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93/01 EisenbahnNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit von nicht mehr dem Stand der Technik entsprechenden Verweisungen der Schienenverkehrslärm-Emissionsschutzverordnung auf bestimmte technische Normen und Standards infolge Unterlassung einer Überprüfung durch den Verordnungsgeber über einen Zeitraum von knapp zwanzig JahrenRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge ", S 5004 (Ausgabe 1985) und S 5005 (Ausgabe 1992)" in §2 Abs1 sowie des §2 Abs2 der Schienenverkehrslärm-ImmissionsschutzV (SchIV), BGBl 415/1993.
Keine Aufhebung des darüber hinausgehenden Teils des §2 Abs1 sowie des §2 Abs3 SchIV.
Die Änderung von technischen Regelwerken und Standards, auf die in Rechtsvorschriften verwiesen wird, zieht die Pflicht des Normsetzers nach sich, die Rechtsvorschriften in angemessener Frist, wenn auch nicht sofort, an die neueren Gegebenheiten anzupassen (vgl zB VfSlg 14601/1996).
Verweisungen, die sich - nach der gesetzlichen Maßgabe des Stands der Technik - auf technische Normen und Standards beziehen, sind daher fallweise daraufhin zu überprüfen, ob diese noch den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Wenn auch für die SchIV weder im EisbenbahnG 1957 noch in anderen gesetzlichen Vorschriften Zeitabstände für Überprüfungen vorgegeben sind, so ist der Verordnungsgeber seiner Pflicht nicht nachgekommen, wenn er über einen Zeitraum von knapp zwanzig Jahren keine Überprüfung vorgenommen hat. Von einer solchen Unterlassung der Überprüfung hat der VfGH jedenfalls dann auszugehen, wenn sich im Verordnungsprüfungsverfahren ergibt, dass die Verweisungen tatsächlich nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen.
Die in §2 Abs1, Abs2 und Abs3 SchIV festgelegten Verweisungen auf ÖNORMEN, die ÖAL-Richtlinie Nr 30 und die Verordnung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 29.06.1979, Nr 6/79, sind als statische Verweisungen auf die in der SchIV genannten Fassungen und Ausgaben zu verstehen, zumal die genannten Bestimmungen ausdrücklich auf bestimmte Ausgaben der jeweiligen Regelwerke Bezug nehmen. Die SchIV schließt damit selbst aus, dass die verwiesenen Regelwerke in ihrer aktuellen Fassung maßgeblich sein sollen.
Hinsichtlich des §2 Abs3 SchIV (Verweisung auf die Bewertungsfunktion A der Verordnung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 29.06.1979, Nr 6/79) sowie hinsichtlich der Verweisung auf die ÖNORMEN S 5002 (Ausgabe 1973) und S 5003, Teile 1 und 2 (Ausgabe 1974) in §2 Abs1 SchIV erweisen sich die Bedenken als nicht zutreffend.
Die ÖNORMEN S 5002 und S 5003, Teil 2, enthalten keine Festlegungen, die für die schalltechnischen Anforderungen der SchIV maßgeblich wären. Insofern ist es ausgeschlossen, dass die Verweisung auf diese ÖNORMEN nicht mehr den für die SchIV gebotenen Stand der Technik iSd §19 Abs4 EisenbahnG 1957 abbildet.
Die Verweisung auf die ÖNORM S 5003, Teil 1 (Heranziehung schalltechnischer Größen wie des Schalldruckpegels und des Schallleistungspegels) entspricht dem Stand der Technik, mag die ÖNORM auch am 01.04.1994 zurückgezogen worden sein.
Die Bedenken gegen §2 Abs1 SchIV erweisen sich hingegen insofern als zutreffend, als diese Bestimmung auf die ÖNORMEN S 5004 (Ausgabe 1985) und S 5005 (Ausgabe 1992) verweist.
In den ÖNORMEN S 5004 (Ausgabe 1985) und S 5005 (Ausgabe 1992) werden auch Messgrößen für Schallimmissionen, Messgeräte sowie die Auswahl der Messpunkte festgelegt. Die Festlegungen haben unmittelbar Auswirkung auf das Ausmaß tatsächlich gemessener Immissionen und damit auf die Vereinbarkeit eines Eisenbahnbetriebes mit auf Grund der SchIV verfügten Auflagen.
Aus dem Gutachten des Sachverständigen für Lärmschutz und aus dem Vergleich der in der SchIV genannten Ausgaben mit den aktuellen Ausgaben der beiden ÖNORMEN (2008 und 2011) wird deutlich, dass die für die SchIV relevanten Festlegungen seit Erlassung der SchIV Änderungen - insbesondere in der Festlegung der Messmethode und in der Auswertung der Messergebnisse - unterworfen waren.
Diese Änderungen sind von solcher Bedeutung, dass davon auszugehen ist, dass die in §2 Abs1 SchIV genannten Ausgaben nicht mehr den Stand der Technik iSd §19 Abs4 EisenbahnG 1957 abzubilden vermögen.
Auch die in §2 Abs2 SchIV enthaltene Verweisung auf die ÖAL-Richtlinie Nr 30 entspricht angesichts maßgeblicher Änderung (erhebliche Erweiterung der die Schallleistungspegel verschiedener Schienenfahrzeuge enthaltenden Tabelle; Wegfall des früher vorgesehenen vereinfachten Verfahrens zur Berechnung von Immissionen) nicht mehr dem Stand der Technik.
Beseitigung der Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung der Wortfolge ", S 5004 (Ausgabe 1985) und S 5005 (Ausgabe 1992)" in §2 Abs1 sowie des §2 Abs2 SchIV; kein untrennbarer Zusammenhang mit den übrigen in Prüfung gezogenen Bestimmungen.
(Anlassfall B327/2012 ua, B v 02.10.2013, Ablehnung der Behandlung der Beschwerden).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Eisenbahnrecht, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Anpassungspflicht (des Normgebers), Verweisung, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:V30.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014