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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §59 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie den Hofrat Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch Dr. Ferdinand Rankl und Dr. Herbert Hubinger, Rechtsanwälte in 4563 Micheldorf, Hauptstraße 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. April 2009, Zl. Verk-394.979/4-2009-J/Eis, betreffend Verbot des Lenkens von Fahrzeugen gemäß § 59 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. April 2009 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ab dem Tag der Zustellung des Bescheides das Lenken von Fahrzeugen aller Art wegen körperlicher und geistiger Mängel gemäß § 59 Abs. 1 lit. a StVO 1960 auf unbestimmte Dauer verboten.
In der Begründung gibt die belangte Behörde die Grundlagen des Verwaltungsverfahrens wieder und stellt die Rechtslage dar, wobei sie davon ausgeht, dass im Juli 2008 bei einer amtsärztlichen Untersuchung bei der Beschwerdeführerin (als Folge eines Schlaganfalles) eine deutliche Leistungsminderung sowie eine Fahruntauglichkeit im Hinblick auf das Lenken von Leichtkraftfahrzeugen festgestellt worden sei, wobei bei der Beobachtungsfahrt vom 16. Februar 2006 erhebliche Probleme auch im niedrigen Geschwindigkeitsbereich aufgetreten seien. Gemäß einer verkehrspsychologischen Stellungnahme vom Oktober 2008 seien bei der Beschwerdeführerin bei der Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen in den Bereichen visuelle Auffassung, Überblicksgewinnung, reaktive Belastbarkeit, Reaktionssicherheit, Konzentrationsvermögen, Sensomotorik, logisches Denkvermögen sowie Erinnerungsvermögen massive Defizite festgestellt worden. Trotz der sehr geringen Bauartgeschwindigkeit von Behindertenfahrzeugen sei festgestellt worden, dass die Leistungsvoraussetzungen der Beschwerdeführerin nicht den Anforderungen genügten. Auch beim Lenken von solchen Behindertenfahrzeugen sei eine normgerechte visuelle Auffassungs- und Konzentrationsvoraussetzung erforderlich, die jedoch bei der Beschwerdeführerin nicht vorlägen. Auf Grund der eingeschränkten sensomotorischen Defizite seien konkrete Schwierigkeiten, insbesondere eine fehlerhafte Bedienung des Joysticks, zu erwarten. Darüber hinaus sei in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters der Beschwerdeführerin (Geburtsjahr 1930) eine wesentliche Leistungssteigerung nicht zu erwarten. Gemäß dem amtsärztlichen Gutachten vom 14. Oktober 2008 sei festgestellt worden, dass die durchgeführte Untersuchung im Vergleich zu den Voruntersuchungen einen im Wesentlichen identen Befund ergeben habe, sodass nach mehreren Untersuchungen ein seit Jahren gleichbleibender Zustand festgestellt werden müsse und eine Verbesserung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit nicht zu erwarten sei. Die Beschwerdeführerin sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen als nicht geeignet zu beurteilen. Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei anlässlich einer weiteren medizinischen Untersuchung der Beschwerdeführerin festgestellt worden, dass das Ausmaß des "Neglects" der Beschwerdeführerin durch die verkehrspsychologische Austestung mit massiven Defiziten quantifiziert worden sei, sodass aus amtsärztlicher Sicht davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr geeignet sei, Behindertenkraftfahrzeuge zu lenken. Es sei deshalb keine Beobachtungsfahrt mehr erforderlich, weil bereits die verkehrspsychologische Austestung massive Defizite beschrieben habe, die durch eine Beobachtungsfahrt nicht widerlegt werden könnten. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin infolge ihres Schlaganfalles nicht mehr in der Lage sei, Verkehrssituationen jederzeit richtig einzuschätzen und ein Behindertenfahrzeug im Verkehrsgeschehen verlässlich richtig zu bedienen und zu lenken.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Feststellungen seien auf Grund von Gutachten von Personen mit einschlägiger fachlicher, medizinischer und psychologischer Qualifikation und langjähriger einschlägiger fachlicher Erfahrung getroffen worden. Demgegenüber habe die Beschwerdeführerin nur Gründe vorgebracht, die nicht geeignet seien, die fachliche Schlüssigkeit der vorliegenden Gutachten in Zweifel zu ziehen oder eine Fehlbeurteilung des erstinstanzlichen Bescheides erkennen zu lassen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, eine Aufhebung des auf der Grundlage des § 59 StVO 1960 ausgesprochenen Lenkverbotes sei nicht gerechtfertigt. Auch könne dem Berufungsantrag auf teilweise Aufhebung des Lenkverbotes zugunsten eines Behindertenfahrzeuges mit einer Bauartgeschwindigkeit von maximal 6 km/h mit einer räumlichen Einschränkung auf näher genannte Gebiete wegen der vorliegenden, von mehreren Sachverständigen belegten gesundheitlichen bzw. verkehrspsychologischen Defizite der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden. Da die vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin die vorliegenden Gutachten nicht hätten entkräften können, habe die belangte Behörde von den einschlägigen ärztlichen und psychologischen Gutachten mehrerer Sachverständiger auszugehen und die Berufung abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG erwogen:
Nach § 59 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde einer Person das Lenken eines Fahrzeuges, das ohne besondere Berechtigung gelenkt werden darf, ausdrücklich zu verbieten, wenn diese
a) wegen körperlicher oder geistiger Mängel zum Lenken eines Fahrzeuges ungeeignet ist oder
b) wegen ihres Verhaltens im Straßenverkehr, insbesondere im Hinblick auf wiederholte einschlägige Bestrafungen, eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bildet.
Gemäß § 59 Abs. 2 leg. cit. kann ein Verbot nach Abs. 1 je nach den Umständen auf eine bestimmte Fahrzeugart eingeschränkt, befristet oder unbefristet erlassen werden. Es ist aufzuheben oder einzuschränken, wenn die Mängel nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang bestehen.
Anders als die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ausführt, kommt es bei der Beurteilung gemäß § 59 Abs. 1 lit. a StVO 1960 nicht auf die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verhaltens im Straßenverkehr an, sondern ausschließlich auf den körperlichen und geistigen Zustand im Zusammenhang mit der Eignung zum Lenken eines Fahrzeuges. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Gefährlichkeit findet in diesem Zusammenhang ausschließlich im § 59 Abs. 1 lit. b ihren Niederschlag.
Die Beschwerdeführerin bekämpft nicht die Feststellungen über ihren körperlichen und geistigen Zustand, führt jedoch aus, es hätten jedenfalls weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen um feststellen zu können, inwieweit bei ihr ein über den Fußgängerverkehr hinausgehendes Gefahrpotenzial bestehe.
Auch ein solches Kalkül ist in § 59 StVO 1960 nicht vorgesehen, der ausdrücklich nur auf das "Lenken von Fahrzeugen" abstellt.
Im Hinblick auf die unangefochten gebliebenen Feststellungen über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, der zu einem Verbot des Lenkens von Fahrzeugen aller Art geführt hat, bestand für die belangte Behörde auch keine Notwendigkeit, Erhebungen dahingehend anzustellen, ob die Beschwerdeführerin allenfalls geeignet gewesen wäre, Behindertenfahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit zu lenken.
Die von der Beschwerdeführerin geforderte Interessenabwägung zwischen der tatsächlichen Lebenssituation und dem Lenkverbot sieht das Gesetz nicht vor, ebenso wenig wie die Berücksichtigung eines nicht näher definierten "Rechts auf Mobilität".
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 15. Oktober 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2009020164.X00Im RIS seit
07.11.2013Zuletzt aktualisiert am
03.12.2013