TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/8 96/21/0886

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art18 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 23. August 1960 geborenen OO, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. September 1996, Zl. St 283-3/96, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Feststellung, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Zaire gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht und seine Abschiebung nach Zaire somit zulässig sei, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. September 1996 gerichtet, mit dem der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Zaire (nunmehr: Demokratische Republik Kongo), gemäß § 17 Abs. 1 und § 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 54 FrG festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Zaire gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht und seine Abschiebung nach Zaire somit zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 8. Jänner 1993 über den Flughafen Wien nach Österreich eingereist sei und am 13. Jänner 1993 einen Asylantrag gestellt habe, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. Jänner 1993 abgewiesen worden sei. Die dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung sei als verspätet zurückgewiesen worden; eingebrachte Wiedereinsetzungsanträge seien ebenfalls, letztlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. August 1995, abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung zu sein. Es würde den Interessen der öffentlichen Ordnung, nämlich denjenigen auf dem "Gebiet des Fremdengesetzes" widersprechen, würde dem Beschwerdeführer der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet werden. Die Ausweisung erweise sich aus den Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung als dringend geboten, weil im Interesse eines geordneten Fremdenwesens nicht hingenommen werden könne, dass sich Fremde, die illegalerweise ins Land gelangten, hier letztlich entgegen den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen weiterhin im Bundesgebiet verblieben. Der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung würde das Erfordernis der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland aus entgegenstehen. Im Übrigen bedeute eine Ausweisung nicht, dass der Beschwerdeführer in sein Heimatland zurückkehren müsse, sondern lediglich, dass er Österreich zu verlassen habe.

Die Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer sowohl im Asylverfahren als auch im Feststellungsverfahren ausgeführt habe, dass er seit dem 15. Mai 1987 Mitglied der Sozialistischen Partei von Zaire wäre. Sein Vater, von Beruf Arzt, wäre in Zaire Senator gewesen, jedoch 1967 vom Staatspräsidenten entlassen worden, weil der gesamte Senat aufgelöst worden wäre. Die Mutter des Beschwerdeführers, Besitzerin einer Tabaktrafik, wäre im Jahr 1990 verstorben. Der Beschwerdeführer wäre in der bezeichneten Partei der Sekretär und der Fotograf gewesen. Am 10. Februar 1992 hätte er eine Versammlung, an der ca. 2000 Personen teilgenommen hätten, auf dem Mongita-Platz in Kinshasa abgehalten. Er hätte die Leute aufgerufen, am 14. Februar 1992 einen Generalstreik abzuhalten und am 16. Februar 1992 einen Protestmarsch durchzuführen, damit die Nationalversammlung wieder eingesetzt würde. Nachdem die Versammlung vom 10. Februar 1992 zu Ende gewesen wäre und sich die Leute zerstreut hätten, wären einige Parteimitglieder von der DSP, der Privatarmee des Präsidenten, verhaftet worden. Der Beschwerdeführer selbst wäre in der Menschenmenge untergetaucht und hätte einer Verhaftung somit entkommen können. Bei dem am 14. Februar 1992 stattgefundenen Generalstreik hätte es einige Verhaftungen und einige Entführungen von Seiten der DSP gegeben. Der Beschwerdeführer hätte sich immer wieder bei verschiedenen Freunden versteckt, um nicht von den Angehörigen der DSP gefunden zu werden. Am 16. Februar 1992 hätte der Protestmarsch stattgefunden. Es hätten die Mitglieder von 130 verschiedenen Parteien teilgenommen und auch Menschen aller Religionen. In jedem Bezirk hätten sich die Menschen versammelt. In jedem Bezirk hätte es einen Leiter gegeben, der den Marsch angeführt hätte. Die Menschen aus den einzelnen Bezirken wären zum Volkspalast marschiert; von dort aus hätte der Protestmarsch zum Präsidentenpalast weiterführen sollen. Als die Menschen noch auf dem Weg zum Volkspalast gewesen wären, wären sie von den Leuten der DSP beschossen worden und es hätte viele Tote gegeben. Der Beschwerdeführer hätte sofort Fotos zu machen begonnen, um die Gewalt der DSP zu dokumentieren. Am 18. Februar 1992 hätte er abends seine Frau und seine vier Kinder aufgesucht. Gegen 23.30 Uhr hätten etwa 30 Männer der DSP sein Haus gestürmt. Sie hätten die Wohnung verwüstet und den Beschwerdeführer verhaftet. Sie hätten auf ihn eingeschlagen, bis er bewusstlos gewesen wäre und ihn weggebracht. Als er wieder zu sich gekommen wäre, hätte er sich in einer Gefängniszelle befunden. Diese wäre etwa einen Quadratmeter groß gewesen und es hätten sich noch drei weitere Gefangene in der Zelle befunden. Sie hätten alle täglich ein Stück Brot und Wasser erhalten. Sie wären nicht befragt oder verhört worden. In der Zelle hätte der Beschwerdeführer nur die Unterwäsche tragen dürfen. Er wäre täglich an einem Sessel festgebunden worden. Es wäre ein Kübel mit Wasser an der Decke befestigt worden, mit einem Loch im Boden, das so über seinem Kopf platziert worden wäre, dass die Wassertropfen genau auf seinen Kopf, auf eine zuvor ausrasierte Stelle, gefallen wären. Diese Tortur hätte einige Stunden gedauert. Während dieser Folterung hätten die Männer, die diese Folterungen durchgeführt hätten, Zigaretten auf seinem Körper ausgedrückt. Der Beschwerdeführer habe ergänzend dazu noch ausgeführt, dass er während der Haft den Urin Anderer trinken und den Kot Anderer essen hätte müssen. Am 30. September 1992 wäre der Beschwerdeführer freigelassen worden. Er wäre angewiesen worden, das Land nicht zu verlassen und den Flughaften nicht zu betreten. Außerdem hätte er sich jeden Montag bei der Polizei seines Bezirkes melden müssen. Als er das Gebäude, in dem er gefangen gehalten worden wäre, verlassen hätte, hätte er sehen können, dass er in einem Gefängnis in Kinshasa inhaftiert gewesen wäre.

