TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/3 98/02/0361

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Veröffentlicht am 03.11.2000
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Index

E3L E13300500;
E6J;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

31983L0189 Notifikations-RL Art8;
61997CJ0226 Lemmens VORAB;
AlkomatV 1994;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs5;
VStG §51 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des RD in P, vertreten durch Dr. Stefan Petzer, Rechtsanwalt in Wien III, Am Heumarkt 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. Juni 1998, Zl. Senat-WU-97-117, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 1998 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 27. September 1996 um 22.25 Uhr im Ortsgebiet von T. auf einer näher bezeichneten Bundesstraße ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 360 Stunden) zu verhängen gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Aufbauend auf dem Ergebnis der von ihr am 16. Februar und am16. April 1998 durchgeführten mündlichen Verhandlung und auf einem von ihr eingeholten Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen ging die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Beschwerdeführer sich im Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Dem Beschwerdeführer, der die Auffassung vertrete, der bei ihm gemessene Alkoholgehalt der Atemluft von 0, 42 mg/l könne - infolge eines von ihm behaupteten Sturztrunkes unmittelbar vor Antritt der Fahrt - im Zeitpunkt des Fahrens noch nicht erreicht worden sein, sei entgegenzuhalten, dass auf Grund des in der Anflutungsphase resorbierten und sich sofort auf die Fahrtüchtigkeit negativ auswirkenden Alkohols von einer Alkoholbeeinträchtigung auszugehen sei, auch wenn möglicherweise der Alkoholgehalt seines venösen Blutes im Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges noch weniger als 0,8 Promille betragen habe. Ein Zuwarten auf ein vom Beschwerdeführer angekündigtes Gutachten erweise sich daher als entbehrlich. Die Richtlinien für die Verwendung des Alkomaten seien eingehalten worden. An der Übereinstimmung der Alkomatverordnung mit EU-Richtlinien bestehe kein Zweifel.

Gemäß § 5 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 19. Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2

1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 übersteigenden Alkoholgehalt ergeben hat oder

2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war. Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen.

Im Beschwerdefall hat der beim Beschwerdeführer vorgenommene Alkomattest einen den Grenzwert von 0,4 mg/l übersteigenden Alkoholgehalt der Atemluft ergeben. Von einer "Minderalkoholisierung" im Zeitpunkt dieser Untersuchung kann somit keine Rede sein. Damit bestand sachverhaltsmäßig für die den Test vornehmenden Organe der Straßenaufsicht keine Veranlassung, im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zusätzlich eine ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers anzuordnen.

Nach dem Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 16. April 1998 betrug der Zeitraum vom Antritt der Fahrt bis zur Anhaltung des Beschwerdeführers um

22.30 Uhr zehn Minuten. Die gültigen Messergebnisse der Alkomatuntersuchung kamen um 22.51 Uhr und um 22.54 Uhr zu Stande. Der von der belangten Behörde beigezogene ärztliche Amtssachverständige hat ausgehend von den im Verwaltungsstrafverfahren erhobenen Behauptungen des Beschwerdeführers über das Trinken von zwei Vierteln Rotwein und von 0,02 l Schnaps unmittelbar vor Antritt der Fahrt und unter Berücksichtigung des damaligen Körpergewichtes des Beschwerdeführers von 98 kg für den Zeitpunkt des Lenkens einen Blutalkoholgehalt von ungefähr 0,6 Promille ermittelt. Weiters hat er in schlüssiger Weise ausgeführt, dass die der konsumierten Alkoholmenge entsprechende Alkoholkonzentration im arteriellen Blut bereits fünf bis zehn Minuten nach dem Alkoholkonsum eintrete (Anflutungsphase) und dass, da bereits in diesem Zeitpunkt das Gehirn mit der vollen Alkoholkonzentration in Kontakt komme, die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bereits zehn Minuten nach einem Schluss- oder Sturztrunk ebenso stark gegeben sei, wie wenn der Blutalkoholgehalt auch schon im venösen Blut nachzuweisen wäre. Diese Ausführungen des Sachverhalt stehen auch im Einklang mit der ständigen hg. Rechtsprechung - von der abzugehen kein Anlass besteht -, dass Alkohol in der Anflutungsphase besonders nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitigt; ein Sturztrunk kurz vor Fahrtantritt wirkt sich auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit aus, die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit tritt aber sofort ein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 94/02/0375, mit weiteren Nachweisen). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung bedurfte es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht der Einholung eines ergänzenden Gutachtens des ärztlichen Sachverständigen (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999), sodass auch die diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ins Leere geht.

Der Beschwerdeführer macht insbesondere auch geltend, die Alkomatverordnung, deren § 1 eine technische Vorschrift darstelle, hätte nicht angewendet werden dürfen, weil diese entgegen der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. März 1983, 83/189/EWG, nicht notifiziert worden sei. Mit diesem Einwand vermag er nicht durchzudringen: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Juni 1998, Rs C-226/97 - Johannes Martinus Lemmens, hat die Unterlassung der Mitteilung von technischen Vorschriften nicht zur Folge, dass die Verwendung des Gerätes, das mit den nicht mitgeteilten Vorschriften konform ist, als Beweismittel unzulässig bzw. rechtswidrig wäre (vgl. in diesem Zusammenhang die zur Verwendung von Laser- und Radargeschwindigkeitsmessgeräten ergangenen hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1998, Zl. 97/03/0336, und vom 12. April 1999, Zl. 98/11/0233). Damit war es auch nicht unzulässig, den gegenständlichen Alkomaten entsprechend der Alkomatverordnung zur Messung des Alkoholgehaltes der Atemluft des Beschwerdeführers einzusetzen. Auch insoweit vermag der Beschwerdeführer einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen.

Soweit der Beschwerdeführer einwendet, der angefochtene Bescheid sei nicht innerhalb der Frist des § 51 Abs. 7 VStG erlassen worden, ist festzuhalten, dass zufolge der im Wege der Telekopie erfolgten Einbringung der Berufung am 2. April 1997 die fünfzehnmonatige Frist der angeführten Gesetzesstelle mit Ablauf des 2. Juli 1998 endete. Da der angefochtene Bescheid laut Eingangsstempel der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung am 26. Juni 1998 bei dieser Behörde eingelangt ist, wurde entsprechend der ständigen hg. Rechtsprechung die angeführte gesetzliche Frist gewahrt.

Die sich sohin insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998020361.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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