TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/7 2012/17/0236

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Veröffentlicht am 07.10.2013
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Index

E1M;
E1P;
E3R E03201000;
E3R E03301000;
E3R E03600500;
E3R E14500000;
E6J;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;

Norm

12010M006 EUV Art06;
12010P/TXT Grundrechte Charta;
32009R1122 GAP-BeihilfenDV Art73;
62007CJ0555 Kücükdeveci VORAB;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, Hofrat Mag. Straßegger und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der J R in F, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk und Dr. Maria Škof, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 28. Dezember 2011, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1457-I/7/2011, betreffend einheitliche Betriebsprämie, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin für das Antragsjahr 2006 eine einheitliche Betriebsprämie in Höhe von EUR 625,51 gewährt und ein bereits überwiesener Betrag in Höhe von EUR 396,68 rückgefordert. Für das Antragsjahr 2008 wurde ihr keine einheitliche Betriebsprämie gewährt und ein bereits überwiesener Betrag in Höhe von EUR 1.015,53 rückgefordert. Auch für das Antragsjahr 2009 wurde der Beschwerdeführerin keine einheitliche Betriebsprämie gewährt und es kam zu einer Rückforderung des bereits überwiesenen Betrages von EUR 1.068,98. Für das Antragsjahr 2010 wurde ihr eine einheitliche Betriebsprämie in Höhe von EUR 831,21 zugesprochen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, der ihrer Ansicht nach einschlägigen Rechtsvorschriften und Wiederholung der erstinstanzlichen Berechnungen im Wesentlichen aus, im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen am 1. und 3. September 2010 sei die beihilfefähige Futterfläche der V-Alm ermittelt worden. Es seien in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin keine konkreten Angaben gemacht worden, warum die Almfutterfläche bei der Vor-Ort-Kontrolle unrichtig festgestellt worden sei. Die in der Berufung vorgebrachte Argumentation, die Kürzungen seien nicht nachzuvollziehen, sei durch keine adäquaten Nachweise belegt worden. Die Ausführungen im Parteiengehör seien ebenfalls bloß genereller Natur und würden sich nicht auf konkrete, vom Kontrollorgan vorgenommene Schlageinteilungen, den jeweiligen Anteil unproduktiver Elemente und den jeweiligen Überschirmungsgrad beziehen. Die vom AMA Kontrollorgan bei der Ermittlung der beihilfefähigen Flächen der V-Alm vorgenommene Einteilung der Almfläche in Schläge auf Basis des darauf befindlichen Bestandes sowie der - unter Außerachtlassung der nichtbeihilfefähigen Flächenelemente - für den jeweiligen Schlag zur Anwendung gelangte Überschirmungsgrad sei für die Berufungsbehörde nachvollziehbar. Auf Grund einer zunehmenden Überschirmung bei mit Bäumen bestandenen Flächen bzw. durch Aufkommen von nicht als Futter geeigneten Pflanzen, wie z. B. verkrautete Pflanzen (Beeren-), Sträucher und eine Verbuschung ehemals genutzter Flächen erfolge auch eine Abnahme der beihilfefähigen Fläche. Die vom Kontrollorgan zugrunde gelegte Almfutterflächenverringerung erscheine der Berufungsbehörde schlüssig. Bei dieser Vor-Ort-Kontrolle seien einzelne Schläge gebildet, digital vermessen, die Überschirmungsgrade festgestellt und anhand derer die Futterfläche vermessen worden. Mangels näherer konkreter Angaben durch die Beschwerdeführerin, auf Grund welcher Messungen bzw. Berechnungen man (auch nur hinsichtlich einzelner Teilbereiche) zu welchen konkreten anderen Ergebnissen hätte kommen müssen, seien daher die Vor-Ort-Kontrolle-Feststellungen heranzuziehen. Da keine - auf gleicher fachlicher Ebene wie die des Kontrollorgans basierenden - Angaben zur Futterflächenfeststellung gemacht worden seien, seien die im Zuge der Vor-Ort-Kontrolle ermittelten Futterflächen daher der Betriebsprämiengewährung der gegenständlichen Antragsjahre zugrunde zu legen.

