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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AHG 1949 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des R D in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Stutterheimstraße 16-18, Stg. 2, OG 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid des Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 6. Mai 2013, Zl. 2013-0566-9-000882, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:
Der Beschwerdeführer bezog seit dem 16. August 2012 Arbeitslosengeld. Es wurde ihm mitgeteilt, dass die Bezugsdauer mit 2. Jänner 2013 enden würde. Vom 20. Dezember 2012 bis zum 4. Jänner 2013 bezog er Krankengeld, wodurch sich die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes bis zum 18. Jänner 2013 verlängerte. Nach Ende des Krankengeldbezuges sprach der Beschwerdeführer am 7. Jänner 2013 bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS vor. Bei dieser Gelegenheit wurden in die Meldekarte ein Kontrollmeldetermin für die Antragsausgabe am 21. Jänner 2013 und ein weiterer Termin für den 14. Februar 2013 eingetragen.
Die nächste persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers erfolgte am 7. Februar 2013. An diesem Tag wurde ihm ein neuer Antrag ausgefolgt.
In der Folge wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS vom 15. Februar 2013 Notstandshilfe ab 7. Februar 2013 zuerkannt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er zunächst einen Termin für den 21. Jänner 2013 gehabt habe, der aus ihm nicht bekannten Gründen auf den 14. Februar 2013 geändert worden sei; der Termin für den 21. Jänner sei durchgestrichen worden. Er sei darüber verwundert gewesen und habe gefragt, ob dies für die Beantragung der Notstandshilfe noch rechtzeitig sei, was bejaht worden sei. Am 7. Februar 2013 habe er festgestellt, dass das AMS ihm zu wenig Geld überwiesen habe. Auf seine Nachfrage sei ihm mitgeteilt worden, dass das Arbeitslosengeld "ausgelaufen" sei. Am selben Tag habe er persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen und Notstandshilfe beantragt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Die zuständige Mitarbeiterin der regionalen Geschäftsstelle habe gegenüber der belangten Behörde angegeben, sie könne ausschließen, dass sie einen Termin durchgestrichen habe; sie bestreite auch, dass der Beschwerdeführer nachgefragt habe, ob der Termin 14. Februar 2013 rechtzeitig sei. Von der belangten Behörde sei festgestellt worden, dass sowohl der Termin am 21. Jänner 2013 als auch jener am 14. Februar 2013 in den EDV-Aufzeichnungen des AMS aufschienen. An der Richtigkeit der Aussage der Mitarbeiterin der regionalen Geschäftsstelle bestünden keine Zweifel. Zum einen habe sie beim Termin am 21. Jänner 2013 die Uhrzeit ausgebessert, was unnötig gewesen wäre, wenn sie den Termin durchgestrichen hätte; zum anderen sei es unmöglich, dass sie auf die Frage, ob die Antragstellung am 14. Februar 2013 rechtzeitig sei, mit "ja" geantwortet habe, weil sie aus Anlass einer solchen Frage sofort die restliche Bezugsdauer überprüft und festgestellt hätte, dass der letzte Tag der Bezugsdauer der 18. Jänner 2013 sei.
Eine rückwirkende Geltendmachung sei nur im Fall des Vorliegens eines Verschuldens des AMS möglich. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Notstandshilfe gebühre somit erst ab dem Tag der persönlichen Geltendmachung am 7. Februar 2013.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 46 Abs. 1 AlVG ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat.
Diese Bestimmung ist gemäß § 58 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 17 Abs. 1 AlVG gebührt das Arbeitslosengeld (bzw. iVm § 38 AlVG die Notstandshilfe) - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - ab dem Tag der Geltendmachung.
§ 17 Abs. 4 AlVG hat folgenden Wortlaut:
"(4) Ist die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung auf einen Fehler der Behörde, der Amtshaftungsfolgen auslösen kann, wie zum Beispiel eine mangelnde oder unrichtige Auskunft, zurück zu führen, so kann die zuständige Landesgeschäftsstelle die regionale Geschäftsstelle amtswegig unter Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten in einem Amtshaftungsverfahren zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt, ab dem die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorliegen, ermächtigen."
2. Die Beschwerde führt aus, dass selbst der von der belangten Behörde festgestellte frühere Termin für die persönliche Meldung erst nach dem Ende der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gelegen sei. Dem Beschwerdeführer sei daher die rechtzeitige Beantragung von Notstandshilfe durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Fehlverhalten der Behörde unmöglich gemacht worden. Die zuständige Behörde hätte dem Beschwerdeführer einen Termin vor dem Ende der Bezugsdauer am 18. Jänner 2013 zuteilen müssen. Angesichts dessen solle der Verwaltungsgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung überdenken, wonach der durch ein solches Verhalten der Behörde Geschädigte auf Amtshaftungsansprüche verwiesen sei und kein Rechtsanspruch auf die Ausübung der Ermächtigungsbefugnis nach § 17 Abs. 4 AlVG bestehe.
3. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalls nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen.
Danach stellt § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen dar. Infolge dieser abschließenden Normierung ist der Arbeitslose sogar in jenen Fällen, in denen er auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, der durch Anwendung des § 46 AlVG nicht abgewendet werden kann, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2004/08/0006, mwN). § 17 Abs. 4 AlVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2010, zuvor § 17 Abs. 3 AlVG) ermöglicht es der zuständigen Landesgeschäftsstelle unter den dort näher genannten Voraussetzungen zwar, die regionale Geschäftsstelle zwecks Abwendung eines Amtshaftungsanspruches amtswegig zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt zu ermächtigen, auf die Ausübung dieser Ermächtigungsbefugnis besteht jedoch kein Rechtsanspruch (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2013, Zl. 2012/08/0284, mwN). Schon die Textierung der genannten Bestimmung lässt erkennen, dass sie eine Ermächtigungsnorm im Verhältnis der Landesgeschäftsstelle zur regionalen Geschäftsstelle darstellt und sich nicht unmittelbar an die arbeitslose Person richtet. Insofern ist § 17 Abs. 3 AlVG an systematisch falscher Stelle eingefügt worden, da mit § 17 Abs. 3 (nunmehr Abs. 4) AlVG kein Anspruch der arbeitslosen Person gegenüber dem Arbeitsmarktservice geschaffen werden sollte. Eine Rechtsschutzlücke entsteht dadurch nicht, da es der arbeitslosen Person - wie schon vor der Einfügung des § 17 Abs. 3 AlVG - weiterhin möglich ist, durch das Arbeitsmarktservice schuldhaft verursachte Schäden im Amtshaftungsweg geltend zu machen (vgl. das hg. Ekenntnis vom 12. September 2012, Zl. 2009/08/0290, mwN).
4. Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am 9. Oktober 2013
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013080186.X00Im RIS seit
01.11.2013Zuletzt aktualisiert am
05.08.2015