TE Vfgh Erkenntnis 2013/9/16 U2478/2012

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Veröffentlicht am 16.09.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung nach Afghanistan mangels Feststellungen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz Zabul sowie Auseinandersetzung mit den jeweiligen Länderberichten

Spruch

I.              1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan sowie gegen seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973).              

Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.              

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II.              Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein der Volksgruppe der Hazara zugehöriger Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22. August 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgründe brachte er im Wesentlichen vor, dass seine Familie wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara Probleme gehabt habe, er nach dem Unfalltod seiner Eltern nicht mehr in Afghanistan bleiben könne und er von seiner Tante in Pakistan, bei der er gewohnt habe, schlecht behandelt werde. Nach eigenen Angaben stammt der Beschwerdeführer aus dem Raum Khak e Afghan in der Provinz Zabul.

2. Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 9. August 2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 leg.cit. nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.). Betreffend die Person des Beschwerdeführers wurde im Bescheid beweiswürdigend ausgeführt, dass ihm "[h]insichtlich [der] behaupteten Herkunftsregion […] Glauben geschenkt" werde; zudem wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer "die letzten Jahre […] bei Verwandten in Pakistan gelebt" habe.

Die Abweisung des Asylbegehrens wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht glaubhaft machen habe können. Eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur Konvention bestehe nicht; es könne auch nicht von einer ernsthaften Bedrohung des Beschwerdeführers als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgegangen werden. Zur Lage im Herkunftsstaat wurden folgende Feststellungen getroffen:

"Minderheiten

Minderheitenrechte

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. In der Vergangenheit haben ethnische Spannungen oft nicht unerheblich zur Verschärfung gewaltsamer Auseinandersetzungen beigetragen. Insbesondere während des Bürgerkriegs zu Beginn der 90er Jahre verlief die politische Trennlinie entlang ethnischer Grenzen. Auch heute haben gesellschaftliche und politische Konflikte häufig einen ethnischen Hintergrund. Der Anteil der Volksgruppen an der Gesamtbevölkerung Afghanistans wird wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38%, Tadschiken ca. 25%, Hazara ca. 19%, Usbeken ca. 6% sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.).

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Neben Dari und Paschtu wird weiteren Sprachen unter bestimmten Bedingungen ein offizieller Status eingeräumt. Das Parteiengesetz verbietet die Gründung politischer Parteien entlang ethnischer Grenzen; in der Regierung sind alle großen ethnischen Gruppen vertreten. Es gibt Bemühungen, Armee- und Polizeikräfte so zu besetzen, dass sämtliche Volksstämme angemessen repräsentiert sind.

[…]

Ethnische Gruppen: Paschtunen 42%, Tadschiken 27%, Hazara 9%, Usbeken 9%, Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Belutschen 2%, andere 4%.

[…]

– Praxis

Es gab Berichte über Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnische[r] Zugehörigkeit, Religion und Geschlecht.

Ethnische Minderheiten sind weiterhin Unterdrückung, darunter ökonomische[r] Unterdrückung ausgesetzt. Dasht-i Barchi, eine der ärmsten Viertel Kabuls, ist die Heimat vieler Hazara. In Dasht-i Barchi mieteten 60 Prozent der Bevölkerung ihre Heime und waren so Ziel der Ausbeutung durch Grundherren. Die Mieten machen oft 50 Prozent des Familieneinkommens aus.

NGOs berichteten, dass sogar Ismailiten (eine Minderheit innerhalb der Schiiten, die Aga Khan folgen) nicht generell bedroht oder schwer diskriminiert werden. Sie waren aber weiterhin einem erhöhten Risiko ausgesetzt.

Es gab keine Gesetze[,] die Minderheiten vom politischen Leben ausschlossen, aber verschiedene ethnische Gruppen beschwerten sich, dass sie keinen gleichberechtigten Zugang zu Arbeit für lokale Regierungen in den Provinzen, wo sie eine Minderheit darstellen, erhielten.