Zur Anwendung der Flächensanktion gemäß Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 (bzw. Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009) führte die belangte Behörde aus, dass die darin vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüsse keine Anwendung fänden, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben mache oder auf andere Weise belegen könne, dass ihn keine Schuld treffe. Die vorher genannte Bestimmung sei dabei im Sinne einer Umkehr der Beweislast zu verstehen: Der Betriebsinhaber habe im Falle von Übererklärungen die Möglichkeit, den Mangel seines Verschuldens zu beweisen. In diesem Zusammenhang sei von der Beschwerdeführerin unter anderem vorgebracht worden, dass schon vor dem Jahr 2007 der Almleitfaden berücksichtigt worden sei, wobei aber auch Flächen von einer Überschirmung von mehr als 80 % laut Luftbild einbezogen worden seien. Wesentlich sei, dass das aufgetriebene Vieh sowohl im Ausmaß als auch in der Qualität ausreichend Futter vorgefunden habe. Trotz dieser Bemühungen, die Almfutterflächen der V-Alm korrekt zu beantragen, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin an der Ermittlung der von ihr bekannt gegebenen beihilfefähigen Flächen keine Schuld treffe, da es sich bei der erfolgten Flächenfeststellung nicht um eine amtliche Ermittlung im Sinn der genannten Verordnungen handle. Es habe damit der Mangel des Verschuldens nicht bewiesen werden können. Das Absehen von Sanktionen für die gegenständlichen Antragsjahre komme daher in der vorliegenden Konstellation nicht zur Anwendung.

Bei baumbestandenen Flächen werde entsprechend dem Almleitfaden vorgegangen. Zum Vorwurf der unzureichenden Mittel bei der Flächenfeststellung sei anzumerken, dass die Hofkarte als Hilfsmittel der Ermittlung von Lage und Ausmaß beihilferelevanter Flächen diene. Auch bei allfälligen Mängeln der Hilfsmittel könne jedoch eine unkorrekte Flächenangabe nicht sanktionsfrei gestellt werden.

Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Sanktionsbestimmungen führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf Urteile des Europäischen Gerichtshofes aus, dass Kürzungsbestimmungen nicht darauf abstellten, ob dadurch ein Fördervorteil erwirkt werde.

Hinsichtlich der festgestellten Flächenabweichungen seien die Vorgaben betreffend die Kürzungen und Ausschlüsse gemäß Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 (bzw. Art. 58 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009) anzuwenden, weil die Beschwerdeführerin nicht habe belegen können, dass sie an den fehlerhaften Angaben keine Schuld getroffen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 18. Juni 2012, Zl. B 171/12-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hinsichtlich der Darstellung der anzuwendenden Rechtslage kann auf die hg. Erkenntnisse vom 22. August 2012, Zl. 2012/17/0113, und vom 15. September 2012, Zl. 2011/17/0123, verwiesen werden.

Das Beschwerdevorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof fokussiert sich - soweit zunächst die Ermittlung der Flächen nach dem Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2010 bekämpft wird - darauf, dass einerseits auf die besonderen geografischen Verhältnisse der Bewirtschaftung der V-Alm nicht eingegangen worden sei. Andererseits sei der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Flächen kein Verschulden an den unrichtigen Flächenangaben anzulasten.

Zu einem ähnlich gelagerten Beschwerdevorbringen hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 15. September 2011, Zl. 2011/17/0123, unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der Parteien in Verfahren nach dem AVG bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes ausgesprochen, dass die belangte Behörde ohne konkrete nähere Angaben des Berufungswerbers nicht gehalten ist, das Ergebnis der fachlich kompetenten Überprüfung vor Ort in Zweifel zu ziehen. Die Behörde ist insbesondere nicht gehalten, auf Grund bloßer Vermutungen und ohne weitere konkrete Anhaltspunkte, in welcher Hinsicht die Beurteilung im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle unzutreffend wäre, eine neuerliche Überprüfung durchzuführen. Ein Betriebsinhaber muss somit ausreichend konkret darlegen, auf Grund welcher Umstände das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle von der Behörde nicht hätte verwendet werden dürfen. Die Beschwerdeführerin legt nicht näher dar, inwiefern die Feststellungen der belangten Behörde dem Almleitfaden - auf den diese sich ausdrücklich stützt - widersprechen sollten. Auch der Einwand, es wäre notwendig gewesen, ein Feststellungsverfahren durchzuführen, wie es möglich sei, die angegebene Anzahl von Tieren auf den Flächen weiden zu lassen, wenn tatsächlich nur jene Flächen als Weideflächen vorhanden sein sollten, welche letztlich von der belangten Behörde zugrunde gelegt würden, ist auszuführen, dass es darauf nicht ankommt. Ausgehend von dem von der Behörde herangezogenen Almleitfaden sind die dort festgelegten Kriterien ausschlaggebend, anhand derer die im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle zu überprüfenden Flächen beurteilt werden. Abgesehen davon ist dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, da es die Beschwerdeführerin unterlässt darzulegen, zu welchem anderen Ergebnis die Berücksichtigung dieser Gegebenheiten hätte führen können. Auch wird nicht behauptet, in welchem Ausmaß (Stückzahl) und auf welchen konkreten Flächen die Tiere geweidet haben sollen.

Auch soweit die Beschwerdeführerin allgemein darauf verweist, dass eine exakte Feststellung der Futterfläche insbesondere im Hinblick auf den Überschirmungsgrad anhand der vorliegenden Unterlagen bzw. auf Grund der Schwierigkeiten im steilen Gelände nur schwer möglich gewesen bzw. ein genaueres Ergebnis nicht zu erzielen gewesen wäre und daher kein Verschulden im Sinn des Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 vorliege, kann ihr nicht gefolgt werden.

Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Antragstellerin die Verantwortung für die Richtigkeit der von ihr beantragten Flächenausmaße trifft, wäre es an ihr gelegen, in Zweifelsfällen den Überschirmungsgrad selbst oder durch Beauftragte, allenfalls auch unter Beiziehung von Sachverständigen, zu ermitteln. Selbst wenn dies zu einem nachträglich zu korrigierenden Ergebnis geführt hätte, wäre ein derartiges Bemühen im Zusammenhang mit dem von Art. 73 der erwähnten Verordnung angesprochenen Verschulden zu berücksichtigen gewesen. Dass dies geschehen ist, hat die Beschwerdeführerin aber nicht vorgebracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. 2011/17/0206). Hinsichtlich des Einwandes, dass sie jedes Jahr die Fläche völlig neu ermitteln müsste, weil sich die Überschattung verändere, und eine solche Vorgangsweise unzumutbar sei, ist sie darauf zu verweisen, dass es nicht zweifelhaft sein kann, dass sich Almflächen, was die jeweilige Überschirmung betrifft, verändern können und es Sache des jeweiligen Antragstellers ist, diesen Veränderungen im Rahmen einer korrekten Antragstellung im Lichte der oben dargelegten Grundsätze Rechnung zu tragen.

Soweit sich die Beschwerde für eine Anleitungspflicht der Behörde ausspricht, ist auszuführen, dass eine Manuduktionspflicht der Behörde dahingehend, Antragsteller auf eine zweckmäßige Antragstellung hinzuweisen, nicht besteht. Es ist Sache des jeweiligen Landwirts, die Entscheidung darüber zu treffen, welche Grundflächen er in die Antragstellung miteinbezieht und welche nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2011, Zl. 2007/17/0164). Es liegt daher in der Unterlassung eines solchen Hinweises kein Verfahrensmangel vor.

Unter Hinweis auf Art. 41 der Grundrechte-Charta (im Folgenden GRC) sieht sich die Beschwerdeführerin weiters in dem Grundrecht auf eine gute Verwaltung verletzt, indem ihr zwar mehrfach mitgeteilt worden sei, dass der Verdacht bestehe, die beantragten Flächen würden von den tatsächlich zu berücksichtigenden Flächen abweichen. Dazu habe sie Argumente vorgebracht, warum sie der Ansicht sei, dass die beantragten Flächen von ihr korrekt ermittelt worden seien. Dies könne ihr aber nicht als Verschulden angelastet werden, weil es ein Grundrecht sei, im Rahmen des rechtlichen Gehörs den eigenen Standpunkt verteidigen zu dürfen. Durch die Vorgangsweise der belangten Behörde würde der Förderungswerber, ohne die Möglichkeit sich zu verteidigen, in eine Situation gedrängt werden, sofort den Standpunkt der AMA übernehmen zu müssen, um nicht der Gefahr von Flächensanktionen ausgesetzt zu sein. Dies sei kein faires Verfahren und entspreche nicht den Grundsätzen der ordentlichen Verwaltung. Es widerspreche auch dem Gebot der Waffengleichheit im Sinn des Art. 6 EMRK, weil nicht nachvollziehbar begründet sei, warum nur die von der Behörde ermittelten Flächen richtig sein sollen und schon allein die Verteidigung der Beschwerdeführerin im Sinn eines Verschuldens und im Sinne der Beweislastumkehr ausgelegt werde. Es wäre vielmehr im Rahmen der Anleitungspflicht der Beschwerdeführerin zu erläutern, warum nach Ansicht der Behörde ihre Flächenermittlung richtig sei und warum jene der Beschwerdeführerin unrichtig sein solle.

Seit dem Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 ist die Grundrechte-Charta (ABl. 2007/C 303/01, konsolidierte Fassung ABl. 2010/C 83 S. 389 ff,) durch Art. 6 Abs. 1 EUV den Verträgen rechtlich gleichranging gestellt und daher Teil des Primärrechts der EU.

