TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/15 2012/02/0032

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Veröffentlicht am 15.10.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

MRK Art6 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Ing. Mag. Andreas Gartner, Rechtsanwalt in 4300 St. Valentin, Langenharter Straße 30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 16. Dezember 2011, Zl. Senat-AM-11-0288, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 2011 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe sich am 7. Mai 2011 um 02.15 Uhr an einem näher genannten Ort (Wohnräumlichkeit) nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei habe vermutet werden können, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt und Ort ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Er habe dadurch eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 500 Stunden) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Zeuge M. O. habe am 7. Mai 2011 in S. im Bereich der S.-Straße beobachten können, dass sich der Beschwerdeführer seinem Fahrzeug zu Fuß genähert habe. Am Weg zu diesem sei der Beschwerdeführer über einen Randstein gestolpert, ohne jedoch zu Fall zu geraten. Der Beschwerdeführer sei schließlich zu seinem Fahrzeug gelangt und mit diesem davongefahren. Der Zeuge M. O. habe beschlossen, nachdem er selbst sein Fahrzeug nicht verlassen habe, dem Fahrzeug des Beschuldigten zu folgen. Unmittelbar darauf habe er die Polizei verständigt und dieser über seine Beobachtungen berichtet.

Die Bezirksleitzentrale habe die Streife mit der Besetzung AI H. und GI G. verständigt. AI H. habe telefonisch mit dem Zeugen M. O. Kontakt aufgenommen und ihn ersucht, dem Fahrzeug des Beschwerdeführers weiter zu folgen. Der Zeuge M. O. habe sodann beobachtet, dass der Beschwerdeführer zu seinem Haus in Schlangenlinien gefahren und dabei auch ins Bankett gekommen sei. Letztlich habe er noch gesehen, dass der Beschwerdeführer zum Haus T. 10 zugefahren sei; der Zeuge habe in weiterer Folge gewendet und sei davongefahren.

Nachdem die Polizei zwischenzeitig ausfindig gemacht habe, dass Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Fahrzeuges der Beschwerdeführer gewesen sei, habe sie sich ebenfalls bereits dem Wohnsitz des Beschwerdeführers genähert.

Der Beschwerdeführer habe sein Auto vor dem Haus abgestellt und sei in das Haus hineingegangen. Nach seinen eigenen Angaben sei er zuerst in das Obergeschoß gegangen und in weiterer Folge wieder in die Küche, welche sich im Untergeschoß befinde. Dort habe er sich noch eine Kleinigkeit zu Essen zubereiten wollen.

Als die Polizei in T. 10 angekommen sei, habe sie das Fahrzeug des Beschwerdeführers vor dem Haus erkannt. Der Motor sei kalt, der Auspuff jedoch sei "temperiert" gewesen. Die Außenbeleuchtung im Bereich des Einganges sei aktiviert worden. Die Polizeibeamten hätten ihr Fahrzeug ohne Blaulicht abgestellt und sich dann der Eingangstür des Hauses genähert. Nachdem auf ihr Läuten niemand reagiert habe, hätten sie erkennen können, dass links außen zwei Fenster innen beleuchtet gewesen seien, wobei das hinterste Fenster auch geöffnet gewesen sei. Die Beamten seien zu diesem Fenster gegangen und hätten dabei Beschwerdeführer im Raum wahrnehmen können. Das Fenster sei gekippt gewesen, Seitenteil-Vorhänge seien nicht zugezogen gewesen, ein Store sei zwar (möglicherweise) vorhanden gewesen, habe die Beamten jedoch nicht gehindert, den Beschwerdeführer im Inneren eindeutig wahrzunehmen und zu erkennen. Es sei nicht nur der Raum innen beleuchtet, sondern auch die Außenbeleuchtung an gewesen, weshalb es im Außenbereich auch nicht stockfinster gewesen sei.

GI G. habe an das geöffnete Fenster geklopft. Der Beschwerdeführer habe dies wahrgenommen und sich zu den Beamten gedreht. Er habe sich dem Fenster genähert. Die Polizisten hätten sich durch Ausrufe von "Polizei" eindeutig als solche zu erkennen gegeben und seien zudem entsprechend uniformiert gewesen. Auf die Frage des Polizeibeamten G. an den Beschwerdeführer, ob er gerade mit dem Auto gefahren sei, habe dieser bejahend genickt. Daraufhin habe ihn der Polizeibeamte mit dem Worten "Ich fordere Sie zu einem Alkotest auf" zu einem solchen aufgefordert. Seine Verweigerung habe der Beschwerdeführer durch ein für beide Polizeibeamte deutlich wahrzunehmendes verneinendes Kopfschütteln zu erkennen gegeben. Der Beschwerdeführer habe sich unter das Niveau des Fensterbrettes geduckt und schließlich auf allen Vieren den Raum verlassen. Der Polizeieinsatz sei beendet worden.

Die belangte Behörde sei zu diesen Feststellungen gelangt, weil die Aussagen der Zeugen GI G., AI H. und M. O. stimmig und glaubwürdig seien. Demgegenüber seien die Behauptungen des Beschwerdeführers unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar. Aufgrund der Art und Weise, wie der Beschwerdeführer einerseits vom Zeugen M. O. als stolpernd und dann bei seiner Fahrt in Schlangenlinien und ins Bankett kommend und andererseits von den Polizeibeamten schwankend in der Küche des Wohnhauses T. 10 habe beobachtet werden können, sei er verdächtig gewesen, dass er in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt habe.

Im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO 1960 seien die Beamten daher berechtigt gewesen, den Beschwerdeführer aufzufordern, sich einer Untersuchung der Atemluft zu unterziehen. Genau diese Aufforderung sei durch die Beamten auch in aller Deutlichkeit erfolgt. Für den Beschwerdeführer sei diese Aufforderung wahrnehmbar gewesen und er habe sie auch tatsächlich wahrgenommen. Wahrnehmbar sei sie deshalb gewesen, weil die Polizeibeamten über ein geöffnetes Fenster mit dem Beschwerdeführer kommuniziert hätten, von welchem sich dieser in nur etwa 1 m Entfernung befunden habe. Dass er die Aufforderung tatsächlich wahrgenommen habe, könne der allgemeinen Lebenserfahrung folgend aus dessen Reaktion, nämlich dem verneinenden Kopfschütteln sowie dem Wegkriechen auf allen Vieren ohne Zweifel festgestellt werden.

Festgehalten werde auch, dass die Zeugin S. W. nicht habe beobachten können, ob das Küchenfenster zum Tatzeitpunkt geöffnet oder geschlossen gewesen sei oder ob die Seitenteil-Vorhänge zugezogen oder zur Seite gezogen gewesen seien, weil sie zu diesem Zeitpunkt geschlafen habe. Von der beantragten Einholung eines meteorologischen Gutachtens sowie der Durchführung eines Lokalaugenscheines werde von der belangten Behörde Abstand genommen, weil es sich hierbei um unzulässige Erkundungsbeweise handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht wird. Ferner beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde halte im angefochtenen Bescheid bei Wiedergabe der Aussage des Zeugen AI H. fest, dass "... dieser Auspuff noch warm" gewesen sei. In den Feststellungen werde der Zustand des Auspuffes jedoch aktenwidrig mit dem unbestimmten Begriff "temperiert" bezeichnet, aus dem nicht annähernd abgeleitet werden könne, welche Temperatur der Auspuff wirklich gehabt habe. Somit bleibe ein wesentliches Kriterium, welches erforderlich sei, um festzustellen, ob das gegenständliche Kraftfahrzeug erst vor kurzem in Betrieb gewesen oder bereits länger gestanden sei, unbestimmbar. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Kriterium unterbleibe außerdem völlig. Die Frage, ob zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei beim Wohnsitz des Beschwerdeführers überhaupt ein hinreichender Verdacht bestanden habe, diesen zum Alkotest aufzufordern, könne damit nicht geklärt werden.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht die Wesentlichkeit des gerügten Verfahrensmangels dazutun, zumal jedenfalls noch ein "erwärmter" Zustand des Auspuffs durch den Zeugen feststellbar war und damit im Zusammenhang mit den der Polizei bekannt gewordenen Beobachtungen des Zeugen M. O. sowie der von den Beamten auch wahrgenommenen Zustimmung des Beschwerdeführers auf die Frage, ob er mit dem Fahrzeug gefahren sei, sehr wohl der begründete Verdacht gegeben war, dass der Beschwerdeführer in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand kurz zuvor sein Fahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe. Die einschreitenden Beamten haben daher auch zu Recht an den Beschwerdeführer die Aufforderung zur Ablegung eines Tests des Atemalkoholgehaltes gerichtet.

