TE Vfgh Beschluss 2013/9/13 V45/2013

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Veröffentlicht am 13.09.2013
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Unzulässigkeit des Individualantrags von Nachbarn auf Aufhebung einer Flächenwidmungsplanänderung, unabhängig von der tatsächlichen Parteistellung im Bauverfahren für das angrenzende Grundstück

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen

1. Mit dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehren die Antragsteller "die zur Zahl 05/03/40019/2011/048 am 15. Mai 2013 im Amtsblatt der Stadtgemeinde Salzburg kundgemachte 106. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Salzburg einschließlich der Neuaufstellung des Bebauungsplanes der Grundstufe im Bereich Olivierstraße, Geroldstraße, Diakoniezentrum (Haus der Senioren) und Aignerstraße, TAE Olivierstraße als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu den genannten Flächenwidmungsplan insoweit aufzuheben als nicht vorgesehen wird, dass im süd- und südwestlichen Bereich des Planungsgebietes maximal zweistöckig verbaut wird, im nördlichen Bereich maximal dreistöckig und eine Abtreppung vorgesehen ist und die GFZ, wie im örtlichen Entwicklungskonzept vorgesehen, maximal 0,5 aufweist und allgemein eine niedrige Bebauung vorgesehen wird".

2. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller vor, sie seien Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 1787 KG 56501 Aigen I, BG Salzburg, mit der Adresse Olivierstraße 4. Diese Liegenschaft grenze unmittelbar im Südosten an das beabsichtigte neue Planungsgebiet an. Der angefochtene Flächenwidmungsplan, stelle eine Verordnung dar, durch welche die Antragsteller als Nachbarn "(ausnahmsweise) auch individuell betroffen" seien. Den Antragstellern sei die Judikatur bekannt, wonach grundsätzlich diese individuelle Betroffenheit und damit keine Legitimation zur Anfechtung von Flächenwidmungsplan Änderungen angenommen werde, wenn ein anderer (verwaltungsrechtlicher) Weg zumutbar sei, Bedenken gegen die angefochtene Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, so gegebenenfalls auch über den Umweg eines Bauverfahrens und dortige Einwendungen.

Gegenständlich ergäbe sich die Problematik der individuellen Betroffenheit allerdings dadurch, dass das durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan betroffene Planungsgebiet zwar unmittelbar an das Grundstück der Antragsteller, Grundstücksnummer 695/4, EZ 1787, KG 56501 Aigen I, BG Salzburg, angrenze, faktisch aber noch durch einen Weg bzw. einen Bach (Parzelle Flussbach 1127/1), getrennt sei. Aus diesem Grund sei fraglich, ob nach dem Salzburger Baurecht hier im Zuge des Bauverfahrens Einwendungen zulässig seien, weil die Antragsteller rechtlich als nicht unmittelbare Nachbarn qualifiziert werden könnten. Da nach dem vorliegenden Flächenwidmungsplan auf dem der Liegenschaft der Antragsteller zugewandten Seite des Planungsgebietes offenbar kleine Grundstücksteile vorgesehen sind, die unverbaut bleiben sollen, die erheblichen Baumaßnahmen aber auf den westlich davon gelegenen Flächen des Planungsgebietes gelegen seien, diese aber in einem Abstand von mehr als 15 Meter vom Grundstück der Antragsteller aufwiesen, seien die Anforderungen des §7 Abs1 lita Salzburger Baupolizeigesetz 1997 nicht erfüllt und könnten die Einwendungen im Bauverfahren, soweit der vorliegende Flächenwidmungsplan nicht aufgehoben werde, durch die Antragsteller im Bauverfahren gegebenenfalls nicht mehr erhoben werden.

Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller als Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 1787, KG 56501 Aigen I, BG Salzburg mit der Adresse Olivierstraße 4, das Objekt Olivierstraße 4 erst jüngst im Jahr 2011 erworben haben. Grundlage für den Erwerb sei die Zusage des Leiters der Stadtplanung Salzburg gewesen mit einem Werbefolder im Zuge des Erwerbs der gegenständlichen Wohnungen, wonach bezüglich des nunmehr gegenständlichen Planungsgebietes eine Art "Abtreppung" geplant sein sollte, dh von Süden und Westen her (nahe der Einfamilienhäuser) es zu einer niedrigen Bebauung kommen würde. In Richtung Norden (zum Diakoniezentrum) hin, wäre eine höhere Bebauung des maximal drei Vollgeschosse geplant. Entlang des Radweges und des Baches im Osten solle eine öffentlich zugängliche Grünfläche erhalten bleiben. Einzig diese Aussage über die Antragsteller ausschlaggebend dafür gewesen, diese hochpreisigen Wohnungen anzukaufen. Der nunmehrige Flächenwidmungsplan ermögliche aber eine wesentlich höhere Bebauungsdichte.

