TE Vwgh Erkenntnis 2013/9/26 2011/11/0176

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2013
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §14 Abs1;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §2 Abs1;
BEinstG §23;
BEinstG §27;
BEinstG §3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des W P in K, vertreten durch die Dr. Günter Medweschek Rechtsanwalts GesmbH in 9020 Klagenfurt, Lidmanskygasse 27/1, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- u. Behindertenangelegenheiten vom 22. Juli 2011, Zl. 41.550/1552-9/10, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 24. Juli 2008 wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers gemäß § 14 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) mit 60 v.H. festgesetzt.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2010 beantragte der Beschwerdeführer auf Grund der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ("massive Knieprobleme, innere Erkrankung, chronische Fußbeschwerden, Gefühlsstörungen und Schwindelzustände wegen HWS") die Neufeststellung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit und fügte dem mehrere ärztliche Befunde hinzu.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung gemäß § 14 und § 27 Abs. 1 BEinstG abgewiesen und ausgesprochen, dass der Grad der Behinderung (weiterhin) 60 v.H. betrage.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die von ihr eingeholten (und im Bescheid teilweise wiedergegebenen) Gutachten einerseits eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 17. Jänner 2011 und andererseits einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29. März 2011, die nach Darlegung des Status des Beschwerdeführers zu folgendem Ergebnis gelangt seien:

"Lfd. Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

Grad der Behinderung

1.

Gesamtes Wirbelsäulensyndrom mit Funktionseinschränkung an sämtlichen Wirbelsäulenabschnitten bei degenerativen Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule

2 Stufen über unterem Rahmensatz dieser Position entsprechend der Funktionseinschränkung der gesamten Wirbelsäule.

Unverändert zu dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gutachten. Eine neurologische Symptomatik konnte nicht verifiziert werden.

191

60 vH

2.

Neigung zu Magenschleimhautentzündung, Helicobacter negativ, Refluxerkrankung

Oberer Rahmensatz entsprechend der Beschwerden, bestehend seit der Einnahme nicht steroidaler Antirheumatika. Diese sind mit einem PPI und Magendiät ausreichend behandelt, weshalb keine Steigerung erfolgt.

347

20 vH

Gesamt

60 vH

Folgende Gesundheitsschädigungen/Gesundheitsschädigung mit einem GdB von weniger als 20 vH, die auch im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen/verursacht, werden/wird bei der Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt.

Lfd. Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

Grad der Behinderung

3.

Knieschmerzen beidseits ohne Bewegungseinschränkung

Analog oberer Rahmensatzwert dieser Position entsprechend der Belastungsschmerzen beider Kniegelenke bei MRT-verifizierter Chondropathie bds. ohne Funktionseinschränkung.

g. Z. 417

10 vH

4.

Wiederkehrende Fußschmerzen beidseits

Analog oberer Rahmensatzwert dieser Position entsprechend der rezidivierend auftretenden Fußschmerzen beidseits.

Unverändert zu dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gutachten.

g. Z. 417

10 vH

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 vH. Führend ist die Position 1 mit 60 vH.

Die übrigen Positionen steigern nicht, da sie zu gering sind um zu steigern, bzw. keine Wechselwirkung zeigen."

Beide Sachverständige hätten danach ergänzende Stellungnahmen erstattet. Der Beschwerdeführer habe, so die belangte Behörde weiter, zu den Beweisergebnissen mit Schreiben vom 7. Juni 2011 Stellung genommen und sich dabei gegen die Gutachtensausführungen betreffend die nichtverifizierte neurologische Symptomatik gewendet. Es träten bei ihm immer wieder Sensibilitätsstörungen und Gefühlstaubheit in den Unterarmen und den Fingern und andererseits Schwindelanfälle auf. Auch komme es zu "Lähmungen und Ausfällen, Bewegungseinschränkungen, Muskel- und Nervenschmerzen und Muskelschwächen im Bereich der beiden Oberschenkel und in den Wadenbereichen sowie zu 'Zitterbewegungen' in den Zehen". Es sei nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, wenn angegeben werde, dass Bewegungen ohne Schmerzen durchführbar seien, zumal er trotz täglicher Schmerzmedikation ständige Bewegungsschmerzen habe. Diese neurologischen Gesichtspunkte seien bei der Begutachtung nicht berücksichtigt worden.

Nach Wiedergabe dieser Stellungnahme des Beschwerdeführers zitierte die belangte Behörde die maßgebenden Rechtsvorschriften und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass im Hinblick auf das am 1. September 2010 noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren die Einschätzung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers gemäß § 27 Abs. 1 BEinstG in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2010 noch nach den Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe durchzuführen sei, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen seien, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursache. Für den Fall des Zusammentreffens mehrerer Leiden sei die Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung entsprechend den (wiedergegebenen) Grundsätzen des § 3 der Richtsatzverordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, vorzunehmen.

Fallbezogen führte die belangte Behörde aus, die eingeholten Sachverständigengutachten seien schlüssig, nachvollziehbar und wiesen keine Widersprüche auf, auf die Art der Leiden und deren Ausmaß sei "ausführlich eingegangen" worden. Die getroffenen Einschätzungen entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vom Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände seien nicht geeignet, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften, der Beschwerdeführer sei den nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Daher habe die belangte Behörde diese Gutachten in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt und die Einschätzung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers entsprechend der Richtsatzverordnung (das im Gutachten erstangeführte Leiden sei führend, der diesbezügliche Grad der Behinderung werde durch die zweit- bis viertangeführten Leiden nicht erhöht) mit 60 v.H. eingestuft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die maßgebenden Bestimmungen des BEinstG (idF BGBl. I Nr. 111/2010) lauten auszugsweise:

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH.

Behinderung

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967). Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

Übergangsbestimmungen

§ 27. (1) In am 1. September 2010 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach § 14, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgesprochen wurde oder ein rechtskräftiger Bescheid nach den Bestimmungen der §§ 40ff des Bundesbehindertengesetzes vorliegt.

…"

1.2. Da das Verfahren im Beschwerdefall am 1. September 2010 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, ist der Grad der Behinderung auf Grund der gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, ergangenen Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und den in der Anlage zu dieser Verordnung enthaltenen Ansätzen einzuschätzen.

Soweit der Beschwerdeführer zunächst geltend macht, Gesundheitsschäden ab einem Ausmaß von 20 v.H. seien zwingend "kumulativ zu berücksichtigen", ist ihm § 3 der genannten Verordnung und die zugehörige ständige hg. Rechtsprechung entgegen zu halten, wonach die Gesamteinschätzung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege der Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze zu erfolgen hat. Bei Zusammentreffen mehrerer Leiden ist vielmehr zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht, und dann zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerechtfertigt ist, wobei die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund zu stehen haben (vgl. zB. das hg. Erkenntnis 23. Mai 2013, Zl. 2012/11/0009, und das dort zitierte Erkenntnis vom 22. Jänner 2013, Zl. 2011/11/0209). Im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde diese Vorgangsweise beachtet.

1.3. Zum Zwecke der Einschätzung des Behinderungsgrades der jeweiligen Gesundheitsschäden des Beschwerdeführers und des daraus resultierenden Gesamtgrades der Behinderung hat sich die belangte Behörde der Gutachten eines orthopädischen Sachverständigen vom 17. Jänner 2011 sowie eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 29. März 2011 bedient.

1.3.1. In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass sich die auszugsweise Wiedergabe dieser Gutachten im angefochtenen Bescheid (tatsächlich wiedergegeben wurde offenbar ein "Zusammenschnitt" beider Gutachten), was die entscheidende Auflistung der Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers samt zugehörigen Richtsatzpositionen und Grad der Behinderung betrifft, zum Teil (und zwar nicht nur hinsichtlich der Bezeichnung der Richtsatzpositionen) nicht mit den beiden im Akt befindlichen Gutachten dieser Sachverständigen deckt.

1.3.2. Darüber hinaus ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weil die Beschwerde zutreffend vorbringt, dass sich die belangte Behörde mit wesentlichen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gesundheitsschäden gar nicht auseinander gesetzt hat:

In seiner Stellungnahme vom 7. Juni 2011, die, wie aufgezeigt, im angefochtenen Bescheid auch wiedergeben wird, hat der Beschwerdeführer zu den ihm vorgelegten Gutachten eingewendet, dass diese die neurologischen Gesichtspunkte seiner Gesundheitsschädigung nicht berücksichtigt hätten. So sei unberücksichtigt geblieben, dass es bei ihm immer wieder zu Sensibilitätsstörungen und Gefühlstaubheit in den Unterarmen und den Fingern sowie zu Schwindelanfällen, Lähmungen und Ausfällen, Bewegungseinschränkungen, Muskel- und Nervenschmerzen und Muskelschwächen im Bereich der beiden Oberschenkel und in den Wadenbereichen sowie zu Zitterbewegungen in den Zehen komme.

Ein entsprechendes Vorbringen über neurologische Gesundheitsschäden hat der Beschwerdeführer auch schon davor, etwa im Schreiben vom 30. September 2010 (Akt Seite 92 ff) erstattet, wobei er das Vorbringen zur "neurologischen Ausfallssymptomatik" auch durch ärztliche Befunde (z.B. jenen des LKH Villach, Akt Seite 101/16 - 17) bekräftigt hat.

Dazu findet sich in den dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Gutachten (des orthopädischen Facharztes bzw. Arztes für Allgemeinmedizin) lediglich der jeweils nicht näher begründete Hinweis, dass "eine neurologische Symptomatik nicht verifiziert werden konnte". Dies kann nur dahin verstanden werden, dass die beiden genannten Gutachter, ausgehend von - ihrem - Fachwissen, eine neurologische Symptomatik nicht erkannt haben. Die Gutachten schließen das Vorliegen der genannten neurologischen Symptomatik aber nicht definitiv aus. Zu dieser Frage hätte die belangte Behörde daher ein ergänzendes Gutachten eines dafür zuständigen (vorzugsweise neurologischen) Sachverständigen einholen müssen, dies umso mehr, als bereits im erwähnten Schreiben des LKH Villach eine neurologische Ausfallsymptomatik aufgrund der Schwere der Stenosen als "durchaus denkbar" bzw. sogar als "zu erwarten" beschrieben wurde.

Auch in ihrer rechtlichen Beurteilung hat sich die belangte Behörde mit dieser Frage in keiner Weise auseinandergesetzt, sondern nur formelhaft darauf hingewiesen, dass sie den von ihr eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten folge.

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer aufgezeigten "neurologischen Ausfallssymptomatik" zu einem höheren Grad der Behinderung gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil gegenständlich gemäß § 23 BEinstG keine Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG bestand (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl. 2009/11/0223).

Wien, am 26. September 2013

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2011110176.X00

Im RIS seit

25.10.2013

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten