TE Vwgh Erkenntnis 2013/9/26 2013/11/0176

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Veröffentlicht am 26.09.2013
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Index

50/01 Gewerbeordnung;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;

Norm

ArbVG §9 Abs1;
ArbVG §9;
AVRAG 1993 §7b Abs1;
AVRAG 1993 §7i Abs3;
GewO 1994 §29;
GewO 1994 §94 Z47;
GewO 1994 §94 Z67;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Wien, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Reichsratstraße 17/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Juni 2013, Zl. UVS- 07/A/25/8252/2012-31, betreffend Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. LK in Ungarn), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt sich Folgendes:

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 21. Mai 2012 wurde der Mitbeteiligte wie folgt schuldig erkannt:

"I. Sie haben als Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der S mit Sitz in Ungarn, zu verantworten, dass diese Gesellschaft auf der Baustelle in 1030 Wien im Zeitraum vom 20.06.2011 bis 30.09.2011 Spachtelarbeiten ausgeführt hat und entgegen der Verpflichtung des § 7b Abs 1 Z 1 und Abs. 2 letzter Satz AVRAG Arbeitnehmer zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung als Spachtler nach Österreich entsandt und Ihnen nicht den Facharbeitern gebührenden Bruttostundenlohn von EUR 10,97, was einem Monatsbruttolohn von EUR 1.688,28 nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe in Wien entspricht, ab dem ersten Tag Ihrer Beschäftigung in Österreich bezahlt hat, sondern

Herrn ISz..., geb 1970

Herrn ZD..., geb. 1978

Herrn CT..., geb. 1989

Herrn SK..., geb. 1984

Herrn IC..., geb. 1969

einen jeweils umgerechnten Bruttostundenlohn von

 

EUR 10,06 im Juni 2011

 

EUR 10,11 im Juli 2011

 

EUR 10,04 im August 2011

 

EUR 10,04 im September 2011.

Herr ZA., geb. 1981, wurde ab 1. August beschäftigt und erhielt einen durchschnittlichen Bruttomonatslohn von EUR 10,04, die oben genannten Arbeitnehmer EUR 10,06.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7b Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 letzter Satz Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in geltenden Fassung iVm dem Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe, Mai 2011 iVm § 9 Abs 3 Arbeitsverfassungsgesetz, ArbVG, BGBl. Nr. 22/1974 idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

6 Geldstrafen von je EUR 2.000,00, falls diese uneinbringlich sind, 6 Ersatzfreiheitsstrafen von je 11 Tagen und 4 Stunden gemäß § 7i Abs 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der geltenden Fassung iVm § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Summe der Geldstrafen: EUR 12.000,00

Summe der Ersatzfreiheitsstrafen: 67 Tage"

Weiters wurden die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben und unter Spruchteil II. ausgesprochen, dass die genannte Gesellschaft gemeinsam mit dem Mitbeteiligten für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie das genannte Straferkenntnis behob und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einstellte.

In der Begründung gab die belangte Behörde im Rahmen der Darstellung des Verfahrensgeschehens die Berufung des Mitbeteiligten wieder. Dieser habe (zusammengefasst) ausgeführt, dass es sich bei den gegenständlichen Spachtelarbeiten um eine vorbereitende Tätigkeit zu Malerarbeiten handle, sodass er die Entlohnung zutreffend nach dem Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe vorgenommen habe. Im gegenständlichen Fall habe es sich um das Spachteln von Betonwänden gehandelt, auf welche die Malerfarbe ohne vorheriges Spachteln nicht aufgetragen werden könne. Die gegenständlichen Arbeiten, bei denen auch keine Trockenbauarbeiten durchgeführt worden seien, seien daher nicht zum Aufgabenbereich der Stuckateure zu zählen.

Daran anschließend gab die belangte Behörde die Ergebnisse der von ihr getätigten Ermittlungen wieder, darunter die Aussagen des in der Berufungsverhandlung als Partei vernommenen Mitbeteiligten sowie die Zeugenaussagen seines Steuerberaters und eines Mitarbeiter eines namentlich genannten großen Bauunternehmens.

Als entscheidungswesentlichen Sachverhalt stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, die vom Mitbeteiligten vertretene Gesellschaft sei vom genannten Bauunternehmen mit "Spachtelarbeiten" (Auftragssumme ca. EUR 165.000,--) entsprechend einem (auszugsweise zitierten) Leistungsverzeichnis ("Beton Wände Spachteln") beauftragt worden. Außerdem sei die vom Mitbeteiligten vertretene Gesellschaft als Subunternehmer eines anderen Unternehmens mit Malerarbeiten (Auftragssumme EUR 2.100,--) für das gegenständliche Bauvorhaben beauftragt worden.

Die vom Mitbeteiligten vertretene Gesellschaft verfüge über die erforderlichen Berechtigungen zur Ausübung sowohl des Handwerks der Maler und Anstreicher als auch des Handwerks der Stuckateure und Trockenausbauer, eingeschränkt auf Trockenbauarbeiten, sowie (u.a.) des Handwerks der Keramiker, Platten- und Fliesenleger.

Die Arbeitnehmer der vom Mitbeteiligten vertretenen Gesellschaft seien "als Spachtler und Maler" eingesetzt gewesen und hätten den - laut Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe vorgesehenen - Stundenlohn von EUR 10,08 erhalten.

Dem gegenüber sehe der Kollektivvertrag für Stuckateure-, Gipser-, Fassadergewerbe und Trockenausbauer einen Stundenlohn von EUR 10,97 vor.

Ausgehend von den Zeugenaussagen des Mitarbeiters des genannten Bauunternehmens stellte die belangte Behörde weiters fest, dass der Unterschied zwischen Gipser und Maler darin liege, dass die Materialstärke der Verspachtelung beim Maler bis 3 mm betrage, was auch entsprechend ausgeschrieben werde. Für eine Betonwand benötige man üblicherweise diese Materialstärke von maximal 3 mm. Hingegen betrage die Materialstärke der Verspachtelung durch den Gipser ab 5 mm, ein Gipser behandle üblicherweise Oberflächen im Altbau, weil diese eine Materialstärke von 5 mm oder mehr verlangten.

Nach Darstellung der Beweiswürdigung, der auszugsweisen Wiedergabe der §§ 7b und 7i AVRAG sowie des § 9 Arbeitsverfassungsgesetz führte die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung Folgendes aus:

Im vorliegenden Fall könne davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Verspachtelns von Betonwänden - zumindest dann, wenn es sich dabei um eine Vorbereitungsarbeit für die Malertätigkeit handle - auch dem Handwerk der Maler und Anstreicher zuzurechnen sei, sodass im Sinne des § 7b Abs. 1 AVRAG der Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe anzuwenden sei.

Außerdem sei der Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe gegenständlich auch gemäß § 9 Abs. 3 Arbeitsverfassungsgesetz anzuwenden gewesen. Diese Bestimmung sei maßgebend, weil gegenständlich weder eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetriebe noch eine organisatorische Abgrenzung in Betriebsabteilungen vorliege. Die nach der letztgenannten Bestimmung entscheidende "maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung" für den Betrieb sei im Jahr 2012 bei Malerei und Anstrich, nicht aber in Spachtelarbeiten gelegen (Hinweis auf eine Liste der erbrachten Leistungen des vom Mitbeteiligten vertretenen Unternehmens in Ungarn und in Österreich).

Selbst wenn man entgegen den letztgenannten Ausführungen die Maßgeblichkeit des Kollektivvertrages für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe gegenständlich nicht aus § 9 Abs. 3 Arbeitsverfassungsgesetz ableiten könnte, so ergebe sich die Maßgeblichkeit dieses Kollektivvertrages aus § 9 Abs. 4 Arbeitsverfassungsgesetz, weil nach den Ermittlungen der belangten Behörde die Anzahl der Arbeitnehmer im Bereich des Handwerks der Maler- und Anstreicher gegenüber der Anzahl der Arbeitnehmer im Handwerk der Stuckateure und Trockenausbauer größer sei. Aus den genannten Gründen habe das vom Mitbeteiligten vertretene Unternehmen zutreffend die Entlohnung nach dem Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe vorgenommen.

Selbst bei gegenteiliger Sichtweise fehlte es nach Ansicht der belangten Behörde am nötigen Verschulden des Mitbeteiligten, weil dieser Erkundigungen bei seinem Steuerberater über den anzuwendenden Kollektivvertrag eingeholt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die Beschwerdeführerin bestreitet zusammengefasst die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass im gegenständlichen Fall weder der objektive noch der subjektive Tatbestand erfüllt seien. Zur Erfüllung des Tatbildes vertritt die Beschwerdeführerin zusammengefasst die Rechtsansicht, dass die gegenständlichen Verspachtelungsarbeiten "keinesfalls zwangsläufig als vorbereitende Tätigkeit zu Malerarbeiten" anzusehen seien und führt aus, dass die Auftragsvergabe der gegenständlichen Spachtelarbeiten getrennt von den Malerarbeiten erfolgt sei, daher das Spachteln als eigenständige Tätigkeit zu qualifizieren sei, auf welches der entsprechende Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe (der sich unter anderem auf Stuckateure und Trockenausbauer sowie Gipser bezieht) anzuwenden gewesen wäre. Entscheidend sei vor allem, dass die Arbeitnehmer des vom Mitbeteiligten vertretenen Unternehmens auf der gegenständlichen Baustelle in 1030 Wien "praktisch ausschließlich Spachtelarbeiten" verrichtet hätten.

Im Übrigen meint die Beschwerdeführerin, dass das vom Mitbeteiligten vertretene Unternehmen ein Spezialbetrieb gemäß § 2 Abs. 1 lit. g BUAG sei, und bekämpft die Rechtsansicht der belangten Behörde betreffend die Nichterfüllung der subjektiven Tatseite.

2.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2011, lauten:

"Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat

§ 7b. (1) Ein Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf

1. zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt;

§ 7h. Stellt die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse im Rahmen ihrer Tätigkeit fest, dass der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in im Sinne des Abschnitts I BUAG oder im Sinne des § 33d BUAG nicht zumindest den nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Verordnung zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien leistet, gilt § 7e Abs. 3, Abs. 4 letzter Satz und 5 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Kompetenzzentrums LSDB die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse tritt.

§ 7i. …

(3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

(8) Im Fall des Abs. 3 in Verbindung mit § 7h kommt der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse Parteistellung und die Berechtigung zu, gegen Entscheidungen Rechtsmittel und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

…"

2.2. Der § 9 Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. 22/1974 (ArbVG), lautet:

"Fachlicher Geltungsbereich

(1) Verfügt ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe, so findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung.

(2) Die Regelung des Abs. 1 findet sinngemäß Anwendung, wenn es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt.

(3) Liegt eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetriebe oder eine organisatorische Abgrenzung in Betriebsabteilungen nicht vor, so findet jener Kollektivvertrag Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat; durch Betriebsvereinbarung kann festgestellt werden, welcher fachliche Wirtschaftsbereich für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.

(4) Liegt weder eine organisatorische Trennung, eine organisatorische Abgrenzung noch die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines fachlichen Wirtschaftsbereiches im Sinne des Abs. 3 vor, so findet der Kollektivvertrag jenes fachlichen Wirtschaftsbereiches Anwendung, dessen Geltungsbereich unbeschadet der Verhältnisse im Betrieb die größere Anzahl von Arbeitnehmern erfasst."

2.3. Der § 2 Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2011, lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Für den Sachbereich der Urlaubsregelung sind Betriebe (Unternehmungen) im Sinne des § 1:

e) …, Stuckateur- und Trockenausbauerbetriebe, Gipserbetriebe, Steinholzlegerbetriebe, Estrichherstellerbetriebe;

g) Spezialbetriebe, die Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach lit. a bis f fallen; dabei schadet es nicht, wenn die Tätigkeit auch von Betrieben ausgeübt wird, die nicht in den Geltungsbereich nach lit. a bis f fallen;

…"

2.4. Die GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 111/2002 lautet auszugsweise:

"§ 29. Für den Umfang der Gewerbeberechtigung ist der Wortlaut der Gewerbeanmeldung (§ 339) oder des Bescheides gemäß § 340 Abs. 2 im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen.

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

47. Maler und Anstreicher; Lackierer; Vergolder und

Staffierer; Schilderherstellung (verbundenes Handwerk)

67. Stuckateure und Trockenausbauer (Handwerk) …"

3.1. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die im erstinstanzlichen Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer des vom Mitbeteiligten vertretenen (und in Ungarn ansässigen) Unternehmens nach Österreich zur Arbeitsleistung entsandt wurden, im Tatzeitraum auf einer Baustelle in Wien "Spachtelarbeiten" (konkret: Spachteln von Betonwänden) sowie Malerarbeiten verrichtet haben und dafür entsprechend dem Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe mit einem Stundenlohn von EUR 10,08 entlohnt wurden.

Im Beschwerdefall geht es ausschließlich um die Frage, ob die Entlohnung, soweit es die Spachtelarbeiten betrifft, nach einem Kollektivvertrag mit höherem Stundenlohn, konkret nach dem Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe (dessen Geltungsbereich u. a. Stuckateure und Trockenausbauer sowie Gipser umfasst), hätte erfolgen müssen.

Gemäß § 7b Abs. 1 AVRAG hat ein Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, Anspruch auf zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort "vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt".

Gegenständlich ist daher entscheidend, ob vergleichbare österreichische Arbeitnehmer für die genannten Spachtelarbeiten ebenfalls nach dem Kollektivvertrag für Maler- und Anstreicher rechtmäßig entlohnt werden.

3.2. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Mai 2013, Zl. 2010/08/0208, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unter Bezugnahme auf die jeweiligen Berufsausbildungsvorschriften ausgeführt hat, dass Spachtelarbeiten sowohl von Malern und Anstreichern als auch von Stuckateuren und Trockenausbauern (und im Übrigen auch von auf Spachtelarbeiten spezialisierten Unternehmen) ausgeübt werden können. Richtig ist daher zwar der Einwand der Beschwerde, dass Spachtelarbeiten nicht "zwangsläufig" als Malerarbeiten anzusehen seien, doch ist dies auch nicht auszuschließen.

3.3. Entscheidend ist im gegenständlichen Fall, dass die belangte Behörde aufgrund der von ihr durchgeführten Ermittlungen, insbesondere der zeugenschaftlichen Vernehmung des Vertreters eines österreichweit tätigen Bauunternehmens, zur Abgrenzung der Maler von den Gipsern festgestellt hat, dass Spachtelarbeiten mit einer Materialstärke bis 3 mm üblicherweise an Maler, hingegen Spachtelarbeiten ab 5 mm an Gipser vergeben würden und dass man für das Verspachteln von (wie gegenständlich) Betonwänden üblicherweise eine Materialstärke von maximal 3 mm benötige.

Damit hat die belangte Behörde die Zuordnung der gegenständlichen Spachtelarbeiten als Malerarbeiten unter Bedachtnahme auf die im beteiligten gewerblichen Kreis (hier insbesondere Bauunternehmen) bestehende Anschauung vorgenommen. Dem tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen.

Dass die belangte Behörde bei der Zuordnung der in Rede stehenden Tätigkeiten (Spachtelarbeiten) zu einem bestimmten Gewerbe (hier: dem Gewerbe der Maler und Anstreicher) auf die konkreten Arbeitsvorgänge (Anbringung bestimmter Schichtstärken) sowie auf die Anschauung der beteiligten gewerblichen Kreise abgestellt hat, entspricht dem Gesetz (vgl. ausdrücklich § 29 zweiter Satz Gewerbeordnung 1994). Daher ist der Auffassung der belangten Behörde, die gegenständlich durchgeführten "Spachtelarbeiten" (auf Beton mit einer Materialstärke bis 3 mm) seien für sich betrachtet dem Gewerbe der Maler und Anstreicher (§ 94 Z. 47 GewO 1994) zuzurechnen und unterlägen dem Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe, nicht zu beanstanden.

3.4. An diesem Ergebnis ändert logischer Weise nichts, dass die im erstinstanzlichen Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer nach den Feststellungen der belangten Behörde auf der gegenständlichen Baustelle zusätzlich auch Malerarbeiten (im engeren Sinne) ausgeführt haben.

3.5. 1. Die Beschwerde bringt sinngemäß vor, der Wert der gegenständlich (betreffend die Baustelle in Wien) an das vom Mitbeteiligten vertretene Unternehmen vergebenen Spachtelarbeiten (EUR 165.000,--) übersteige bei weitem den Wert der - im Übrigen getrennt davon - an dieses Unternehmen vergebenen Malerarbeiten (EUR 2.100,--). Zu berücksichtigen sei außerdem, dass fast die Hälfte der Arbeiten, die das vom Mitbeteiligten vertretene ungarische Unternehmen insgesamt (also auch abseits der gegenständlichen Baustelle) durchführe, auf Spachtelarbeiten entfalle (die andere Hälfte entfalle auf Malerabreiten), sodass entgegen den Ausführungen der belangten Behörde nicht davon ausgegangen werden könne, die "maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung" (§ 9 Abs. 3 Arbeitsverfassungsgesetz) liege gegenständlich bei Malerei und Anstrich. Der Wert der vom Unternehmen durchgeführten Spachtelarbeiten würde auch getrennt ausgewiesen. Das Gesagte spräche dafür, die Spachtelarbeiten als eigenständige Tätigkeit anzusehen und die Frage, welcher Kollektivvertrag anzuwenden sei, unabhängig von den Malerarbeiten (im engeren Sinn) zu beantworten. Daher hätte die belangte Behörde nicht darauf abstellen dürfen, welche Tätigkeiten das Unternehmen als Ganzes in Österreich verrichte, sondern dass die betroffenen Arbeitnehmer des vom Mitbeteiligten vertretenen Unternehmens in Österreich "praktisch ausschließlich Spachtelarbeiten verrichtet" hätten.