In der Beschwerde wird ferner gerügt, die Zeugen GI G. und AI H. hätten das gegenständliche Fenster als "gekippt" bezeichnet. Aktenwidrig und zum Nachteil des Beschwerdeführers werde das Fenster in den Feststellungen als "geöffnet" bezeichnet, wodurch der Eindruck einer besseren Verständlichkeit vor dem Fenster gesprochener Worte entstehen könne. Tatsächlich hätte sich die Behörde in diesem heiklen Punkt mit der faktischen Hörbarkeit genau auseinandersetzen müssen, weil von der Hörbarkeit der polizeilichen Aufforderung zur Atemluftkontrolle die Tatbestandsmäßigkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens unmittelbar abhänge. Die Aktenwidrigkeit beziehe sich somit auf wesentliche Tatsachen, weil bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften die Behörde zu einem anderen, nämlich für den Beschwerdeführer günstigeren Beweisergebnis hätte kommen können.

Auch mit diesem Vorbringen wird kein wesentlicher Verfahrensmangel aufgezeigt, zumal der Beschwerdeführer nach der Aufforderung durch sein gesamtes Verhalten eindeutig und unmissverständlich zu erkennen gab, dass er nicht gewillt war, dieser Aufforderung nachzukommen. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach die Aufforderung der Beamten für den Beschwerdeführer wahrnehmbar gewesen und von diesem auch wahrgenommen worden sei, begegnet daher keinen Bedenken.

Die vom Beschwerdeführer gerügte unterlassene Durchführung eines Ortsaugenscheins läuft auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, zumal die Wahrnehmbarkeit der Aufforderung durch andere Beweismittel (insbesondere durch die Aussage des GI G.) geklärt werden konnte. Nach dessen Aussage sei der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Aufforderung beim Fenster gestanden und habe auf die Aufforderung hin "nein" gedeutet. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers nach der durch das gekippte Fenster erfolgten Aufforderung wurde auch vom Zeugen AI H. bestätigt. Weshalb die diesen übereinstimmenden Aussagen folgende Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig sein sollte, vermag der Beschwerdeführer im Hinblick auf das von den Zeugen wahrgenommene situationsbezogene Verhalten des Beschwerdeführers nicht einsichtig darzulegen.

Auch ist es für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, weshalb die gerügte unterlassene Beschaffung von Lichtbildern der Bezirkshauptmannschaft A., aus denen hervorgehen solle, dass sich am Bankett der gegenständlichen Straße keine Reifenspuren befunden hätten, die zum Reifenprofil des Fahrzeugs des Beschwerdeführers passen würden, wesentlich sein sollte, zumal es angesichts des vom Zeugen M. O. kurz vor dem Zeitpunkt der Aufforderung wahrgenommenen Lenkens eines Fahrzeugs durch den Beschwerdeführer auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr (Fahren in Schlangenlinien etc.) auch nicht darauf ankam, ob der Beschwerdeführer dabei tatsächlich auf das Bankett der Straße geriet.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen, weil der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung einer Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, einem Tribunal im Sinne der MRK, angerufen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. August 2009, Zl. 2009/02/0131, mwN).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. Oktober 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012020032.X00

Im RIS seit

07.11.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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