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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BSVG §2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Mag. H G in W, vertreten durch MMag. Dr. Thomas Mildner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 30. Juli 2013, Zl. BMASK-429702/0001-II/A/3/2013, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid ergibt sich, dass die belangte Behörde mit diesem die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG ab 1. April 2010 festgestellt hat.
Begründend führte die belangte Behörde nach der Darstellung des Verfahrensgangs und der Rechtslage aus, dass der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1998 Alleineigentümer eines näher bezeichneten land(forst)wirtschaftlichen Betriebes sei, für welchen mit rechtskräftigem Bescheid vom 10. Jänner 1996 zum 1. Jänner 1994 ein Einheitswert von "S 15.683,-- (ab 01.01.2002 gerundet EUR 1.100,--)" festgestellt worden sei. Weiters sei er seit 1. April 2010 Alleineigentümer eines weiteren land(forst)wirtschaftlichen Betriebes, für den mit rechtskräftigem Bescheid vom 26. April 1989 ein Einheitswert von "S 12.767,-- (ab 01.01.2002 gerundet EUR 900,--)" festgestellt worden sei. Er führe die Betriebe auf eigene Rechnung und Gefahr, wobei er vorbringe, dass die beiden Betriebe keine organisatorische Einheit bilden würden.
Strittig sei, ob bei der Beurteilung des für die Pensions- und Krankenversicherungspflicht nach dem BSVG maßgeblichen Einheitswerts von EUR 1.500,-- die Einheitswerte mehrerer Betriebe zusammenzuzählen seien oder nicht.
Gemäß § 2 Abs. 2 BSVG bestehe die Pflichtversicherung für die im Abs. 1 Z 1 genannten Personen nur, wenn der nach dem Bewertungsgesetz 1955 festgestellte Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes den Betrag von EUR 1.500,-- erreiche oder übersteige. Auch wenn im Wortlaut dieser Bestimmung lediglich von Betrieb - und nicht von Betrieben - die Rede sei, werde im gleichen Absatz darauf verwiesen, dass § 23 Abs. 3 BSVG entsprechend anzuwenden sei. § 23 Abs. 3 lit. a BSVG normiere, dass, wenn der Pflichtversicherte mehrere land(forst)wirtschaftliche Betriebe führe, bei Bildung des Versicherungswertes gemäß Abs. 2 die Summe der Einheitswerte aller Betriebe als Einheitswert zugrunde zu legen sei. Nur für die - in diesem Verfahren nicht gegenständliche - Frage der Einfach- oder Mehrfachversicherung in der Unfallversicherung nach § 3 BSVG sei maßgebend, ob die land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit in einem eine organisatorische Einheit bildenden Betrieb oder in mehreren Betrieben ausgeübt werde.
Zu Recht würden der Landeshauptmann und die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt auch auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweisen, der ausführe, dass die Versicherungspflicht im Sinn der §§ 2 Abs. 1 Z 1 und 3 Abs. 1 Z 1 BSVG der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen nach § 1 BSVG daran anknüpfe, wer den Betrieb oder die Betriebe auf seine Rechnung und Gefahr führe oder auf wessen Rechnung und Gefahr der Betrieb oder die Betriebe geführt werde bzw. würden, und daher die Rechtsfolgen nach Abs. 1 auch bei Summierung der Einheitswerte mehrerer getrennter Betriebe eintreten lasse.
Nach der Systematik des Gesetzes und dem Zweck der Bestimmung - welche die Versicherungspflicht durch das Anknüpfen am Einheitswert von einem bestimmten Mindestumfang betrieblicher Tätigkeit abhängig machen wolle - ergebe sich somit eindeutig, dass bei mehreren Betrieben, auch wenn sie nicht organisatorisch verbunden seien, die Einheitswerte bei der Beurteilung der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung zusammenzuzählen seien.
Da die Einheitswerte der Betriebe des Beschwerdeführers zusammen den für die Versicherungspflicht maßgeblichen Einheitswert von EUR 1.500,-- überstiegen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes natürliche Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984 (LAG), BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert.
§ 2 Abs. 2 BSVG lautet:
"(2) Die Pflichtversicherung besteht für die im Abs. 1 Z 1 genannten Personen nur, wenn der nach dem Bewertungsgesetz 1955 festgestellte Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes den Betrag von 1 500 Euro erreicht oder übersteigt. Handelt es sich jedoch um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert den Betrag von 1 500 Euro nicht erreicht oder für den von den Finanzbehörden ein Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Vermögens gemäß den §§ 29 bis 50 BewG 1955 nicht festgestellt wird, so besteht die Pflichtversicherung für die betreffenden Personen, vorausgesetzt, dass sie aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten. § 23 Abs. 3 und 5 ist entsprechend anzuwenden. Für die Pflichtversicherung der in den §§ 2a und 2b angeführten Eheleute oder eingetragenen PartnerInnen ist jeweils der gesamte Einheitswert des Betriebes maßgeblich."
§ 23 Abs. 2 und 3 BSVG lautet auszugsweise:
"(2) Der Versicherungswert ist ein Hundertsatz des Einheitswertes des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes. …
(3) Bei Bildung des Versicherungswertes gemäß Abs. 2 sind in den nachstehenden Fällen folgende Werte als Einheitswerte zugrunde zu legen:
a) wenn der Pflichtversicherte mehrere land(forst)wirtschaftliche Betriebe führt, die Summe der Einheitswerte aller Betriebe;
…"
2. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass die Einheitswerte der beiden von ihm geführten Betriebe für die Beurteilung der Pflichtversicherung zusammengezählt worden seien; die Summe der Einheitswerte aller vom Pflichtversicherten geführten Betriebe sei erst bei der Ermittlung des Versicherungswertes zu bilden. Die Zusammenrechnungsbestimmung des § 23 Abs. 3 lit. a BSVG für die Bildung des Versicherungswerts sei gerade deshalb notwendig, weil vom Betriebsbegriff des LAG iVm
§ 34 ArbVG auszugehen sei. Bei gegenteiliger Rechtsansicht würde
§ 23 Abs. 3 lit. a BSVG ins Leere laufen, weil schon auf der Ebene
des § 2 BSVG die Addition vorzunehmen wäre, und dann (im Gegensatz zu einem LAG-Betrieb) von einem "BSVG-Betrieb" auszugehen wäre. Hätte der Gesetzgeber den Verweis auf § 23 Abs. 3 BSVG im Sinn der Rechtsansicht der belangten Behörde verstehen wollen, wäre es naheliegend und gesetzestechnisch einfacher gewesen, in § 2 Abs. 2 BSVG jeweils von "Betrieben" im Plural zu sprechen. Möglicherweise sei der Verweis auf § 23 BSVG auch so zu verstehen, dass eine derartige Summierung überhaupt nur für den Fall der Bestreitung des Lebensunterhaltes aus einem die Versicherungsgrenze von EUR 1.500,-- nicht erreichenden Betrieb stattfinden solle. Es sei jedenfalls nicht zu vermuten, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf die für die Ermittlung des Versicherungswerts geltende Zusammenrechnungsvorschrift des § 23 BSVG die logische Prüfungsreihenfolge (Feststellung der Pflichtversicherung - Errechnung des Versicherungswertes - Berechnung der Beiträge) ins Gegenteil verkehren habe wollen (Errechnung eines Versicherungswertes - Feststellung der Pflichtversicherung - Berechnung der Beiträge). Es sei auch inkonsistent, dass die Beiträge für die Unfallversicherung für beide Betriebe getrennt vorgeschrieben worden seien.
Außerdem regt der Beschwerdeführer einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof an: Ausgehend davon, dass die Verwaltungsbehörden § 2 Abs. 2 BSVG richtig ausgelegt hätten, wäre diese Bestimmung als so unpräzise zu bezeichnen, dass sie nicht tauglich sei, ein gesetzmäßiges Handeln der Verwaltung zu ermöglichen und die Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns zu gewährleisten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb in der Unfallversicherung - im Unterschied zur Kranken- und Pensionsversicherung - die Pflichtversicherung bezogen auf jeden einzelnen Betrieb festgestellt werde.
3. Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Indem in § 2 Abs. 2 BSVG auf § 23 Abs. 3 und 5 BSVG verwiesen wird, kommt eindeutig zum Ausdruck, dass die dort normierten Regeln für die Berechnung des maßgeblichen Einheitswerts schon bei der Beurteilung der Pflichtversicherung gelten. Darin liegt weder eine Abkehr vom Betriebsbegriff des LAG, noch bewirkt es eine Umkehr der Prüfreihenfolge: Gerade weil an den Betriebsbegriff des LAG angeknüpft wird, ist eine Regelung erforderlich, die schon bei der Ermittlung der Versicherungsgrenze sicherstellt, dass Personen nicht allein wegen der Aufsplitterung der auf ihre Rechnung und Gefahr geführten Betriebe aus der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung fallen. Zu prüfen ist dabei immer zuerst das Vorliegen der Pflichtversicherung. Bei der Prüfung der Frage, ob der für die Pflichtversicherung erforderliche Mindesteinheitswert von EUR 1.500,-- erreicht wird, ist aber nach § 2 Abs. 2 BSVG auch § 23 Abs. 3 "entsprechend anzuwenden". Es sind demnach auch in diesem Zusammenhang - und nicht nur zur Ermittlung des Versicherungswertes als Beitragsgrundlage - die Einheitswerte mehrerer Betriebe zu addieren.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Einheitswerte der unstrittig auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführten Betriebe zusammengezählt und ausgehend davon seine Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG bejaht. Dass es sich um eigenständige Betriebe gehandelt hat, hat sie dabei nicht in Abrede gestellt, sodass das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere geht.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken dahingehend, dass § 2 Abs. 2 BSVG im Hinblick auf Art. 18 B-VG nicht ausreichend präzise wäre. Soweit der Beschwerdeführer andeutet, die Regelung könnte unsachlich sein, weil für die Beurteilung der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung keine Zusammenrechnung der Einheitswerte verschiedener Betriebe erfolgt, ist ihm entgegenzuhalten, dass im System des BSVG die Kranken- und Pensionsversicherung einerseits und die Unfallversicherung andererseits nicht vergleichbar sind, weil die Unfallversicherung insgesamt eine eigenständige, in sich sachliche Regelung erfahren hat, die sich insbesondere durch die wesentlich niedrigere Versicherungsgrenze (§ 3 Abs. 2 BSVG: Einheitswert von EUR 150,--) und die Bildung eines Betriebsbeitrags (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2013, Zl. 2012/08/0064, Punkt 4. der Entscheidungsgründe) von jener der Kranken- und Pensionsversicherung unterscheidet. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht zu der angeregten Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst.
4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen. Wien, am 9. Oktober 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013080197.X00Im RIS seit
01.11.2013Zuletzt aktualisiert am
21.02.2014