[…]

Seit dem Fall des Talibanregimes Ende 2001 hat sich die ethnisch motivierte Spannung und Gewalt im Vergleich zu früheren Perioden deutlich abgeschwächt. Trotz dieses Umstandes und trotz verfassungsmäßiger Garantien über 'Gleichheit unter allen ethnischen Gruppen und Stämmen' bleiben Gründe für eine gewisse Besorgnis bestehen. Dies beinhaltet unter anderem ethnische Diskriminierung und Zusammenstöße, speziell in Zusammenhang zu Landnutzungs- und Besitzrechten.

Aufgrund verschiedener historischer, sozialer, ökonomischer und sicherheitsbezogener Gründe leben einige Mitglieder von ethnischen Gruppen außerhalb der Gebiete, in denen sie traditionell die Mehrheit stellen. Dies führte zu einem komplexen ethnischen Mosaik in einigen Gegenden des Landes, besonders in den nördlichen und den zentralen Regionen sowie in den wichtigsten Städten im Westen, Norden und im Zentrum Afghanistans. Konsequenterweise kann eine ethnische Gruppe nicht als Minderheit bezeichnet werden, nur weil sie es landesweit ist. Eine Person, die zu einer landesweit dominierenden Gruppe gehört […], kann bestimmten Herausforderungen, hinsichtlich ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt sein, in Gegenden wo eine andere Gruppe vorherrscht. Umgekehrt ist es unwahrscheinlich, dass ein Mitglied einer ethnischen Gruppe, die landesweit eine Minderheit darstellt, aber in einem bestimmten Gebiet eine Mehrheit, dort bedroht wird.

[…]

Rückkehrfragen

Grundversorgung / Wirtschaft

Staatliche soziale Sicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können in ihrer Umgebung auf übersteigerte Erwartungen bezüglich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Von den 'Zurückgebliebenen' werden sie häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert.

I[m] Iran und in Pakistan halten sich nach Angaben des UNHCR noch knapp 3,1 Millionen afghanische Flüchtlinge auf, davon knapp 2,2 Millionen in Pakistan und ca. 900.000 i[m] Iran. Die Mehrzahl der afghanischen Flüchtlinge, die sich in Turkmenistan und Tadschikistan aufgehalten hatten, ist freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Rückkehrer erhalten vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel.

Der UNHCR schätzt die Zahl der freiwilligen Rückkehrer zwischen März 2002 und April 2010 auf rund 4,5 Millionen Menschen.

Mit lediglich 54.400 Rückkehrern wurde 2009 nach Angaben von UNHCR ein historischer Tiefstand erreicht. Laut UNHCR sind für diesen Rückgang die schlechter werdende Sicherheitslage sowie die immer stärker begrenzte Aufnahmekapazität der afghanischen Gesellschaft bzw. Wirtschaft verantwortlich. Hinzu kommen immanente Hinderungsgründe wie etwa die Tatsache, dass viele afghanische Flüchtlinge bereits sehr lange i[m] Iran und [in] Pakistan leben und sich dort sozial und wirtschaftlich integriert haben sowie die Prioritätensetzung der pakistanischen Regierung, die aufgrund anderer sicherheitspolitischer Prioritäten keine Energie auf die 2009 vorgesehene Schließung größerer afghanischer Flüchtlingslager verwenden konnte.

Als vordingliche Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, sind Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, der Rückforderung ihres früheren Besitzes und bei der illegalen Besetzung von Land offenkundig werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc., häufig nur sehr eingeschränkt möglich.

[…]

Die Inflationsrate betrug 2008 28,7 Prozent im Vergleich zu 12,9 Prozent 2007. Geschätzte acht Millionen Personen sind in Afghanistan auf Lebensmittelhilfe angewiesen.

[…]

Für weibliche Rückkehrer kommt noch das Problem einer immer konservativer werdenden Gesellschaft hinzu. Bei einer Rückkehr von Frauen müssen diese im Familienverbund aufgenommen werden, um geschützt zu sein. […] Die Rückkehr alleinstehender Frauen ist sehr schwierig.

[…]

– Lebensmittel

Aufgrund günstiger Witterungsbedingungen mit weit überdurchschnittlichen Niederschlägen sind die Ernteaussichten für das Jahr 2009 deutlich besser als im Dürrejahr 2008. Daraus dürfte in diesem Jahr auch eine deutlich verbesserte Ernährungssituation bzw. Versorgung der Bevölkerung mit Weizen als wichtigstem Grundnahrungsmittel resultieren. Von diesen verbesserten Rahmenbedingungen profitieren grundsätzlich auch die Rückkehrer.

Gleichwohl problematisch bleibt die Lage der Menschen in den ländlichen Gebieten, insbesondere des zentralen Hochlandes. Deren Versorgung ist oftmals, bedingt durch fehlende oder […] nur sehr ungenügend ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht möglich. Hinzu kommt die bekannte Gefahr kriminell motivierter Überfälle auf kommerzielle und humanitäre Lebensmitteltransporte.

[…]

Probleme bei der Nahrungsmittelverteilung gibt es vor allem in ländlichen Gebieten. Zum einen liegt das primär an der schlechten Sicherheitslage. So kommt es immer wieder zu Angriffen auf Konvois. Ein weiteres Problem stellt die schlechte Infrastruktur des Landes dar. Einige Gebiete sind kaum zu erreichen. Grundsätzlich gilt, dass das größte Problem für die Nahrungsmittelversorgung die Sicherheitslage darstellt, erst an zweiter Stelle kommt die mangelnde Infrastruktur.

Generell ist in städtischen Gebieten der Zugang zu Nahrungsmitteln nicht das Problem und das Marktsystem funktioniert gut. Diese Märkte sind gut mit Nahrungsmitteln ausgestattet, die aus verschiedenen Gegenden in Afghanistan und aus den Nachbarstaaten kommen. In Kabul sind die Nahrungsmittel auch für den Großteil der Leute leistbar. Zusätzlich wird von Moscheen Gratisnahrung für bedürftige Menschen verteilt.

[…]

– Wohnraum

In den Städten ist die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen nach wie vor schwierig.

[…]

Die Mieten in Kabul sind vergleichsweise hoch. Für eine 3-4 Zimmer-Wohnung in guter Gegend bezahlt man ca. USD 300-500,– Miete. In schlechteren Vierteln ca. USD 200,–. Aufgrund der hohen Mieten teilen sich Familien oft eine Wohnung. Für ein günstiges Zimmer wird rund USD 100,– bezahlt. Doch dank der großen Bautätigkeit haben sich das Angebot an Wohnungen erhöht und die Mietkosten reduziert. Die Lebenskosten (Essen) betragen rund USD 50,– pro Monat.

[…]

– Arbeitsmöglichkeiten

Laut ILO arbeiten 93% der Bevölkerung über 16 Jahren mindestens eine Stunde pro Woche. Daraus ergibt sich eine Arbeitslosenquote von 7,9%. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es sich kaum jemand leisten kann gar nicht zu arbeiten. Hingegen wird der Wert für Unterbeschäftigung mit ca. 40% angegeben. Dies deckt sich mit den Angaben der ACCI, die die Arbeitslosenrate mit ca. 40% angibt. Aber es fehlen grundsätzlich zuverlässige statistische Daten für Afghanistan. Für Arbeitslose gibt es keine finanzielle Unterstützung vom Staat.

Die derzeitigen Arbeitsstandards sind sehr niedrig, es gibt keine Sozialversicherung, 80% bis 90% der Bevölkerung arbeiten im Bereich der Schattenwirtschaft. 36% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und es besteht die Gefahr, dass diese Zahl steigt.

[…]

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist – trotz mancher Verbesserungen – aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Geräten, Ärztinnen und Ärzten sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals immer noch unzureichend. Afghanistan gehört weiterhin zu den Ländern mit den weltweit höchsten Kinder- und Müttersterblichkeitsraten. Nach Angaben von UNICEF liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei lediglich 44 Jahren. Auch in Kabul, wo es mehr Krankenhäuser als im übrigen Land gibt, ist für die Bevölkerung noch keine hinreichende medizinische Versorgung gewährleistet.

Staatliche soziale Sicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung sind praktisch nicht existent. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden.

[…]

Die reichere Schicht geht daher vor allem in diese Privatkliniken oder lässt sich im Ausland ([v.a.] in Pakistan und Indien) behandeln. Generell ist die medizinische Versorgung eine Frage des Geldes. Wer besser bezahlt, erhält auch bessere medizinische Leistungen.

Es gibt eine bessere Abdeckung mit Gesundheitseinrichtungen, als die Anzahl der Menschen, die diese benutzen, vermuten lassen würde. Insgesamt sind für 80% der Bevölkerung (inkl. Kabul) grundlegende Gesundheitseinrichtungen innerhalb von zwei Stunden Fußweg erreichbar. Bei der ländlichen Bevölkerung sind es nur 50%, die diese Einrichtungen innerhalb dieser Zeit erreichen können. Operationen können zwar nicht in den entlegenen Gebieten, jedoch in den Provinzzentren durchgeführt werden.

In Kabul gibt es ca. 80 private und auch öffentliche Spitäler, die über eine vergleichsweise gute Ausstattung verfügen. Aufgrund der stark gestiegen Einwohnerzahlen Kabuls verfügt die Stadt nicht über ausreichende Kapazitäten in öffentlichen Krankenhäusern.

Die Lage in Kabul stellt sich in den meisten Bereichen besser dar als im übrigen Land. So ist der Zugang zu Krankenhäusern besser. Alle Einwohner der Stadt Kabul haben die Möglichkeit, eine Behandlung in den Krankenhäusern zu erhalten. In der Umgebung von Kabul sieht es bereits wieder anders aus.

[…]

Der Großteil der modernen medizinischen Einrichtungen des Landes befindet sich in Kabul und anderen Großstädten. Der generelle Mangel an Gesundheitszentren besteht vor allem in den ländlichen Gebieten bereits seit längerer Zeit. Die aktuelle Regierung arbeitet an der Wiedereröffnung von Krankenhäusern und der Kapazitätserhöhung auf dem medizinischen Sektor. Darüber hinaus sind Ressourcen zum landesweiten Bau von Kliniken bestimmt worden. Problematisch bleibt jedoch weiterhin die Frage des kompetenten medizinischen Personals.

Der Bedarf an gut ausgebildetem afghanischen Personal, das in der Lage wäre, der Bevölkerung auf nachhaltige Weise medizinische Versorgung zukommen zu lassen, ist groß. Das Land hat eine der höchsten Sterblichkeitsraten der Welt. Mit der Unterstützung von ausländischen Sponsoren und internationalen Hilfsorganisationen wurden in den Krankenhäusern einiger Städte chirurgische Abteilungen wiedereröffnet. Spezielle Behandlungszentren wurden eingerichtet, um Opfer von Landminen zu rehabilitieren. Trotz dieser Anstrengungen beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung nur 44 Jahre.

Krieg, wiederkehrende Dürren, schlechte sanitäre Verhältnisse und fehlende Immunisierungsprogramme haben zu weit verbreiteter Unterernährung und dem Ausbruch von Krankheiten wie Cholera (die durch unsauberes Trinkwasser ausgelöst wird), Malaria, TBC, Typhus sowie weiteren Krankheiten, die durch Parasiten ausgelöst werden, geführt. Die Weltgesundheitsorganisation und andere Gesundheitsorganisationen arbeiten zusammen mit dem Ministerium für Gesundheit daran, das betreffende Bewusstsein für diese Krankheiten zu schärfen und insbesondere eine zeitnahe Behandlung solcher Krankheiten zu ermöglichen.

