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L6650 FlurverfassungNorm
Tir FlVLG 1996 §33 Abs2 litc, Abs5, §36 Abs2Leitsatz
Zuordnung des Überschusses aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (Überling) zum Substanzwert des Gemeindegutes; Nutzungsrechte am Gemeindegut auf den Haus- und Gutsbedarf der berechtigten Liegenschaft beschränkt; Verletzung einer Gemeinde im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums infolge Zuordnung des Überlings zur Agrargemeinschaft; Erträge aus der Jagdverpachtung Teil der SubstanznutzungRechtssatz
Mit der Novelle des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes (TFLG) LGBl 7/2010 trug der Landesgesetzgeber der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 9336/1982 und 18446/2008 betr das Recht der Gemeinde auf den Substanzwert des Gemeindegutes) Rechnung.
Das Nutzungsrecht am Gemeindegut besteht nur im Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der berechtigten Liegenschaft. Der Gemeinde stehen der Substanzwert und die Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit aus dem Titel des Eigentumsrechts zu. Demzufolge ist §36 Abs1 litf TFLG 1996, wonach die Satzung der Agrargemeinschaft insbesondere Bestimmungen über die Verwendung allfälliger Ertragsüberschüsse enthalten muss, auf atypisches, in Form einer Agrargemeinschaft organisiertes Gemeindegut iSd §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 nicht anzuwenden.
Der gesetzliche Begriff des Substanzwertes in §33 Abs5 erster Satz TFLG 1996 ist als der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibende Wert zu verstehen, wobei die Nutzungsrechte auf den Haus- und Gutsbedarf der berechtigten Liegenschaften beschränkt sind. Die Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit (Überling) sind unter den Substanzwert iS von §33 Abs5 TFLG 1996 zu subsumieren und stehen daher der Gemeinde zu. Dem steht auch die Aufzählung von Nutzungen des Substanzwerts in §33 Abs5 dritter Satz TFLG 1996 nicht entgegen, weil diese demonstrativ ist. Der Überling ist als Bestandteil des Substanzwertes dem Rechnungskreis II iSd §36 Abs2 TFLG 1996 zuzuordnen.
Die gesetzlichen Bestimmungen tragen dem Dispositionsrecht der Gemeinde über den Substanzwert des Gemeindegutes ausreichend Rechnung.
Verletzung der beschwerdeführenden Gemeinde Pflach im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Abweisung ihrer Berufung, soweit sie sich gegen §19 Abs2 der durch (erstinstanzlichen) Bescheid erlassenen Verwaltungssatzung wendet.
Der OAS hat den Überschuss aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des Gemeindegutes ("Überling") entgegen §33 Abs5 erster Satz TFLG 1996 und der Rechtsprechung des VfGH nicht dem Rechnungskreis II iS von §36 Abs2 TFLG 1996 zugeordnet, was Art5 StGG und Art1 1. ZP EMRK widerspricht.
Abweisung der Beschwerden der Agrargemeinschaft Pflach und ihrer beschwerdeführenden Mitglieder gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides insoweit, als dadurch die "Jagd" aus der Aufzählung der üblichen und regelmäßigen Nutzungen des Regulierungsgebietes gestrichen wurde.
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht, keine Willkür.
Der Anspruch der Gemeinde auf die Substanz des Gemeindegutes iSd §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 ist Surrogat ihres ursprünglichen (durch die Regulierung beseitigten) Alleineigentums und ist somit auch in Gestalt des bloßen Anteils an der Agrargemeinschaft jedenfalls Eigentum iSd Art5 StGG bzw Art1 1. ZPEMRK.
Das Jagdrecht ist ein aus dem Eigentum an Grund und Boden fließendes Privatrecht (VfSlg 7891/1976, 9858/1983). Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Jagdausübungsrechts findet seine Grenze am Anspruch des Grundeigentümers auf einen Anteil des Pachtschillings (VfSlg 6209/1970). Der Anspruch auf den Jagdpachterlös ist Ausfluss des Grundeigentums.
Die öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte dienen der Befriedigung eines unmittelbaren sachlichen Bedarfes; ein Anteil an der Substanz des Grundstückes ist mit ihnen nicht verbunden. Die Erträge aus der Jagdverpachtung stellen keinen Naturalnutzen, sondern lediglich einen finanziellen Wert dar. Aus diesem Grund dienen sie nicht unmittelbar land- und forstwirtschaftlichen Zwecken und sind nicht den land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechten gemäß §33 Abs5 erster Satz TFLG 1996 zuzurechnen.
Der belangte OAS trägt mit der Qualifizierung der Erträge aus der Jagdverpachtung als Teil der Substanznutzungen iSd §33 Abs5 TFLG 1996 dem von Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK verfassungsgesetzlich geschützten Recht der Gemeinde Pflach auf den Substanzwert des atypischen Gemeindegutes iSd §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 Rechnung.
Im Übrigen Ablehnung der Behandlung der Beschwerden.
Siehe auch B551/2012 ua, E v 02.10.2013, betr die Gemeinde bzw die Agrargemeinschaft Unterperfuss.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bodenreform, Flurverfassung, Jagdrecht, Bescheid TrennbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B550.2012Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014