Durch das Unionsrecht ist jedes Gericht eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union, also auch der Verwaltungsgerichtshof, verpflichtet, uneingeschränkt die Wahrung der unionsrechtlichen Grundrechte, insbesondere der Grundrechte der GRC, sicherzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2013, Zl. 2010/15/0196, mwN).

Art. 41 GRC lautet:

"Recht auf eine gute Verwaltung

1. Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

2. Dieses Recht umfasst insbesondere

a) das Recht jeder Person gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird,

b) das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses,

c) die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

3. Jede Person hat Anspruch darauf, dass die Union den durch ihre Organe und Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gemeinsam sind.

4. Jede Person kann sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union wenden und muss eine Antwort in derselben Sprache erhalten."

Mit Urteil vom 21. November 1991 (Rechtssache C-269/90, TU München, Slg. 1991, I-5469) sprach der EuGH aus, dass dem Recht auf Anhörung nur genügt, wenn der Betroffene die Gelegenheit erhält, in dem Verfahren selbst Stellung zu nehmen und sich zur Relevanz der Sachumstände sowie gegebenenfalls zu den Unterlagen in sachdienlicher Weise zu äußern, auf die das Gemeinschaftsorgan zurückgreift (Rn 25).

Im vorliegenden Fall bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass ihr von der belangten Behörde die Möglichkeit zur Einbringung einer Stellungnahme eingeräumt wurde und sie davon auch Gebrauch machte. Somit wurde die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Anhörung nicht verletzt.

Darüber hinaus geht die Beschwerdeführerin zu Unrecht davon aus, von Seiten der belangten Behörde in eine Situation gedrängt zu werden, den Standpunkt der AMA übernehmen zu müssen.

Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Grundsätze hätte die Beschwerdeführerin im Rahmen der ihr eingeräumten Stellungnahme den Verdacht der belangten Behörde hinsichtlich der Übererklärungen dadurch ausräumen können, indem sie konkrete Ausführungen macht, warum die vom sachverständigen Prüfer der AMA auf Grund von Erfahrungswerten gerechnete Überschirmungsgrade unrichtig gewesen sein sollen. Auch hätte sie nähere Angaben machen können, warum das Ergebnis der fachlich kompetenten Überprüfung vor Ort in Zweifel zu ziehen ist. Die Beschwerdeführerin verwies weitwendig auf Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Flächenausmaße einerseits im Hinblick auf ihre Kompetenzen als Landwirtin, andererseits im Hinblick auf geografische Schwierigkeiten. Wie bereits dargelegt, entbindet dies die Beschwerdeführerin jedoch nicht von der Verantwortung einer korrekten Antragstellung.

Von einer Verpflichtung zur Übernahme des Standpunktes der Behörde durch die Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit kann daher keine Rede sein.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich demnach auch nicht veranlasst, die Anregung der Beschwerdeführerin aufzugreifen und den Gerichtshof der Europäischen Union diesbezüglich mit einem Vorabentscheidungsverfahren im Sinn des Art. 267 EUV zu befassen.

Die Beschwerdeführerin vermeint weiter, dass an den Europäischen Gerichtshof die Frage heranzutragen sei, ob die Beweislastumkehr des Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 mit dem Grundrecht auf eine gute Verwaltung im Sinn des Art. 41 GRC vereinbar sei bzw. die Bestimmung des Abs. 2 des Art. 73 im Lichte des Art. 41 GRC dahingehend zu interpretieren sei, dass der Förderungswerber bereits dann Sanktionen ausgesetzt werde, wenn er versuche, seinen Standpunkt zu verteidigen.

Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, dass sich im Beschwerdefall keine Fragen nach der Auslegung und nach der Gültigkeit von Unionsrecht stellen. Den von der Beschwerdeführerin gestellten Fragen kommt schon aus folgenden Erwägungen keine Entscheidungserheblichkeit zu: Zum einen liegt der von der Beschwerdeführerin angenommene Widerspruch zwischen der in Art. 73 der Verordnung Nr. 1122/2009 normierten Beweislast und der in Art. 41 der GRC enthaltenen Parteienrechte wie Recht auf Anhörung, Akteneinsicht und Begründungspflicht der Behörde, aufgrund des unterschiedlichen Regelungsinhaltes nicht vor. Zum anderen war die Tatsache der schuldhaften Übererklärungen durch die Beschwerdeführerin sanktionsauslösend im Sinne des Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 und nicht "der Versuch der Verteidigung eines Standpunktes".

Aus all diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 7. Oktober 2013

Gerichtsentscheidung

EuGH 62007CJ0555 Kücükdeveci VORAB

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012170236.X00

Im RIS seit

01.11.2013

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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