TE Vfgh Erkenntnis 2013/9/17 WI1/2013

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Veröffentlicht am 17.09.2013
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Index

L0300 Landtagswahl, Wählerevidenz

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
VfGG §67, §68
Krnt LandtagswahlO 1974 §11 Abs4, §53 Abs1, §57, §70

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Kärntner Landtagswahl im März 2013 durch die Wählergruppe "BZÖ - LISTE JOSEF BUCHER"; kein Vorliegen der behaupteten Rechtswidrigkeiten betreffend die unrichtige Wertung eines Stimmzettels als ungültig und die Nichtzulassung einer Vertrauensperson sowie zweier Wahlkartenwähler

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren

1.1. Am 3. März 2013 fand die von der Kärntner Landesregierung mit Verordnung vom 28. Dezember 2012, LGBl 116/2012, ausgeschriebene Wahl des Kärntner Landtages statt.

1.2. Dieser Wahl lagen die von der Landeswahlbehörde überprüften, gemäß §47 Abs1 der Kärntner Landtagswahlordnung, LGBl 191/1974 idF LGBl 121/2012 (im Folgenden: K-LTWO), abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge folgender wahlwerbender Parteien zugrunde:

Liste 1: FPK – Die Freiheitlichen in Kärnten – FPK Liste Gerhard Dörfler,              
Liste 2: SPÖ – Sozialdemokratische Partei Österreichs – Peter Kaiser,              
Liste 3: ÖVP – Gabriel Obernosterer Dr. Wolfgang Waldner ÖVP Kärnten,              
Liste 4: GRÜNE – Die Grünen – Die Grüne Alternative Kärnten – Rolf Holub,               
Liste 5: TS – Team Stronach für Kärnten,              
Liste 6: BZÖ – BZÖ – Liste Josef Bucher,              
Liste 7: PIRAT – Piraten Partei Österreich,              
Liste 8: ASOK – Allianz Soziales Kärnten/Aliansa Socialna Koroška,              
Liste 9: STARK – Liste Stark,              
Liste 10: LPÖ – Lebenswerte Partei Österreich.

1.3. Laut Feststellung der Landeswahlbehörde wurden bei dieser Wahl insgesamt 324.283 gültige Stimmen abgegeben, 6.924 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet; es gelangten 36 Mandate zur Vergabe. Davon entfielen auf die

FPK: 54.634 Stimmen (6 Mandate),              
SPÖ: 120.396 Stimmen (14 Mandate),              
ÖVP: 46.696 Stimmen (5 Mandate),              
GRÜNE: 39.241 Stimmen (5 Mandate),              
TS: 36.256 Stimmen (4 Mandate),              
BZÖ: 20.745 Stimmen (2 Mandate),              
PIRAT: 3.199 Stimmen (0 Mandate),              
ASOK: 747 Stimmen (0 Mandate),              
STARK: 488 Stimmen (0 Mandate),              
LPÖ: 1.881 Stimmen (0 Mandate).

2. Mit ihrer am 28. März 2013 zur Post gegebenen, auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtung beantragt die wahlwerbende Partei "BZÖ – Liste Josef Bucher", vertreten durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter, "das im Wirkungsbereich der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Micheldorf ermittelte Teilergebnis der Landtagswahl vom 3. März 2013 auf[zu]heben und durch die Feststellung [zu] berichtigen, dass das […] ermittelte Teilergebnis hinsichtlich der festgestellten ungültigen Stimmen mit 17 festgestellt wird und hinsichtlich der gültigen Stimmen für die anfechtende Partei mit 102 Stimmen festgestellt wird. [D]as von der Kärntner Landeswahlbehörde ermittelte Ergebnis des zweiten Ermittlungsverfahrens auf[zu]heben und dieser Entscheidung die richtige ziffernmäßige Ermittlung des Teilergebnisses des Wirkungsbereiches der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Micheldorf […] zu Grunde zu legen. [D]ie Durchführung des Wahlvorganges im Wahlsprengel 03 Semslach, Obervellach, im Bereich des Wirkungsbereiches der Marktgemeinde Obervellach, für rechtswidrig [zu] erklären und das in diesem Wahlsprengel durchgeführte Wahlverfahren auf[zu]heben. [D]as im Wirkungsbereich der Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Hermagor hinsichtlich der Vereitelung der Stimmabgabe für zwei aktiv wahlberechtige Personen durchgeführte Wahlverfahren für rechtwidrig [zu] erklären und dieses Wahlverfahren auf[zu]heben."

Begründend werden in der Wahlanfechtung drei Anfechtungsgründe ausgeführt: Erstens sei ein Stimmzettel in der Gemeinde Micheldorf, Bezirk St. Veit an der Glan, zu Unrecht als ungültig gewertet worden. Auf diesem Stimmzettel sei "vom Wähler ordnungsgemäß in de[m] hiefür vorgesehenen Kreis neben der kandidierenden Wahlpartei 'BZÖ – Liste Josef Bucher' mit einem Kreuz der Wählerwille zur Unterstützung dieser Wahlpartei zum Ausdruck gebracht" worden, wobei "jedoch vom Wähler im Bereich des Vorzugsstimmenfeldes […] bei der Wahlpartei 'Team Stronach' eine pornografische Karikatur männlicher Geschlechtsorgane angebracht" worden sei. Diese Stimme hätte als gültige Stimme für die Anfechtungswerberin gewertet werden müssen, weil "gemäß §72 Abs3 [K-LTWO] […] die Gültigkeit eines Stimmzettels durch die Anbringung von Zeichen, wie etwa der beschriebenen pornografischen Karikatur, nicht beeinträchtigt" werde. Zweitens sei "trotz der ordnungsgemäßen Nominierung der Vertrauensperson […] und der Bekanntgabe dieser Nominierung durch die Bezirkswahlbehörde an die Gemeindewahlbehörde der Marktgemeinde Obervellach […] dem für [den] Wahlsprengel 03 Semslach, Obervellach, nominierten Vertrauensmann […] vom dortigen Sprengelwahlleiter, Vizebürgermeister […], der Zutritt zum Sprengelwahllokal mit der Begründung verwehrt [worden], er scheine auf der ihm vorliegenden Liste nicht auf und sei im [Ü]brigen nicht angelobt worden." Die Vertrauensperson habe daher weder den Wahlvorgang selbst noch die anschließende Stimmauszählung und Protokollanfertigung über den Wahlvorgang in der nach den internationalen Standards üblichen Form beobachten können. Drittens sei im Bereich der Gemeindewahlbehörde der Stadtgemeinde Hermagor (Sprengelwahllokal Untervellach) zwei aktiv wahlberechtigten Personen die Abgabe ihrer Stimme verweigert worden, obwohl sie im Besitz einer gültigen Wahlkarte gewesen seien. Die beiden hätten dabei auf die Aussage des Leiters der Landeswahlbehörde in einem ORF-Interview vertraut, in dem dieser gesagt habe, dass die Wahlkarte in irgendeinem Wahllokal abgegeben werden könne.

3. Die Landeswahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zu den einzelnen Anfechtungsgründen Folgendes ausführt: Zur behaupteten rechtswidrigen Wertung eines Stimmzettels als ungültig verweist die Landeswahlbehörde darauf, dass ihr dieser Stimmzettel nicht bekannt sei und deshalb auch nicht beurteilt werden könne. Zum zweiten Anfechtungsvorbringen führt sie aus, dass die Anfechtungswerberin bei der Bezirkswahlbehörde Spittal an der Drau keinen Antrag auf Berufung einer Vertrauensperson gestellt, sondern einen Wahlzeugen nominiert habe. Zum dritten Anfechtungsgrund verweist die Landeswahlbehörde auf §53 K-LTWO, der festlegt, dass mindestens ein Wahllokal zu bestimmen sei, in dem die mit Wahlkarte versehenen Wähler ihr Stimmrecht auszuüben haben, und weist darauf hin, dass das in Rede stehende Wahllokal in Untervellach kein Wahlkartenlokal gewesen sei und die beiden Wähler laut Aktenvermerk in der Sprengelniederschrift auf das Wahlkartenlokal hingewiesen worden seien. In weiterer Folge erstattete die Landeswahlbehörde noch eine ergänzende Stellungnahme.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der K-LTWO stellen sich wie folgt dar:

" Wahlbehörden
§3
Allgemeines

(1) Zur Leitung und Durchführung der Wahl sind Wahlbehörden berufen. Sie werden, abgesehen von den Gemeindewahlbehörden, Sprengelwahlbehörden und fliegenden Wahlkommissionen, vor jeder Wahl neu gebildet.

(2) Die Wahlbehörden bestehen aus einem Vorsitzenden als Wahlleiter oder seinem Stellvertreter sowie einer Anzahl von Beisitzern. Für den Fall der Verhinderung von Beisitzern ist eine der Anzahl der Beisitzer entsprechende Anzahl von Ersatzmitgliedern zu bestellen.

(3) – (5) […]

§10    
Einbringung der Anträge auf Berufung der Beisitzer und Ersatzmitglieder

(1) Spätestens am zehnten Tag nach dem Stichtag haben die Vertrauensleute der Parteien, die sich an der Wahlbewerbung (§40) beteiligen wollen, ihre Vorschläge über die gemäß §11 Abs3 zu bestellenden, nicht dem richterlichen Beruf entstammenden Beisitzer und Ersatzmitglieder der neu zu bildenden Wahlbehörden beim Landeswahlleiter einzubringen. Den Vorschlägen ist die Anzahl der Beisitzer und Ersatzmitglieder zugrunde zu legen, die ihnen nach der Zusammensetzung der Wahlbehörden am Stichtage zukommt.

(2) – (6) […]

§11    
Berufung der Beisitzer und Ersatzmitglieder, Entsendung von Vertrauenspersonen

(1) Die Beisitzer und Ersatzmitglieder der vor jeder Wahl neu zu bildenden Landeswahlbehörde – darunter die Richter nach Anhören des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt – werden von der Landesregierung berufen.

(2) Die Berufung der Beisitzer und Ersatzmitglieder in die Bezirkswahlbehörden obliegt dem Landeswahlleiter.

(3) Die nicht dem richterlichen Beruf entstammenden Beisitzer und Ersatzmitglieder werden aufgrund der Vorschläge der Parteien unter Anwendung des d`Hondtschen Höchstzahlenverfahrens nach ihrer bei der letzten Wahl des Landtages im Bereich der Wahlbehörde festgestellten Stärke berufen.

(4) Hat eine Partei (§10 Abs1) gemäß Abs3 keinen Anspruch auf Berufung eines Beisitzers, so ist sie, falls sie im zuletzt gewählten Landtag durch mindestens drei Mitglieder vertreten ist, berechtigt, in jede Wahlbehörde höchstens zwei Vertreter als ihre Vertrauenspersonen zu entsenden. Das gleiche Recht steht hinsichtlich der Landeswahlbehörde auch solchen Parteien zu, die im zuletzt gewählten Landtag nicht vertreten sind. Die Vertrauenspersonen sind zu den Sitzungen der Wahlbehörde einzuladen. Sie nehmen an den Verhandlungen ohne Stimmrecht teil. Im Übrigen finden Abs1, 2 und 5 sowie die §§3 Abs3, 10, 12 Abs2, 15 Abs1, 2, 3 erster Satz, 4 und 5, 16 und 53 Abs1 letzter Satz sinngemäß Anwendung.

(5) Die Namen der Mitglieder der Wahlbehörden sind ortsüblich kundzumachen.

§12
Konstituierung der Wahlbehörden, Angelobung der Beisitzer und Ersatzmitglieder

(1) Spätestens am 21. Tag nach dem Stichtag haben die Landeswahlbehörde und die Bezirkswahlbehörden ihre konstituierende Sitzung abzuhalten, wozu sie von ihren Vorsitzenden einzuberufen sind.

(2) In dieser Sitzung haben die Beisitzer und Ersatzmitglieder vor Antritt ihres Amtes in die Hand des Vorsitzenden das Gelöbnis strenger Unparteilichkeit und gewissenhafter Erfüllung ihrer Pflichten abzulegen. Das gleiche Gelöbnis haben auch Beisitzer und Ersatzmitglieder abzulegen, die nach der konstituierenden Sitzung in die Wahlbehörde berufen werden.