3.5.2. Mit diesem Vorbringen bekämpft die Beschwerde erkennbar die Argumentation der belangten Behörde, dass gegenständlich für die Frage, welcher Kollektivvertrag anwendbar sei, auch § 9 Abs. 3 Arbeitsverfassungsgesetz maßgebend sei, dem zufolge sich die Frage, welcher von mehreren Kollektivverträgen zur Anwendung gelangt, nach jenem Wirtschaftsbereich des Betriebes bestimmt, der für den Betrieb die "maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung" hat. Offenbar meint die Beschwerde, dass sich der anzuwendende Kollektivvertrag gegenständlich nach § 9 Abs. 1 und 2 Arbeitsverfassungsgesetz bestimme, sodass alleine die Spachtelarbeiten (somit ohne Bedachtnahme auf die durchgeführten Malerarbeiten im engeren Sinne) ausschlaggebend für die Frage seien, welcher Kollektivvertrag zur Anwendung gelange.

3.5.3. Dieses Vorbringen ist aus folgenden Gründen nicht zielführend:

Voranzustellen ist, dass die Regeln des § 9 Arbeitsverfassungsgesetz zur Klärung der Frage, welcher Kollektivvertrag auf ein konkretes Arbeitsverhältnis Anwendung zu finden hat, nach dem Gesetzeswortlaut voraussetzen, dass der Arbeitgeber "mehrfach kollektivvertragsangehörig ist" (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0129). Im vorliegenden Fall ist jedoch nach dem Gesagten davon auszugehen, dass für das vom Mitbeteiligten vertretene Unternehmen, jedenfalls was die hier in Rede stehenden Spachtelarbeiten (bis 3 mm Schichtstärke) und die Malerarbeiten im engeren Sinne betrifft, nur der Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe zur Anwendung gelangt.

Selbst wenn man zugunsten der Beschwerde davon ausginge, dass das vom Mitbeteiligten vertretene Unternehmen (das über verschiedene Gewerbeberechtigungen verfügt) als Arbeitgeber "mehrfach kollektivvertragsangehörig" sei, käme eine Anwendung der § 9 Abs. 1 und 2 Arbeitsverfassungsgesetz (und damit ein ausschließliches Abstellen auf die Spachtelarbeiten) nur dann in Betracht, wenn das vom Mitbeteiligten vertretene Unternehmen aus zwei oder mehreren Betrieben (Abs. 1) oder entgegen den Feststellungen der belangten Behörde aus einem Haupt- und Nebenbetrieb oder (zumindest) aus organisatorisch und fachlich abgegrenzten Betriebsabteilungen bestünde (Abs. 2). Die Beschwerde meint zwar, die auf der gegenständlichen Baustelle in Wien verrichteten Spachtelarbeiten seien, was deren Zuordnung zu einem Kollektivvertrag betrifft, gesondert von den durchgeführten Malerarbeiten i.e.S. zu beurteilen, sie behauptet aber nicht, dass die Spachtelarbeiten nicht nur fachlich, sondern von den anderen Arbeiten auch - organisatorisch - abgegrenzt (vgl. zu diesem Erfordernis abermals das Erkenntnis Zl. 2001/08/0129) durchgeführt würden.

Vor allem aber ist für die Beschwerdeführerin auch bei der von ihr intendierten isolierten Beurteilung der gegenständlichen Spachtelarbeiten (im Sinne des § 9 Abs. 1 oder 2 Arbeitsverfassungsgesetz) nichts zu gewinnen, weil, wie bereits unter Pkt. 3.3. ausgeführt wurde, auch auf die gegenständlichen Spachtelarbeiten alleine (Schichtstärke bis 3 mm) der Kollektivvertrag für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe Anwendung findet.

3.6. Nicht zielführend ist auch der Hinweis der Beschwerde auf § 2 Abs. 1 BUAG, weil es gegenständlich nicht um eine Frage der Urlaubsreglung geht.

3.7. Die belangte Behörde ist daher in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Mitbeteiligte den Tatbestand in objektiver Hinsicht nicht verwirklicht hat. Auf ihre Ausführungen zur Verschuldensseite muss daher nicht weiter eingegangen werden.

4. Da somit bereits die Beschwerde zeigt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 26. September 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013110176.X00

Im RIS seit

24.10.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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