TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/10 2013/18/0123

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Veröffentlicht am 10.10.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §52 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs2 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs2 Z2 idF 2011/I/038;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SA in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Juni 2013, Zl. UVS-FRG/50/9806/2011-7, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. März 2011 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG - in der vor dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, weil er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte.

Am 7. März 2011 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG insofern Folge, als die Dauer des verhängten "Aufenthaltsverbots" 18 Monate betrage; im Übrigen wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Die belangte Behörde begründete dies nach Darstellung des Gangs des Verwaltungsverfahrens und Wiedergabe des Inhalts der Berufung auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Bestimmung des § 31 FPG mangels Aufenthaltstitels unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodass gemäß den §§ 52, 53 FPG (in der Fassung des FrÄG 2011) mit Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot vorzugehen sei. Sie begründete ferner näher, weshalb auf Grund der fehlenden ausreichenden Unterhaltsmittel vom Beschwerdeführer eine Gefährdung öffentlicher Interessen ausgehe und auch seine bestehenden privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegenstünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, erwogen hat:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das FPG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am 15. Juli 2013) geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 68/2013, zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass gegen ihn als Asylwerber weder ein Aufenthaltsverbot noch eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot hätte erlassen werden dürfen, sondern lediglich ein Rückkehrverbot. Ein solches könne jedoch nicht wegen Mittellosigkeit ausgesprochen werden.

Nach der dargestellten Begründung des angefochtenen Bescheides ist evident, dass die belangte Behörde - ungeachtet der missverständlichen Formulierung im Spruch - kein Aufenthaltsverbot, sondern gemäß dem von ihr anzuwendenden FPG in der Fassung des FrÄG 2011 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG in Verbindung mit einem Einreiseverbot in der Dauer von 18 Monaten gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z 6 FPG erlassen hat (siehe zur richtigen Vorgangsweise in Übergangsfällen das Erkenntnis vom 14. Juni 2012, Zl. 2011/21/0278).

Die Beschwerde ist aber mit dem dagegen vorgetragenen Einwand im Recht:

Gemäß § 1 Abs. 2 zweiter und dritter Satz FPG ist ein vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrags als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbots weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen.

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 14 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, ist Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten (auszugsweise):

"Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. ...

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

...

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht

nachzuweisen vermag, es sei denn, er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;

...

Rückkehrverbot gegen Asylwerber

§ 54. (1) Gegen einen Asylwerber ist ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. §§ 12 und 13 AsylG 2005 gelten.

(2) Bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 gelten.

…"

Wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, war das Asylverfahren des Beschwerdeführers bei Erlassung des hier angefochtenen Bescheides vor dem Asylgerichtshof noch anhängig.

Entsprechend den oben wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen wäre gegen den Beschwerdeführer als Asylwerber gemäß § 54 Abs. 1 FPG ausschließlich ein Rückkehrverbot in Betracht gekommen (vgl. grundlegend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0042, zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor dem FrÄG 2011). § 54 Abs. 2 FPG, in dem die Tatbestände aufgezählt sind, die die Annahme rechtfertigen, der (weitere) Aufenthalt des Asylwerbers würde die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen (Z 2), verweist zudem - wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt - nicht auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG. Der fehlende Nachweis des Besitzes (ausreichender) Mittel zum Unterhalt hätte daher auch keinen Grund für die Erlassung eines Rückkehrverbots gegen einen Asylwerber dargestellt.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. Oktober 2013

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013180123.X00

Im RIS seit

31.10.2013

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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