§53    
Wahllokale für Wahlkartenwähler

(1) In jeder Gemeinde ist mindestens ein Wahllokal vorzusehen, in dem Wähler mit Wahlkarten ihr Stimmrecht ausüben können. In größeren Gemeinden, die in Wahlsprengel eingeteilt sind, hat die Gemeindewahlbehörde mindestens ein Wahllokal zu bestimmen, in dem die mit Wahlkarten versehenen Wähler ihr Stimmrecht auszuüben haben. Werden Wahllokale für Wahlkartenwähler bestimmt, so dürfen diese Wähler ihr Stimmrecht nur in den für Wahlkartenwähler bestimmten Wahllokalen ausüben. Daneben sind auch Wähler ohne Wahlkarten zugelassen, wenn die Voraussetzungen des §35 Abs1 gegeben sind. Mitgliedern der Wahlbehörden sowie deren Hilfskräften und den Wahlzeugen bleibt es jedoch, falls sie Wahlkarten besitzen, unbenommen, ihr Wahlrecht auch vor der Wahlbehörde auszuüben, bei der sie Dienst verrichten.

(2) [...]

§57    
Wahlzeugen

(1) In jedes Wahllokal können von jeder Partei, deren Wahlvorschlag veröffentlicht wurde, zwei Wahlzeugen zu jeder Wahlbehörde entsendet werden. Zu Wahlzeugen können nur Personen bestellt werden, die ihren Hauptwohnsitz in Kärnten haben. Die Wahlzeugen sind der Bezirkswahlbehörde spätestens am vierzehnten Tage vor dem Wahltag durch den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Partei schriftlich namhaft zu machen; jeder Wahlzeuge erhält vom Gemeindewahlleiter einen Eintrittschein, der ihn zum Eintritt in das Wahllokal ermächtigt und beim Betreten des Wahllokals der Wahlbehörde vorzuweisen ist.

(2) Die Wahlzeugen haben lediglich als Vertrauensmänner der wahlwerbenden Partei zu fungieren; ein weiterer Einfluß auf den Gang der Wahlhandlung steht ihnen nicht zu. Den Wahlzeugen ist keine Verpflichtung zur Verschwiegenheit über ihnen aus ihrer Tätigkeit bekannt gewordene Tatsachen auferlegt.

[…]

§70
Gültige Ausfüllung

(1) Der amtliche Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der links von jeder Parteibezeichnung (Kurzbezeichnung) vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will.

(2) Der Stimmzettel ist auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zB durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Anführung des Namens eines oder mehrerer Bewerber einer Parteiliste in der betreffenden Listenzeile eindeutig zu erkennen ist.

[…]

§72
Ungültige Stimmzettel

(1) Der Stimmzettel ist ungültig, wenn

1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde, oder

2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder

3. keine Parteiliste angezeichnet und auch kein Bewerber bezeichnet wurde oder nur Bewerber bezeichnet wurden, die nicht Bewerber der in der gleichen Zeile angeführten Parteiliste sind, oder

4. zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet wurden, oder

5. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte.

(2) […]

(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit der Anfechtung

1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch zum Landtag. Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

1.2. Nach §67 Abs2 VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten.

1.3. Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

1.4. Nun sieht zwar §84 Abs1 K-LTWO administrative Einsprüche an die Landeswahlbehörde – iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VfGG – vor, doch nur gegen die ziffernmäßigen Ermittlungen der Landeswahlbehörde. Zur Geltendmachung aller anderen (das sind sämtliche nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffende) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VfGG) offen.

Vorliegend strebt die Anfechtungswerberin in ihrer Wahlanfechtungsschrift nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eröffnet wird.

1.5. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens, das ist im vorliegenden Fall die Kundmachung (Verlautbarung) des Wahlergebnisses durch Anschlag an der Amtstafel des Amtes der Kärntner Landesregierung.

Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, dass die Landeswahlbehörde das Wahlergebnis gemäß §82b Abs4 K-LTWO am 8. März 2013 kundgemacht hat.

1.6. Die am 28. März 2013 zur Post gegebene Wahlanfechtung erweist sich daher als rechtzeitig.

1.7. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die Wahlanfechtung ist nicht begründet.

2.2. Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der Anfechtungswerberin – in der Anfechtungsschrift – behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen hat, es ihm darüber hinaus aber nicht zukommt, die Rechtmäßigkeit eines Wahlverfahrens – von Amts wegen – einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl. zB VfSlg 17.589/2005 und 19.245/2010).

