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25/01 StrafprozessNorm
DSG 2000 §1Leitsatz
Aufhebung einer Bestimmung der StPO über die Verwendung von im Strafverfahren ermittelten personenbezogenen Daten als Beweismittel in anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren wegen Verstoßes gegen das Recht auf Datenschutz; Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für eine Weiterverwendung dieser DatenRechtssatz
Aufhebung des §140 Abs3 StPO idF BGBl I 19/2004.
Die Bestimmung des §140 Abs3 StPO ist - unabhängig von der Frage, ob die Regelung (nur) als Beweisverwertungsverbot oder auch als rechtliche Grundlage für die Übermittlung von Daten zu verstehen ist, - jedenfalls unverhältnismäßig und verstößt deshalb gegen das Grundrecht auf Datenschutz.
Für eine Übermittlung von Daten an andere Behörden als im Dienste der Strafrechtspflege agierende Finanzstrafbehörden, Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte muss nach der Diktion des §76 Abs4 zweiter Satz StPO eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung bestehen. Eine solche Ermächtigung besteht nicht.
Nach dem Wortlaut des §140 Abs3 StPO "dürfen Ergebnisse nur insoweit als Beweismittel verwendet werden, als ihre Verwendung in einem Strafverfahren zulässig war oder wäre"; dies bedeutet, dass die Verwendung von Ergebnissen einer Datenermittlung aus einem Strafverfahren als Beweismittel in sonstigen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren zwar nur unter dieser (einzigen) einschränkenden Prämisse, im Übrigen aber unbeschränkt erlaubt wird. Denn es wird mit der Regelung nicht nur das legitime Ziel der Verhinderung von Sekundärverwendungen illegal zustande gekommener Ermittlungsergebnisse erreicht, sondern gleichzeitig bewirkt, dass rite ermittelte Ergebnisse iSd §134 Z5 StPO, die in anderen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren - auf welche Weise auch immer - bekannt werden, in diesen anderen Verfahren schlechthin als Beweismittel Verwendung finden können.
Die Norm hat somit den Inhalt, dass jedwede personenbezogenen Daten, sofern sie im Strafverfahren zulässigerweise ermittelt wurden, in jedwedem anderen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren verwendet werden dürfen.
Die Auffassung der Bundesregierung, dass für sämtliche der von §140 Abs3 StPO erfassten Datenkategorien zusätzlich die Schranke des §75 Abs5 StPO heranzuziehen sei, vermag der VfGH nicht zu teilen.
Abgesehen davon, dass der eindeutige Wortlaut des §75 Abs5 StPO ua gerade die im Anlassfall maßgeblichen Daten einer Nachrichtenübermittlung nicht umfasst und §75 Abs5 StPO gegenüber §140 Abs3 StPO als lex specialis anzusehen ist, spricht die divergierende systematische Einordnung in verschiedenen - getrennte Bereiche regelnden - Teilen der StPO gegen eine vom Gesetzgeber intendierte Gleichsetzung der beiden Bestimmungen.
§46 AVG bringt lediglich den allgemeinen Grundsatz der Unbeschränktheit von Beweismitteln im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck.
Anlassfall B1408/2011, E v 01.10.2013, Aufhebung des angefochtenen Bescheides; Quasi-Anlassfall B926/2012, E v 02.10.2013.
Schlagworte
Strafrecht, Strafprozessrecht, Datenschutz, Privat- und Familienleben, Auslegung verfassungskonforme, BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:G2.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014