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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §819;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der A P in K, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. eines Antrages auf Arbeitsplatzbewertung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen unter Zugrundelegung folgender Rechtsanschauung zu erlassen:
1. Die Beschwerdeführerin ist in das von GP anhängig gemachte Verfahren zur Arbeitsplatzbewertung eingetreten.
2. Die belangte Behörde ist im fortzusetzenden Verfahren an die im hg. Erkenntnis vom 23. November 2011, Zl. 2010/12/0071, zum Ausdruck gebrachte Rechtsaufassung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.
3. Bei Zutreffen des von der belangten Behörde in ihrer Eingabe vom 8. Mai 2013 erstatteten Vorbringens wäre davon auszugehen, dass ein Amtssachverständiger im Verständnis des § 52 Abs. 2 erster Satz AVG "nicht zur Verfügung steht". Eine notwendige Erstattung bzw. Ergänzung des Gutachtens hat diesfalls durch einen nichtamtlichen Sachverständigen zu erfolgen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auch auf das hg. Erkenntnis vom 23. November 2011, Zl. 2010/12/0071, sowie die dort zitierten Vorerkenntnisse verwiesen.
Bei der dort beschwerdeführenden Partei handelte es sich um den (nach der Aktenlage vom 1. Juli 2002 bis zu seinem Ableben) als Oberst in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund gestandenen GP (im Folgenden: GP).
Dieser hatte am 16. Dezember 1998 die bescheidmäßige Feststellung der Wertigkeit seines Arbeitsplatzes beantragt.
Mit einem insoweit in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. März 2002 wurde festgestellt, dass dieser Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe M BO 2 zuzuordnen ist (vgl. hiezu insbesondere den Spruch des hg. Erkenntnisses vom 9. Juni 2004, Zl. 2002/12/0163).
Mit dem eingangs zitierten hg. Erkenntnis vom 23. November 2011 wurde ein weiterer Bescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 2010, mit welchem festgestellt wurde, dass der in Rede stehende Arbeitsplatz des Beschwerdeführers der Funktionsgruppe 6 innerhalb der Verwendungsgruppe M BO 2 zuzuordnen sei wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Mit der vorliegenden, am 31. Oktober 2012 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung des von GP am 16. Dezember 1998 gestellten Antrages geltend.
Sie bringt vor, sie sei Witwe und Alleinerbin des am 15. Dezember 2011 verstorbenen GP. Mit Eingabe vom 21. Februar 2012 habe sie der belangten Behörde bekannt gegeben, dass sie in das gegenständliche Dienstrechtsverfahren eintrete.
GP habe den oben angeführten Arbeitsplatz schon während seiner Zugehörigkeit zum Besoldungsschema Beamter der Verwendungsgruppe H2 innegehabt. Entsprechend seiner Optionserklärung sei er mit 1. Jänner 1998 in die Verwendungsgruppe M BO 2 übergeleitet worden. Bei richtiger Bewertung wäre der in Rede stehende Arbeitsplatz innerhalb der Verwendungsgruppe M BO 2 der Funktionsgruppe 9 zuzuordnen gewesen.
Mit Verfügung vom 14. November 2012, Zl. 2012/12/0148-3, leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren über die Säumnisbeschwerde ein.
Er stellte diese der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG mit der Aufforderung zu, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und ihm eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an die Beschwerdeführerin vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Die Zustellung dieser Verfügung an die belangte Behörde erfolgte am 20. November 2012.
Ein Telefonat der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes mit einer Vertreterin der belangten Behörde vom 31. Jänner 2013 ergab, dass zu diesem Zeitpunkt der Bescheid noch nicht erlassen wurde. Seitens der Vertreterin der Behörde wurde angekündigt, dass der Bescheid entweder noch fristgerecht erlassen werde oder aber ein Fristerstreckungsantrag gestellt würde. Es stünden momentan "nicht genügend Juristen" zur Verfügung.
In der Folge erfolgte weder eine Mitteilung über die Bescheidnachholung noch ein Fristerstreckungsantrag oder eine Aktenvorlage durch die belangte Behörde.
Daraufhin forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde mit Verfügung vom 11. März 2013 unter neuerlichem Hinweis auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG auf binnen 3 Wochen, entweder einen mittlerweile erlassenen Bescheid in Abschrift vorzulegen oder die Akten des Verwaltungsverfahrens zu übersenden.
Die Zustellung dieser Verfügung an die belangte Behörde erfolgte am 14. März 2013.
Mit Eingabe vom 8. Mai 2013 übermittelte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof die Akten des Verwaltungsverfahrens und erstatte folgendes Vorbringen:
"Aufgrund des bisherigen Verfahrensverlaufes,
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dreimalige Säumnisbeschwerde;
-
dreimalige Erlassung eines Feststellungsbescheides;
-
dreimalige Behebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH);
der langen Verfahrensdauer (seit 2002) und der Unmöglichkeit zur Erlangung eines aktuellen und den Ansprüchen des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Gutachtens wird von der neuerlichen Erlassung eines Bescheides Abstand genommen und werden stattdessen die Verwaltungsakten an den VwGH übermittelt.