2.3. Zur behaupteten unrichtigen Wertung eines Stimmzettels:

2.3.1. Wie sich aus den vorgelegten Wahlakten ergibt und wie die Kärntner Landeswahlbehörde in ihrer Gegenschrift zu Recht ausführt, existiert ein als ungültig gewerteter Stimmzettel in der Gemeinde Micheldorf, auf dem von einem Wähler in dem dafür vorgesehenen Kreis neben der Anfechtungswerberin ein liegendes Kreuz und im Bereich des Vorzugsstimmenfeldes bei der wahlwerbenden Partei Team Stronach eine Zeichnung des männlichen Geschlechtsorgans angebracht wurde, nicht.

2.3.2. Bei der Durchsicht der Wahlakten und insbesondere der als ungültig gewerteten Stimmzettel – die vollständig vorgelegt wurden – konnte der Verfassungsgerichtshof in einen Stimmzettel Einsicht nehmen, welcher der Beschreibung der Anfechtungswerberin am ehesten entspricht. Jedoch befindet sich auf diesem – als ungültig gewerteten – Stimmzettel ein liegendes Kreuz in dem dafür vorgesehenen Kreis neben der Piraten Partei Österreich und die Zeichnung des männlichen Geschlechtsorgans bei der Kurzbezeichnung der Anfechtungswerberin. Es handelt sich bei diesem Stimmzettel jedenfalls nicht um eine gültige Stimme gemäß §70 K-LTWO für die Anfechtungswerberin.

2.3.3. Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.

2.4. Zur behaupteten Nichtzulassung einer Vertrauensperson:

2.4.1. Die Anfechtungswerberin bringt in ihrer Wahlanfechtung ausdrücklich vor, dass sie mit Schreiben an die Bezirkswahlbehörde bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal für den Wahlsprengel 607 Obervellach und Flattach (Wahlsprengel 03-Semslach) eine Vertrauensperson nominiert habe. Die Bezirkswahlbehörde habe an alle Gemeinden per E-Mail eine Liste der nominierten Vertrauenspersonen versandt, auf der auch die von der Anfechtungswerberin namhaft gemachte Person aufscheine. Trotz der ordnungsgemäßen Nominierung sei der Vertrauensperson der Zutritt zum Sprengelwahllokal verwehrt worden, weshalb diese den Wahlvorgang und die Stimmauszählung nicht beobachten habe können. Gemäß §11 Abs4 K-LTWO habe eine Wahlpartei, die keinen Anspruch auf Berufung eines Beisitzers habe, das Recht, in jede Wahlbehörde höchstens zwei Vertreter als Vertrauenspersonen zu entsenden. Die von der Anfechtungswerberin namhaft gemachte Vertrauensperson hätte daher das Recht gehabt, an der gesamten Sitzung der Sprengelwahlbehörde teilzunehmen und angelobt zu werden.

2.4.2. Demgegenüber bringt die Landeswahlbehörde in ihrer Gegenschrift vor, dass die Anfechtungswerberin bei der Bezirkswahlbehörde Spittal an der Drau nie einen Antrag auf Berufung einer Vertrauensperson gestellt habe. Ein solcher Antrag hätte gemäß §10 Abs1 K-LTWO spätestens am zehnten Tag nach dem Stichtag gestellt werden müssen, was nicht geschehen sei.

2.4.3. Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, dass die Anfechtungswerberin tatsächlich keine Vertrauensperson gemäß §11 Abs4 K-LTWO nominiert hat. Stattdessen hat die Anfechtungswerberin für den genannten Wahlsprengel einen Wahlzeugen gemäß §57 leg.cit. namhaft gemacht. Dies belegen auch die von der Anfechtungswerberin der Wahlanfechtung beigelegten Unterlagen. Zwischen einer Vertrauensperson und einem Wahlzeugen bestehen nach der K-LTWO entscheidende Unterschiede: So darf die Vertrauensperson – ohne Stimmrecht – an den Sitzungen der Wahlkommission teilnehmen, wobei sie im Vorfeld gemäß §11 Abs4 iVm §12 Abs2 K-LTWO das Gelöbnis strenger Unparteilichkeit und gewissenhafter Erfüllung ihrer Pflichten abzulegen hat, während der Wahlzeuge nur im Wahllokal anwesend sein darf, ohne einen weiteren Einfluss auf den Gang der Wahlhandlung zu haben, und ihm keine Verpflichtung zur Verschwiegenheit über ihm aus seiner Tätigkeit bekannt gewordene Tatsachen auferlegt wird.

2.4.4. Da die Anfechtungswerberin ausdrücklich die Nichtzulassung einer Vertrauensperson nach §11 Abs4 K-LTWO gerügt hat und der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der Anfechtungswerberin – in der Anfechtungsschrift – behaupteten Rechtswidrigkeiten nachprüfen kann, liegt die behauptete Rechtswidrigkeit der Nichtzulassung einer Vertrauensperson im Wahlsprengel 607 Obervellach und Flattach (Wahlsprengel 03-Semslach) nicht vor.

2.5. Zur behaupteten Nichtzulassung zweier Wahlkartenwähler:

2.5.1. Die Anfechtungswerberin bringt vor, dass im Sprengelwahllokal Untervellach zwei aktiv wahlberechtigten Personen die Abgabe ihrer Stimme verweigert worden sei, obwohl sie im Besitz einer gültigen Wahlkarte gewesen seien. Die Landeswahlbehörde verweist dazu in ihrer Gegenschrift auf §53 K-LTWO und führt aus, dass das in Rede stehende Wahllokal in Untervellach in der Stadtgemeinde Hermagor kein Wahlkartenlokal gewesen sei.

2.5.2. Gemäß §53 Abs1 K-LTWO muss in jeder Gemeinde mindestens ein Wahllokal festgelegt werden, in dem Wähler mit Wahlkarten ihr Stimmrecht auszuüben haben. Werden Wahllokale für Wahlkartenwähler bestimmt, so dürfen diese Wähler ihr Stimmrecht nur in den für Wahlkartenwähler bestimmten Wahllokalen ausüben (§53 Abs1 dritter Satz K-LTWO). Bedenken gegen diese Norm wurden von der Anfechtungswerberin nicht vorgebracht und sind auch beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden.

2.5.3. Für die Stadtgemeinde Hermagor-Pressegger See wurde das Sprengelwahllokal II-Hermagor 2 (Rathaus – Parterre, mittlerer Stadtsaal) als Wahlkartenlokal festgelegt und kundgemacht. Tatsächlich haben die beiden Wähler aus Klagenfurt-Land versucht, im Sprengelwahllokal III-Vellach (Gasthaus Domenig in Untervellach 2) mit ihren Wahlkarten zu wählen. Laut der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde (Rubrik "Besondere Vorkommnisse während der Wahlhandlung") sind die Wähler darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie mit ihren Wahlkarten nur im Sprengelwahllokal II-Hermagor 2 wählen können, woraufhin einer der Wähler seine Wahlkarte vor der Wahlkommission zerrissen hat, weil ihm die Abgabe seiner Stimme in diesem Wahllokal verweigert wurde. In weiterer Folge hat der Wähler den Vorfall bei der Polizei in Hermagor um 12.45 Uhr angezeigt, weil er – wie sich aus dem Aktenvermerk der Polizei ergibt – "in seinem demokratischen Recht seine Wählerstimme abzugeben", verletzt worden sei. Die Polizei hat diesen Vorfall um 13.15 Uhr der Bezirkswahlbehörde gemeldet, die mit dem Wähler Kontakt aufgenommen und ihm nochmals die Rechtslage erläutert hat. Laut Aktenvermerk der Bezirkswahlbehörde zeigte sich dieser aber "uneinsichtig".

2.5.4. Da in der Stadtgemeinde Hermagor entsprechend §53 Abs1 K-LTWO ein Wahlkartenlokal, das bis 15 Uhr geöffnet hatte, eingerichtet wurde und in diesem Wahllokal die beiden Wahlkartenwähler wählen hätten können, wurden die beiden Wähler in ihrem Recht auf Teilnahme an der Wahl nicht verletzt; die behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Wahlanfechtung ist daher nicht stattzugeben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen, Landtag, Stimmzettel, Wahlkarten, VfGH / Wahlanfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:WI1.2013

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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