Am 2. Oktober 1992 hätte der Beschwerdeführer begonnen, Flugblätter zu verteilen, die er selbst geschrieben hätte. Am 5. Oktober 1992 wären etwa 2000 Personen, u.a. auch er zum Parlament marschiert. Bei dieser Versammlung hätte die DSP wieder auf die Menschen geschossen. Als er am 6. Oktober 1992 seine Eltern hätte besuchen wollen, wäre ihm in der Nähe des Hauses seiner Eltern ein Bekannter entgegengekommen und hätte ihm gesagt, dass er nicht zu seinen Eltern gehen solle, da ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden wäre. Er hätte sehen können, dass Fahrzeuge der DSP das Haus seiner Eltern beobachteten. Er wäre in der Folge zu seiner Cousine gegangen, die in einem Vorort von Kinshasa gelebt hätte und hätte seine Situation erklärt. Sie hätte ihm etwas Geld gegeben und er hätte sich daraufhin auf die Flucht begeben. Am 30. Dezember 1992 hätte er mit einem Privatflugzeug der zairischen Bergbaugesellschaft nach Johannisburg fliegen können, wobei er als Mechaniker verkleidet gewesen wäre. Von dort aus wäre er am 6. Jänner 1993 nach Wien abgeflogen, wo er am 8. Jänner 1993 eingetroffen wäre.

Der Beschwerdeführer habe nähere Angaben über die Sozialistische Partei Zaires, deren Mitglied er, wie er ausgeführt habe, seit 1987 sei, in seiner am 21. August 1996 erfolgten Einvernahme nicht machen können. Dass er bei seiner Rückkehr nach Zaire wegen seiner politischen Ideen den Tod zu fürchten hätte, leite er daraus ab, dass in Zaire nach wie vor der gleiche Machtapparat (Präsident, Parlament, Sicherheitsdienst) bestehe. Seine Frau sei seit 1995 verschwunden. Sein Vater und sein Bruder wären im Gefängnis getötet worden. Das wisse der Beschwerdeführer von anderen Staatsangehörigen von Zaire, die nach Europa geflüchtet wären. Diese Personen hätten ihm auch gesagt, dass nach ihm gefahndet würde. Der Beschwerdeführer habe auf ausdrückliches Befragen am 21. August 1996 auch angegeben, der Generalstreik am 14. Februar 1992 hätte ohne die von ihm gehaltene Rede nicht stattgefunden. Gerade das müsse die belangte Behörde nach dem bei seiner persönlichen Einvernahme am 21. August 1996 gewonnenen Eindruck in Zweifel ziehen. Der Beschwerdeführer habe nicht den Eindruck erweckt, als wäre er in der Lage, die Massen zu mobilisieren, wie er das Glauben machen wolle. Er sei in seinen Ausführungen eher ausufernd gewesen und habe bei der immerhin fast zwei Stunden dauernden Einvernahme nur schwer auf den Kern der Fragen gebracht werden können, wobei anzufügen sei, dass schon am 30. Juli 1996 ein Gespräch mit ihm versucht worden sei, das allerdings abgebrochen habe werden müssen, als zu erkennen gewesen sei, dass durch die Weitläufigkeit seiner Ausführungen mehr Zeit zu veranschlagen sein werde.

Es sei dem Beschwerdeführer zu konzedieren, dass seine Angaben über Vorfälle, an denen er beteiligt gewesen sei, bei den bisher stattgefundenen drei Einvernahmen von der Schilderung des Geschehens her übereinstimmten. Die belangte Behörde könne dem Beschwerdeführer allerdings nicht abnehmen, dass er in führender Position daran mitgewirkt hätte; dies scheine mit seinem Naturell in Widerspruch zu stehen. Die belangte Behörde finde sich in dieser Einschätzung seiner Persönlichkeit auch dadurch bestätigt, dass er sich, was seinen Aufenthalt im Bundesgebiet betreffe, bisher offenbar habe treiben lassen, ohne aktiv sein Leben zu gestalten. Er werde von Freunden und Landsleuten sowie von der Caritas erhalten. Das Bild eines die Massen mobilisierenden Agitators, der einen Generalstreik herbeigeführt habe und deshalb von der Staatsgewalt gesucht werde, habe der Beschwerdeführer der belangten Behörde nicht zu vermitteln vermocht. Zumindest bis zum Jahr 1990 habe der Beschwerdeführer, wie er in der Niederschrift vom 14. Jänner 1993 ausgeführt habe, gute Kontakte zu den Ämtern gehabt, sodass im Jahr 1990 die Gültigkeit seines Reisepasses verlängert worden sei. Wenn er diesbezüglich befragt am 21. August 1996 ausgeführt habe, dass im Jahr 1990 die Regierung noch nicht gewusst hätte, wie gefährlich er ihr hätte werden können, stoße dies auf Skepsis, ebenso auch, wenn er im Lauf der Zeit sein Vorbringen über erlittene Misshandlungen steigere, wie etwa, dass er während seiner Haft - drei Personen auf einem Quadratmeter - die Körperausscheidungen anderer hätte essen bzw. trinken müssen.

Die vom Beschwerdeführer geschilderte Foltermethode des stetigen Wassertropfens werde aus dem asiatischen Raum berichtet; in ihrer Subtilität scheine sie der afrikanischen Mentalität jedoch eher zu widersprechen, sodass die Anwendung einer derartigen Methode, noch dazu, wo man vom Beschwerdeführer nichts hätte erzwingen wollen (er sei nicht einmal verhört worden) unglaubwürdig erscheine. Eigenartig erscheine auch, dass der Beschwerdeführer zwar seit 1987 Mitglied der Sozialistischen Partei von Zaire gewesen sein wolle, aber trotz des Umstandes, dass er der Sekretär dieser Partei gewesen sei, über die Größe der Partei und deren Bedeutung im politischen Leben von Zaire keine Angaben habe machen können. Von einem "qualifizierten und aktiven Mitglied dieser Partei" (Wortlaut einer von ihm beigebrachten Bestätigung vom 24. März 1993) müsse man doch ein besseres Hintergrundwissen erwarten. Im Übrigen seien die Angaben des Beschwerdeführers über die ihm angeblich drohenden Gefahren allgemein gehalten und verschwommen. Von anderen Staatsangehörigen von Zaire hätte er erfahren, dass sein Vater und sein Bruder im Gefängnis getötet worden wären; über diese - nicht näher bezeichneten Personen - hätte er auch erfahren, dass nach ihm gefahndet werde.

Bei dieser Sachlage habe die belangte Behörde den Eindruck, dass er tatsächlich vorgefallene Ereignisse dahingehend umdeute, dass ihm persönlich daraus Verfolgungen im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG im Hinblick auf seine - lediglich in allgemeiner Form gegen das herrschende Regime gerichteten - politischen Ansichten drohen würden. (Die belangte Behörde verweist insofern auf Ausführungen des Bundesasylamtes in dem den Beschwerdeführer betreffenden Bescheid vom 19. Jänner 1993, wonach in Erfahrung gebracht habe werden können, dass bei dem vom Beschwerdeführer angesprochenen Protestmarsch am 16. Februar 1992 ein Polizist von Demonstranten getötet worden wäre. Durch einen Auslandsschriftverkehr mit der österreichischen Botschaft in Kinshasa habe das Bundesasylamt in Erfahrung bringen können, dass seit dem 24. April 1990 das Mehrparteiensystem eingeführt und bereits über 200 politische Parteien gegründet und auch gesetzlich anerkannt worden seien. Hand in Hand damit habe sich eine mehr oder minder freie Presse entwickelt und es hätten sich auch mehrere Menschenrechtsorganisationen gebildet. Diese Entwicklung habe zwar Menschenrechtsverletzungen nicht unterbunden, aber doch dazu beigetragen, dass die Behörden vor groben Übergriffen zurückschreckten, weil sie mit Sicherheit damit rechnen müssten, dass Fälle von Folterungen oder Verhaftungen ohne Rechtsgrundlage relativ rasch von einer der zahlreichen Zeitungen aufgegriffen und veröffentlicht würden.)

Der Beschwerdeführer scheine in ähnlicher Weise die Gefahr einer ihm angeblich drohenden unmenschlichen Behandlung konstruieren zu wollen, ohne dass er allerdings nach Auffassung der belangten Behörde tatsächlich an den Aktionen in einem solchen Maß beteiligt gewesen sei, dass dies das Interesse der Staatsorgane in besonderem Maß auf ihn gelenkt hätte. Sein diesbezügliches Vorbringen, auch über die angeblich erlittene Haft und im Besonderen über deren Umstände, erscheine unglaubwürdig, wobei anzufügen sei, dass es an ihm gelegen wäre, mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen.

Davon, dass der Beschwerdeführer konkrete Bescheinigungsmittel beigebracht hätte, die das Bestehen einer im Fall seiner Abschiebung aktuellen Gefahr für seine Freiheit oder sein Leben ersehen ließen, könne bei seinem Vorbringen, das sich auf Behauptungen und angebliches Hörensagen beschränke, nicht die Rede sein.

Der Beschwerdeführer macht gegen den angefochtenen Bescheid inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt dessen Aufhebung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 17 Abs. 1 sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen. Nach der letztgenannten Vorschrift ist eine Ausweisung, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Auffassung keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer bekämpft seine Ausweisung indes damit, dass die belangte Behörde unter Anwendung des Art. 8 EMRK und "des Rundschreibens des Bundesministeriums für Inneres, Zl. 71.370/96-III/11/95" zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass eine Ausweisung gegen ihn nicht rechtmäßig sei. Nach Punkt 6.2.4. des angeführten Rundschreibens würde die Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG dann eine unbillige Härte darstellen, wenn jemand zu einem Zeitpunkt eingereist sei, in dem es die Sichtvermerksversagungsgründe noch gar nicht gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe sich während seines dreijährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet wohlverhalten, und es sei nicht ersichtlich, warum seine Ausweisung dringend geboten sei.

Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Ausweisung aufzeigen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt zum Ausdruck, dass bei einer Beurteilung im Licht des § 19 FrG die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem einen hohen Stellenwert einnehmenden öffentlichen Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geltenden Vorschriften zurückzustehen hätten. Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, denn einerseits kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den angeführten Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 97/18/0498, mwN). Andererseits sind die Interessen des Beschwerdeführers, der im Verwaltungsverfahren keine konkreten privaten oder familiären Beziehungen im Bundesgebiet geltend gemacht hat, an einem weiteren Verbleib in Österreich angesichts seines noch nicht langen Aufenthaltes in der Dauer von etwa drei Jahren im Bundesgebiet nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Aus einem "Rundschreiben" des Bundesministers für Inneres kann der Beschwerdeführer im Übrigen kein Recht ableiten, handelt es sich dabei doch um eine vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwendende bloß verwaltungsinterne Norm (vgl. das vorzitierte Erkenntnis Zl. 97/18/0498).

2. Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch jene nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0399, m.w.N.)

Die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG hält der Beschwerdeführer deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde sein Vorbringen nur insofern für nicht glaubwürdig angesehen habe, als er nicht in der Lage sei, Menschenmassen zu mobilisieren und als Agitator aufzutreten. Selbst wenn er bloß in untergeordneter Funktion an den Veranstaltungen teilgenommen hätte, so sei angesichts der bereits allgemein bekannten katastrophalen menschenrechtlichen Situation in Zaire die Schlussfolgerung zu ziehen, dass er in seinem Heimatland bei seiner Rückkehr der Gefahr unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre. Dies schon deshalb, weil sein Vater, von Beruf Arzt, in Zaire Senator gewesen sei und seine gesamte Familie amtsbekannt sei. Auch liege insofern ein Begründungsmangel vor, als die belangte Behörde konkret nichts anführen könne, weshalb sie die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bezweifle. Die Argumentation der belangten Behörde basiere einfach auf dem Umstand, dass sie von seinem Auftreten her nur den Eindruck gewonnen hätte, er wäre nicht in der Lage, Menschenmassen zu mobilisieren. Dazu sei jedoch festzustellen, dass er selbstverständlich in einem fremden Land vor einer fremden Behörde niemals im selben Ton auftrete - dies gebiete allein schon die Höflichkeit - wie in seinem Heimatland. Die belangte Behörde hätte allein diesen Umstand berücksichtigen müssen. Auch die Argumentation hinsichtlich der dem Beschwerdeführer widerfahrenen Foltermethode sei nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde hätte in diesem Zusammenhang genaue Ermittlungen "anführen" müssen, ob in seinem Heimatland diese Foltermethode angewendet werde.

Der Beschwerdeführer zeigt damit im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, die im Umfang des Ausspruches gemäß § 54 FrG zu seiner Aufhebung führt. In den Akten des Verwaltungsverfahrens liegt die Kopie einer "Anordnung der bedingten Entlassung" seitens eines "Officier du Ministere Public" beim "Tribunal de Grande Instance/Kinshasa" vom 30. September 1992 ein, in welcher der Beschwerdeführer als Sekretär - Fotograf und aktives Mitglied einer politischen Partei der Opposition bezeichnet wird, sowie weiters die Kopie einer Ladung des Beschwerdeführers als Beschuldigter durch einen "Officier du Ministere Public" vom 1. Oktober 1992 vor das "Parquet de Grande Instance". Diese Unterlagen hat die belangte Behörde in ihre Überlegungen betreffend die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers und die ihm allenfalls drohenden Gefahren überhaupt nicht einbezogen. Bei dieser Sachlage vermögen die im angefochtenen Bescheid angestellten Erwägungen das von der belangten Behörde erzielte Ergebnis nicht zu tragen. Die belangte Behörde hat nicht schlüssig begründet, weshalb der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr keine Gefahren im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG zu gewärtigen habe. Die belangte Behörde hätte vielmehr weitere Ermittlungen (z.B. auf den Fall des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den von ihm geschilderten Vorfällen vom 10., 14. und 16. Februar sowie vom 5. Oktober 1992 abgestellte Anfrage bei der österreichischen Botschaft in Zaire bzw. bei spezialisierten Organisationen) vorzunehmen gehabt, um abschließend beurteilen zu können, ob dem Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung nach Zaire eine Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG drohen würde.

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid im Umfang seines Ausspruches gemäß § 54 Abs. 1 FrG gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Im Übrigen, d.h. soweit sie sich gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers richtet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. November 2000

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erlässe Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210886.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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