Trotz der im Erkenntnis vom 20. Mai 2008 angeführten, aus Sicht des VwGH gravierenden Mängel des Gutachtens und dementsprechendem Ersuchen des BMLVS um Ergänzung/Neuerstellung des Gutachtens hatte das Bundeskanzleramt bereits mit dem Schreiben vom 03. April 2009 mitgeteilt, dass die Erstellung eines neuen Gutachtens nicht möglich sei. Das Bundeskanzleramt führte dazu aus, die Rechtsansicht des VwGH nicht zu teilen und gab lediglich weitere Details zur Berechnungsmethode bekannt.
Der nachfolgende neuerliche Feststellungsbescheid vom Februar 2010 musste von BMLVS wiederum unter Zugrundelegung des bereits bemängelten - und rechtlich veralteten - Gutachtens des Bundeskanzleramtes erlassen werden und wurde dementsprechend durch den VwGH unter Verweis auf die bereits im zuvor Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht behoben.
BMLVS erachtet sich daher in Zusammenschau mit oben Gesagtem außer Stande, einen - der Rechtsansicht des VwGH einerseits und den gesetzlichen Vorgaben andererseits - rechtskonformen Bescheid zu erlassen. Die Zugrundelegung des veralteten Rechtsgutachtens - ein neues Rechtsgutachten wird seitens BKA nicht erstellt - wird zu keinem anderen Ergebnis führen, als die Erlassung von bisher seitens der Dienstbehörde erlassener gleichlautender Bescheide, die jeweils zur Aufhebung durch den VwGH geführt haben. BMLVS übermittelt daher in einem die Vorakte an den VwGH mit dem Ersuchen um weitere Veranlassung."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur maßgeblichen Rechtslage wird auf deren Wiedergabe im hg. Erkenntnis vom 23. November 2011, Zl. 2010/12/0071, verwiesen.
Durch Ablauf der (erstreckten) Frist gemäß § 36 Abs. 2 VwGG ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Februar 2012 auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. Nach § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Art. 132 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der dadurch festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.
1. Zu der unter Spruchpunkt 1. überbundenen Rechtsauffassung:
Der Verwaltungsgerichtshof geht aufgrund der von der belangten Behörde unbestritten gebliebenen Angaben der Beschwerdeführerin sowie aufgrund der in den Verwaltungsakten erliegenden Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Krems an der Donau, Zl. 18 A 409/11 p-5 davon aus, dass die Beschwerdeführerin eingeantwortete Alleinerbin nach GP ist. Bei einer Gesamtrechtsnachfolge tritt der Gesamtrechtsnachfolger (insbesondere Erbe), wenn es sich bei dem relevanten Recht (Pflicht) um ein solches handelt, das übertragen werden kann (also kein höchstpersönliches ist), auch verfahrensrechtlich in die Position ein, in der sich auch der Rechtsvorgänger befunden hat. Diese Lösung ergibt sich aus dem System der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. hizu. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 RZ 487). Im Hinblick auf die Auswirkung des hier anhängigen Verfahrens zur Bewertung des Arbeitsplatzes des GP auf vermögensrechtliche Ansprüche ist der mit den gegenständlichen Anträgen geltend gemachte Feststellungsanspruch kein höchstpersönlicher des GP, sodass die Beschwerdeführerin in das Antragsverfahren eingetreten ist.
2. Zu der unter Spruchpunkt 2. überbundenen Rechtsansicht:
Dazu genügt es auf § 63 Abs. 1 VwGG zu verweisen, wonach - im Falle der Stattgebung einer Beschwerde - die Veraltungsbehörden verpflichtet sind, in dem betreffenden Fall mit denen ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Im Hinblick auf die unter
1. erstatteten Ausführungen erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des hg. Erkenntnisses vom 23. November 2011 nunmehr auch auf die als Partei eingetretene Beschwerdeführerin.
3. Zu der oben unter Spruchpunkt 3. überbundenen Rechtsansicht:
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass bei Zutreffen des Vorbringens der belangten Behörde in ihrer Eingabe vom 8. Mai 2013 die Weigerung der zuständigen Bewertungssachverständigen des Bundeskanzleramtes ein neues Gutachten zu erstellen mangels effizienter Abhilfemöglichkeit der belangten Behörde dazu führt, dass ihr im vorliegenden Verfahren zur Bewertung des Arbeitsplatzes im Verständnis des § 52 Abs. 2 AVG "Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen". Erweist sich dessen ungeachtet eine Begutachtung als erforderlich, so sind ausnahmsweise nichtamtliche Sachverständige heranzuziehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 55 VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 14. Oktober 2013
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012120148.X00Im RIS seit
04.11.2013Zuletzt aktualisiert am
26.04.2018