TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/8 97/21/0120

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
VStG §6;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/21/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde 1.) des J P, geboren am 11. November 1970, und

2.) der R P, geboren am 18. April 1971, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Dr. Sepp Brugger, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien 1.) vom 13. Dezember 1996, Zl. UVS-03/P/12/05126/95 und 2.) vom 8. Jänner 1997, Zl. UVS-03/P/50/00142/96, jeweils betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 14.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den Straferkenntnissen je vom 31. Oktober 1995 wurde über die Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 15 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 700,--, Ersatzfreiheitsstrafe 35 Stunden, verhängt. Ihnen wurde zur Last gelegt, dass sich der Erstbeschwerdeführer vom 5. Mai 1995 bis zum 4. August 1995 und die Zweitbeschwerdeführein vom 3. Mai 1995 bis zum 4. August 1995 an einer näher bezeichneten Anschrift als Fremde, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz und einer Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten hätten.

Mit den Bescheiden vom 13. Dezember 1996 und vom 8. Jänner 1997 gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) der Berufung des Erstbeschwerdeführers keine Folge und der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin nur insoweit Folge, als die über sie verhängte Geldstrafe auf S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe auf 25 Stunden) herabgesetzt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde in beiden Bescheiden annähernd gleichlautend aus, dass die Beschwerdeführer über bis zum 23. Juni 1994 bzw. 11. Mai 1994 gültige Aufenthaltsbewilligungen verfügt hätten und die rechtzeitig gestellten Verlängerungsanträge letztinstanzlich mit Ministerialbescheiden vom 11. April 1995 abgewiesen worden seien. Der Verfassungsgerichtshof habe den dagegen erhobenen Beschwerden mit Beschluss vom 5. Juli 1995 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Gemäß § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz seien Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung zu stellen. Werde über einen derartigen rechtzeitig gestellten Antrag nicht vor Ablauf der Geltungsdauer der bestehenden Bewilligung entschieden, so sei der Fremde bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der ersten Instanz zum weiteren Aufenthalt berechtigt. Daher sei den Beschwerdeführern ein Aufenthaltsrecht über die Geltungsdauer der Bewilligungen hinaus lediglich bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung durch die erste Instanz zugekommen. Die Strafbehörde habe sogar die Berufungsentscheidung im Aufenthaltsbewilligungsverfahren abgewartet, bevor sie die gegenständlichen Strafverfahren eingeleitet habe.

Wenn die Beschwerdeführer vermeinten, dass der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Auswirkungen auf das gegenständliche Strafverfahren habe, dann müsse dem entgegen gehalten werden, dass dieser Beschluss lediglich für das Administrativverfahren - der Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - wirke und keinerlei Rechtswirkungen auf allfällige Verfahren außerhalb des Beschwerdeverfahrens habe. Mit seinem Beschluss habe der Verfassungsgerichtshof lediglich klargestellt, dass Zwangsmaßnahmen auf Grund der Abweisung der Aufenthaltsbewilligungsanträge bis zur Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof bzw. - im Fall der Bescheidaufhebung - der neuerlichen Entscheidung durch den Bundesminister für Inneres im Aufenthaltsbewilligungsverfahren nicht erfolgen bzw. durchgesetzt werden könnten.

Dem gemäß hätten die Beschwerdeführer auch das Beschwerdeverfahren vom Ausland her abzuwarten gehabt, jedoch seien nunmehr auf Grund des Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen gegen sie nicht anzuwenden.

Tatsache sei jedoch, dass die Beschwerdeführer nach wie vor über eine gültige Aufenthaltsbewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht verfügten und es stelle § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes klar, dass mit Erlassung (Zustellung) der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz im Aufenthaltsbewilligungsverfahren die Aufenthaltsberechtigung jedenfalls ende.

Auf Grund der dargelegten Umstände sei insofern vom schuldhaften Verhalten der Beschwerdeführer auszugehen, als sie es unterlassen hätten, behördliche Entscheidungen zu befolgen bzw.

sich behördlichen Entscheidungen gemäß zu verhalten.

     Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde,

mit der deren Aufhebung beantragt wird.

     Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens

vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

     Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführer

rechtzeitig Anträge auf Verlängerung ihrer Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt haben und dass diese Anträge in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen wurden. Den dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden wurde mit Beschlüssen vom 5. Juli 1995 (den Eingangsvermerken auf den in den Verwaltungsakten erliegenden Beschlussausfertigungen zufolge offensichtlich am 11. Juli 1995 zugestellt) die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt diesem Umstand für die gegenständlichen Strafverfahren, welchen der Vorwurf eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Inland für den Zeitraum vom 5. Mai bis 4. August 1995 bzw. 3. Mai bis 4. August 1995 zu Grunde liegt, entscheidungsrelevante Bedeutung zu.

In § 17 Abs. 4 FrG hat der Gesetzgeber das Verbot ausgesprochen, einen Fremden während des anhängigen Verfahrens über einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch Erlassung einer Ausweisung gemäß § 17 FrG zur Ausreise aus dem Bundesgebiet zu verpflichten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 96/21/1012, dargelegt hat, gebietet es eine an den Grundsätzen der Verfassung orientierte Auslegung, § 17 Abs. 4 FrG iVm § 6 VStG dahin zu verstehen, dass die Strafnorm des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht die Fälle eines unrechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden erfasst, der unmittelbar auf Grund des Gesetzes einen Ausweisungsschutz genießt (oder auf einer solchen Grundlage im Inland behördlich geduldet ist). Im Ausweisungsverbot des § 17 Abs. 4 FrG muss daher ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund für den Tatbestand des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG gesehen werden. Diese Wirkung erstreckt sich auch auf Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, in welchen der Beschwerde (gegen den den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abweisenden Bescheid) aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (vgl. auch dazu das zuvor genannte hg. Erkenntnis Zl. 96/21/1012). Eine solche aufschiebende Wirkung hat der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall mit den Beschlüssen vom 5. Juli 1995 - und damit vor Erlassung der gegenständlichen Straferkenntnisse - verfügt. Dass dies nicht vor Beginn des inkriminierten Zeitraums erfolgt ist, schadet nicht. Wenn auch die aufschiebende Wirkung erst mit Erlassung des diesbezüglichen Beschlusses eintritt, werden die Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides doch insgesamt hinausgeschoben; er vermag vorläufig überhaupt keine Rechtswirkungen zu entfalten. Damit hatten vorliegend alle Maßnahmen, die sonst auf Grund der rechtskräftigen Abweisung der Verlängerungsanträge zulässig wären, zu unterbleiben, insbesondere also die Bestrafung der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 97/21/0610.)

Indem die belangte Behörde die dargestellten Rechtswirkungen, die sich aus der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren über die Beschwerden gegen die die Verlängerungsanträge der Beschwerdeführer abweisenden Bescheide iVm § 17 Abs. 4 FrG ergeben haben, verkannt hat, hat sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand nicht besteht und Stempelgebühren von insgesamt S 480,-- (3 Beschwerdeausfertigungen S 360,-- und 2 Bescheidvorlagen S 120,--) aufgelaufen sind. Der beantragte "Streitgenossenzuschlag" konnte zugesprochen werden, weil gemäß § 52 Abs. 1 VwGG der doppelte Schriftsatzaufwand zustünde. Wien, am 8. November 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997210120.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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