TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/15 2010/02/0169

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2013
beobachten
merken

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie den Hofrat Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch die Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Heumarkt 9/I/11, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 1. September 2009, Zlen. MA 65- 1456/2009 und MA 65-1458/2009, betreffend Versagung von Ausnahmebewilligungen nach § 45 StVO 1960 (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, vom 30. März 2009 wurde unter Spruchpunkt 1. der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. Juli 2007, soweit er sich (betreffend einen ca. 18 m langen "Bummelzug", bestehend aus einer Lokomotive und drei Waggons) auf eine Ausnahmebewilligung gemäß § 45 StVO 1960 (Punkt II: Ansuchen um Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 StVO) für nachstehend genannte Verkehrsverbote bzw. -gebote bezieht

a)

rechts einbiegen von der Ringstraße auf den Heldenplatz,

b)

Befahren des Fußgängerbereiches "Herbert-von-Karajan-Platz" hinter dem Kartenverkaufsstand und zwar zwischen der Zufahrtsrampe zur Tiefgarage und den dort aufgestellten Blumenkisten,

              c)              in eventu rechts einbiegen von der Ringstraße in die Nebenfahrbahn vor der Staatsoper sowie Befahren des Gehsteiges unmittelbar vor der Staatsoper,

              d)              in eventu rechts einbiegen von der Ringstraße in die Nebenfahrbahn vor der Staatsoper,

gemäß § 45 StVO 1960 abgewiesen.

Unter Spruchpunkt 2. dieses Bescheides wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. April 2008 auf Bewilligung von Ein- und Ausstiegsstellen, und damit verbunden auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von Verkehrsverboten bzw. -geboten, in nachstehend genannten Örtlichkeiten

              a)              "Heldenplatz" Variante 1 (in Fahrtrichtung "Innere Stadt" gesehen auf der rechten Straßenseite gegenüber der Autobushaltestelle der Linie 2A Richtung stadtauswärts),

              b)              in eventu "Heldenplatz" Variante 2 (in Fahrtrichtung "Ring" gesehen auf der rechten Straßenseite hinter den Standplätzen der Fiakerkutscher),

              c)              "Fußgängerbereich am Herbert-von-Karajan-Platz" (auf der Fläche hinter dem Kartenverkaufsstand, und zwar zwischen der Zufahrtsrampe zur Tiefgarage und den dort aufgestellten Blumenkisten),

              d)              in eventu "Staatsoper Variante 1" (auf dem Gehsteig unmittelbar vor der Staatsoper) bzw. "Staatsoper Variante 2" (Nebenfahrbahn vor der Staatsoper, und zwar bei der Haltestelle für Nachtautobus und "Vienna Sightseeing Hop on - Hop off Busse"),

gemäß § 45 StVO 1960 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. September 2009 wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch in Punkt 1. lit. c) und d) zu lauten hat:

              "c)              in eventu rechts einbiegen von der Ringstraße in die Nebenfahrbahn vor der Staatsoper,

              d)              sowie Befahren des Gehsteiges unmittelbar vor der Staatsoper"….

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die beiden gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin seien jeweils auf die Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 gerichtet. Der Antrag vom 13. Juli 2007 beziehe sich auf Ausnahmen von diversen, durch Verordnung bzw. unmittelbar aufgrund des Gesetzes verbotenen bzw. gebotenen Fahrmanövern im Bereich der Ringstraße, des Heldenplatzes sowie rund um die Staatsoper.

Die ergänzende Eingabe vom 1. April 2008, die von der Beschwerdeführerin als "Antrag auf Genehmigung von Ein- und Ausstiegsstellen" nach § 45 StVO 1960 bezeichnet worden sei, sei jedoch nicht als "Antrag auf Bewilligung von Haltestellen" im engeren Sinn zu interpretieren, sondern könne zielführend nur als Antrag auf Erteilung von Ausnahmebewilligungen von Verboten und Geboten, die ex lege für die genannten Örtlichkeiten gälten, gewertet werden. Ein gleichlautender auf Bewilligung von Haltestellen gerichteter Antrag der Beschwerdeführerin sei bereits rechtskräftig zurückgewiesen worden.

