, sofern er davon nicht persönlich befreit sei, sondern es sei darauf abzustellen, ob derjenige, der die Herstellung des Unfallberichtes begehre, dieses für sich selbst oder als Vertreter einer anderen Person begehre. Trete jemand nur als Vertreter auf, so sei ausschließlich zu prüfen, ob der von ihm Vertretene zur Entrichtung einer Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO verpflichtet sei oder nicht.
Wie schon aus dem Sachverhalt zu ersehen ist, ist die beschwerdeführende Partei in deren Eigenschaft als Versicherer keine unter den Personenkreis nach § 4 Abs. 5 oder Abs. 5a StVO fallende Person; es fehlt daher auch an einer rechtlichen Möglichkeit zur Vorschreibung einer Gebühr nach Abs. 5b erster Satz leg. cit. Insoweit die beschwerdeführende Partei, die eine juristische Person ist, in der jeweiligen Beschwerde die Auffassung vertritt, sie sei als Vertreter des jeweiligen Versicherungsnehmers aufgetreten, so ist ihr entgegenzuhalten, dass in beiden Beschwerdefällen noch die Rechtslage vor der AVG-Novelle, BGBl. I Nr. 158/1998, anzuwenden ist, zumal u.a. die Neuregelung des § 10 Abs. 1 AVG erst am 1. Jänner 1999 (vgl. § 82 Abs. 6 leg. cit.) in Kraft getreten ist.
U.a. wird im Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend die zuletzt genannte Novelle zu § 10 Abs. 1 AVG ausgeführt (vgl. 1167 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats, XX. GP, S. 25), dass nach § 10 Abs. 1 AVG (alte Rechtslage) nur natürliche Personen zu Vertretern bestellt werden konnten. Da offensichtlich ein praktisches Bedürfnis nach einer Vertretung auch durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften (z.B. Versicherungen, Hausverwaltungen, Rechtsanwaltspartnerschaften, Notar-Partnerschaften oder Wirtschaftstreuhandgesellschaften) - so die Erläuterungen weiter - bestehe, solle dies künftig ermöglicht werden.
Die beschwerdeführende Partei konnte daher - weil keine physische Person - seinerzeit nicht als Vertreterin der betroffenen Versicherungsnehmer auftreten. Am Rande sei erwähnt, dass selbst dann, wenn dies der Fall hätte sein können, die Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO - für den Fall des Zutreffens der dort für die Gebührenpflicht angeführten Voraussetzungen - nicht ihr, sondern den von ihr Vertretenen vorzuschreiben gewesen wäre. Aus den dargelegten Gründen fehlte es somit an einer rechtlichen Deckung zur Vorschreibung einer Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO gegenüber der beschwerdeführenden Partei. Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit Ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des jeweils gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 3. November 2000
Schlagworte
Identitätsnachweis Vertretungsbefugter juristische PersonEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998020382.X00Im RIS seit
12.06.2001