Die Antragsteller seien unmittelbar in ihren Eigentumsrechten insofern betroffen, "da es durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan zu einer faktischen Abwertung ihrer Wohnung am Markt kommt, die auch nicht durch Einwendung im Bauverfahren hintangehalten werden kann".

II. Rechtslage

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des §7 Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl 32/2013, lauten:

"Parteien

§7

(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber und außerdem

1.              als Nachbarn

              a)              bei den im §2 Abs1 Z1 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als die nach §25 Abs3 BGG maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 m3 haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung. Bei unterirdischen Bauten oder solchen Teilen von Bauten haben die Eigentümer jener Grundstücke Parteistellung, die von den Außenwänden weniger als zwei Meter entfernt sind;

              b)              bei den im §2 Abs1 Z5 angeführten baulichen Maßnahmen die in lit a angeführten Personen, soferne die Zweckänderung die im §9 Abs1 Z1 und 2 angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren kann;

              c)              bei den im §2 Abs1 Z7 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer der an die einzufriedende Seite des Bauplatzes angrenzenden und nicht weiter als Mauerhöhe entfernten Grundstücke sowie die Straßenerhalter öffentlicher Verkehrsflächen, die von der Einfriedung nicht weiter als deren Höhe entfernt liegen;

              d)              bei den im §2 Abs1 Z7a angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von der geplanten Mauer nicht weiter als das Doppelte ihrer höchsten Höhe entfernt sind;

              e)              bei den im §2 Abs1 Z8 angeführten baulichen Maßnahmen sinngemäß die in lit a bezeichneten Grundstückseigentümer;

              f)              bei den im §2 Abs1 Z9 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke;

2.              die Eigentümer der Hauptversorgungseinrichtungen, die oder deren Sicherheitsabstand durch die geplante bauliche Maßnahme unmittelbar erfaßt werden.

(1a) Der Eigentümer des Grundstückes, auf dem die bauliche Maßnahme geplant ist, hat im Bewilligungsverfahren das Recht auf Akteneinsicht (§17 AVG).

[…]"

III. Erwägungen

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. VfSlg 16.426/2002).

2. Die Antragsteller bringen in ihrem Antrag zunächst vor, dass sie als Nachbarn des Grundstückes, für welches der von ihnen angefochtene Teil des Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Salzburg gilt, "ausnahmsweise" von der angefochtenen Verordnung betroffen seien, weil sie möglicherweise im Bauverfahren gar nicht Parteistellung haben und ihnen damit gar kein Weg offen stehe, ihre Bedenken gegen den nun mit Individualantrag angefochtenen Verordnungsteil an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann es für Antragsteller, welche mit Individualantrag den für ein angrenzendes und nicht für das in ihrem Eigentum stehendes Grundstück geltenden Teil eines Flächenwidmungsplans anfechten, erst durch die Erteilung der Baubewilligung zu einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre kommen, nicht jedoch durch die hier angefochtene Verordnung (vgl. VfSlg 18.879/2009 mwN). Dabei spielt es – anders als die Antragsteller meinen – keine Rolle, ob den Antragstellern im Bauverfahren für ein angrenzendes Grundstück tatsächlich Parteistellung zukommt. Haben die Antragsteller in dem betreffenden Bauverfahren nach den baurechtlichen Bestimmungen keine Parteistellung, kommt auch im Verfahren über einen Individualantrag gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ein Eingriff in die Rechtssphäre gar nicht in Betracht, weil dieselbe sich erst aus den einschlägigen bau- (und raumordnungs-)rechtlichen Vorschriften ergibt.

Soweit die Antragsteller ihre Antragslegitimation darüber hinaus damit begründen, dass es durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan "zu einer faktischen Abwertung ihrer Wohnung am Markt kommt", machen sie keine rechtliche Betroffenheit, sondern bloß wirtschaftliche Interessen geltend (vgl. VfSlg 17.080/2003).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:V45.2013

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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