Das Vorliegen eines wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführerin an der Erteilung der Ausnahmebewilligungen sei von der Erstbehörde - zumindest implizit - anerkannt worden. Auch die belangte Behörde sehe ein wirtschaftliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Einrichtung von Ein- und Ausstiegsstellen im Allgemeinen als gegeben. Dieses Interesse könne jedoch nur insoweit als gewichtig eingestuft werden, als es sich auf die grundsätzliche Bereitstellung solcher Ein- und Ausstiegsstellen an irgendeiner Örtlichkeit im Umfeld des Zielbereiches - der Inneren Stadt - beziehe. Hingegen beurteile die belangte Behörde ein allfälliges wirtschaftliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Bewilligung der Ausnahme an den konkret genannten zentralen Plätzen der Wiener Innenstadt als vergleichsweise gering. Nur eine generelle Verweigerung der Einrichtung von Einstiegsstellen im gesamten Umfeld der Innenstadt würde - wie vorgebracht - das wirtschaftliche Überleben der Beschwerdeführerin gefährden bzw. deren Erwerbsfreiheft beschneiden, während eine Verweigerung hinsichtlich einzelner Örtlichkeiten keineswegs diese Wirkung hätte.

Aufgrund dieser Erwägungen sehe die belangte Behörde ein wirtschaftliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Erteilung der angestrebten Ausnahmebewilligungen als gegeben an. Die Erheblichkeit dieses Interesses im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO 1960 sei bezüglich zweier Orte in der Wiener Innenstadt gegeben, jedoch müsse das wirtschaftliche Interesse an der Bewilligung der konkreten beantragten Ausnahmen als eher gering veranschlagt werden.

Insgesamt werde zwar grundsätzlich das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin als ausreichend erheblich angesehen, sodass die diesbezügliche Voraussetzung des § 45 Abs. 2 StVO 1960 erfüllt wäre, jedoch werde bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Interessen der Antragstellerin einerseits und dem öffentlichen Interesse auf Aufrechterhaltung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs andererseits bezüglich der im Einzelnen beantragten Ausnahmen zu differenzieren sein.

Es folgen dann nähere Ausführungen zu den einzelnen unter Punkt 2 genannten Ein- und Ausstiegsstellen, wobei seitens der belangten Behörde anhand der bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Stellungnahme und Gutachten jeweils von einer erheblichen Verkehrsbeeinträchtigung an den jeweiligen Orten ausgegangen wurde.

Es bestehe aber - so die Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - auch keinerlei wirtschaftliches Interesse der Beschwerdeführerin mehr an den unter den Spruchpunkten 1. lit. a) bis d) angeführten Ausnahmen von Verkehrsgeboten und -verboten, die ausschließlich der leichteren Erreichbarkeit der geplanten Ein- und Ausstiegsstellen dienen sollten. In diesen Punkten sei daher der erstinstanzliche Bescheid schon deswegen zu bestätigen gewesen, weil die Grundvoraussetzung eines erheblichen wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführerin an der Erteilung dieser Ausnahmebewilligungen nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 14. Juni 2010, B 1266/09, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

In dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Teil der Beschwerde wird in Bezug auf den angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich im Wesentlichen gegen die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die jeweils in der Begründung des angefochtenen Bescheides angenommene Verkehrsbeeinträchtigung an den verschiedenen beantragten Ein- und Ausstiegsstellen. Keine näheren Ausführungen enthalten die an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen zu Spruchpunkt 1 (Ausnahmen von Verkehrsverboten bzw. -geboten für die leichtere Erreichbarkeit der geplanten Ein- und Ausstiegsstellen).

Gemäß § 45 Abs. 2 StVO 1960 kann die Behörde in anderen als den im Abs. 1 bezeichneten Fällen Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straße gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu erwarten ist.

§ 45 Abs. 2 StVO 1960 sieht zwei unterschiedliche Kategorien von Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme vor, von denen eine nur alternativ zu erfüllen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind nämlich einerseits, wie aus dem Worte "oder" hervorgeht, insofern alternativ gefasst, als eine Ausnahme zu bewilligen ist, wenn ein erhebliches persönliches oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen, andererseits darf aber in allen Fällen keine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu erwarten sein. Der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist demnach bereits dann abzuweisen, wenn sich bei Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen ergibt, dass schon das Vorliegen eines erheblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers oder ein besonderes Erschwernis in der Durchführung der Aufgaben zu verneinen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2012, Zl. 2009/02/0266, mwN).

Weiters entspricht es der hg. Rechtsprechung (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 23. März 2012, mwN), dass bei der Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 ein strenger Maßstab anzulegen und eine solche daher nur bei Vorliegen von gravierenden, den Antragsteller außergewöhnlich hart treffenden Gründen zu erteilen ist.

Den nicht als unschlüssig zu erkennenden Feststellungen der belangten Behörde, dass es sowohl zu Spruchpunkt 1 als auch zu den konkret beantragten Ausnahmen für Ein- und Ausstiegsstellen (Spruchpunkt 2) an der Erheblichkeit des wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführerin fehlt, ist die Beschwerde nicht entgegengetreten.

Die Beschwerde erweist sich schon deshalb als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG anzuweisen. Es erübrigt sich folglich auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. Oktober 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2010020169.X00

Im RIS seit

07.11.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten