TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/8 96/21/1113

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §4 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der am 20. Februar 1972 geborenen NK in Wagram, vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Oktober 1996, Zl. Fr-2317/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Ausweisung der Beschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Oktober 1996 wurden die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsbürgerin, und ihr dreijähriges Kind CK gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beschwerdeführerin und ihr Kind seien am 26. Dezember 1994 nach Österreich eingereist. Die Beschwerdeführerin sei im Besitz eines am 23. Dezember 1994 vom Generalkonsulat in Istanbul mit einer Geltungsdauer vom 26. Dezember 1994 bis zum 26. Jänner 1995 ausgestellten Touristensichtvermerkes gewesen. Am 28. Dezember 1994 hätten die Beschwerdeführerin und ihr Kind einen Antrag gemäß § 4 des Asylgesetzes 1991 auf Ausdehnung der Gewährung von Asyl gestellt. Dieser Asylantrag sei mit Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Mai 1995 rechtskräftig abgewiesen worden. Einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei der Erfolg versagt geblieben. Seit Erlassung dieses Berufungsbescheides vom 16. Mai 1995 und dem gleichzeitigen Außerkrafttreten der vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen hielten sich die Beschwerdeführerin und ihr Sohn unrechtmäßig in Österreich auf. Der rechtmäßige Aufenthalt seit Ablauf des Touristensichtvermerkes am 26. Jänner 1995 bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Asylverfahren sei nur auf den unberechtigten Asylantrag zurückzuführen. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung habe noch bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, somit bis zum 20. September 1995, angedauert, könne ebenso wenig gefolgt werden wie der Ansicht, dass sich die Beschwerdeführerin und ihr Kind bis zum Abschluss "des Asylverfahrens gegen den Gatten bzw. Vater" (gemeint: des Verfahrens betreffend den Asylantrag des Ehegatten bzw. Vater) rechtmäßig in Österreich aufhielten. Da sich die Beschwerdeführerin und ihr Kind somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, seien sie gemäß § 17 Abs. 1 FrG vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG auszuweisen.

Nach der Aktenlage halte sich der Ehegatte der Beschwerdeführerin und Vater ihres Kindes in Österreich auf und sei dessen Asylverfahren insofern noch nicht abgeschlossen, als gegen den letztinstanzlichen Bescheid eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und von diesem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass er sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Im Berufungsverfahren sei auch eine Schwangerschaftsbestätigung hinsichtlich der Beschwerdeführerin vorgelegt worden. Die belangte Behörde anerkenne in Anbetracht der genannten Umstände einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin und ihres Kindes durch die Erlassung der Ausweisung. Dennoch erschienen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin und ihres Kindes an einem weiteren Verbleib in Österreich nicht so stark ausgeprägt, dass diese schwerer zu gewichten wären als das maßgebliche öffentliche Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu, weshalb die Ausweisung zur Erreichung dieses Zieles jedenfalls dringend geboten sei. Die Ausweisung sei somit auch gemäß § 19 FrG zulässig. Hinsichtlich des Hinweises der Beschwerdeführerin und ihres Kindes, dass sie Kurden seien, und eine Rückkehr in ihre Heimat auf Grund der "unmenschlichen und fürchterlichen Situation" unzumutbar wäre, sei festzustellen, dass mit Erlassung der Ausweisung lediglich die Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden sei, nicht jedoch darüber abgesprochen werde, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder allenfalls abgeschoben werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 leg. cit. Bedacht zu nehmen, wonach eine Ausweisung, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, nur dann zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 4 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, ist die Gewährung von Asyl auf Antrag auf die ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kinder und Ehegatten auszudehnen, sofern sich diese Personen in Österreich aufhalten und die Ehe schon vor der Einreise nach Österreich bestanden hat. Solche Familienangehörigen haben im Verfahren über die Gewährung von Asyl dieselbe Rechtsstellung wie der Asylwerber. Ausgehend von ihrer Ansicht, der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 7 des Asylgesetzes 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen, durfte die belangte Behörde - ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung des die Beschwerdeführerin betreffenden Ausdehnungsantrages - angesichts des § 4 Asylgesetz 1991 nicht zur Schlussfolgerung gelangen, dass die Ausweisung im Grund des § 19 FrG dringend geboten sei.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid im Umfang der Ausweisung der Beschwerdeführerin (die Ausweisung ihres Kindes wurde nicht bekämpft) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung genannten Pauschbeträgen bereits enthalten ist.

Wien, am 8. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996211113.X00

Im RIS seit

13.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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