Eine bessere medizinische Versorgung von Frauen und Kindern ist dringend geboten; die Sterblichkeit von Kindern unter 5 Jahren beträgt in Afghanistan 191 pro 1000 Geburten. Eine Behandlung in Krankenhäusern wird von Personen, die sich die entsprechende Anreise leisten können, gewöhnlich in angrenzenden Ländern, insbesondere in Peshawar (Pakistan) durchgeführt. Das Fehlen eines Gesundheitssystems trägt zur Ungleichheit in der Frage des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen bei. Medikamente, überwiegend Importe aus Pakistan und Iran, sind immer leichter erhältlich. Die Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gegenden ist in diesem Bereich jedoch nach wie vor auffällig. Es ist wichtig, frühzeitig die Verfügbarkeit von Medikamenten zu prüfen.

[…]

Behandlung nach Rückkehr

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhanden Ressourcen (Wohnbau, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer (MoRR) bemüht sich daher um eine Ansiedlung dieser Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer (sog. 'townships'). UNHCR unterstützt gemeinsam mit der 'International Organisation for Migration' (IOM) das MoRR bei seiner Aufgabe, eine geordnete Rückkehr zu gewährleisten, worauf letzteres aufgrund seiner institutionellen Schwächen angewiesen ist. Die Ansiedlung der Flüchtlinge erfolgt unter schwierigen Rahmenbedingungen: Ein Großteil der vorgesehene[n] 'townships' ist kaum für eine permanente Ansiedlung geeignet. Oft fehlt es an der notwendigen Basisinfrastruktur (z.B. Wasserversorgung), und häufig befinden sich die vorgesehenen Ansiedlungsorte in abgelegenen Gebieten.

Es sind keine negativen Konsequenzen durch staatliche Akteure bei freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung bekannt.

[…]

Grundsätzlich gibt es keine Sanktionen des Staates bei illegaler Ausreise und darauffolgender Rückkehr.

Es sind kaum Fälle bekannt, bei denen Rückkehrer Opfer von Verbrechen wurden.

[…]

Etwa 55‘000 der kürzlich zurückgekehrten AfghanInnen leben in temporären und hilfsbedürftig aufgestellten Siedlungen. Zu den Gründen, die gegen eine Rückkehr sprechen, gehören die sich drastisch verschlechterte Sicherheitslage in immer weiteren Teilen des Landes, Landstreitigkeiten und die hohe Arbeitslosigkeit. Afghanistan gehört zudem zu den am stärksten verminten Ländern der Welt. Immer wieder befinden sich unter den Minenopfern RückkehrerInnen, die das Gebiet nicht gut kennen. Daneben können viele landwirtschaftliche Flächen wegen der Verminung nicht genutzt werden." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 10. Oktober 2012 gemäß §3 Abs1, §8 Abs1 und §10 Abs1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Fluchtgründe gelangte der Asylgerichtshof auf Grund der unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Namen, seinem Geburtsdatum, zu den Namen der Eltern sowie der Anzahl und dem Status seiner Geschwister sowie auf Grund unplausibler und widersprüchlicher Angaben zu seinen Fluchtgründen zur Auffassung, dass diese nicht glaubhaft seien. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes entsprächen auch die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Heimatprovinz und zur Aufenthaltszeit in Pakistan nicht den Tatsachen. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage, ob dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz gemäß §8 AsylG 2005 zu gewähren sei, wird zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Es konnten hinsichtlich des BF keine Probleme festgestellt werden, welche sich aus der allgemeinen politischen oder wirtschaftlichen Situation oder der Sicherheitslage in der von ihm angeführten Heimatprovinz ergeben hätten, da der BF weder konkrete diesbezügliche Probleme anführte, noch seine Herkunft und seine familiären Umstände glaubhaft darstellen konnte.

[…] Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Im Zuge des Verfahrens wurden dem BF seitens des Bundesasylamtes aktuelle Länderfeststellungen seinen Herkunftsstaat betreffend am 07.06.2011 vorgehalten. Der BF gab dazu lediglich an: 'Ich habe nichts zu sagen.' Der BF erstattete im Rahmen der Einvernahmen kein relevantes Vorbringen, welches darauf schließen ließ, dass eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage in Afghanistan über die Vorhalte und Fragen während der Einvernahmen hinausgehend erforderlich gewesen wäre, um weitere verfahrensrelevante Sachverhaltselemente darzulegen. Darüber hinaus wurden im gegenständlichen Bescheid die der Entscheidung zugrundeliegenden Länderfeststellungen umfassend dargelegt, sodass der BF überdies die Möglichkeit hatte, in seiner Beschwerde dazu Stellung zu nehmen, wovon er keinen Gebrauch machte. Es wurden keine Punkte vorgebracht, die sich konkret auf den für den BF relevanten Inhalt der Länderfeststellungen beziehen, sodass diese unwidersprochen blieben.

Die Länderfeststellungen des Bundesasylamtes gründen sich auf unbedenkliche, seriöse und aktuelle Quellen, wobei Berichte verschiedener ausländischer Behörden ebenso herangezogen wurden, wie auch Berichte internationaler Organisationen, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen (NGO).

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuf[ü]hren, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Asylgerichtshof von Amtswegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht fallrelevant geändert haben. Die Berichte sind schlüssig und widerspruchsfrei, gründen sich auf eine Vielzahl verschiedener voneinander unabhängiger Quellen, entsprechen dem Amtswissen des Asylgerichtshofes, ohne dass eine weitere Ergänzung vonnöten wäre, und werden diesem Erkenntnis daher vollinhaltlich zugrunde gelegt.

[…]

Im Rahmen der Erstbefragung am 25.08.2010 gab der BF in der Sprache Dari befragt an, dass er aus der afghanischen Provinz Zabol stamme. […]

[…]

Aufgrund der mehrfachen offensichtlichen Versuche des BF, seine wahren Lebensumstände zu verschleiern, um seine[n] Aufenthalt in Österreich (oder zuvor Schweden) zu ermöglichen, besteht keinerlei seriöse Veranlassung, seinen Angaben hinsichtlich seiner örtlichen Herkunft oder seiner (angeblich nicht bestehenden) familiären Bindungen in Afghanistan Glauben zu schenken.

Da somit weder seine Herkunft noch ein mangelndes familiäres Netzwerk in Afghanistan glaubhaft gemacht werden konnten, sondern vielmehr – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Sicherheitslage in Afghanistan je nach Region stark variiert – davon auszugehen war, dass der BF versucht, einen Aufenthalt in Österreich auch durch Falschangaben zu erwirken, konnte nicht festgestellt werden, dass eine Schutzwürdigkeit des BF iSd §8 AsylG im Bezug auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans gegeben ist, dem BF somit subsidiär[er] Schutz nicht zuerkannt werden kann. Abgesehen davon machte der BF im Verfahren keinerlei Andeutungen, dass er oder seine Familie in Afghanistan Probleme iSd §8 AsylG gehabt hätten. Dass es dort zu Selbstmordattentaten und Bombardements käme, ist in dieser Allgemeinheit nicht ausreichend. Unabhängig davon würde die Provinz Zabol, die der BF als seine Heimatprovinz anführt, ohnehin als eines der ruhigsten Gebiete in Afghanistan gelten.

[…]

[…] Aufgrund des Gesamtvorbringens des BF und im Hinblick auf die […] ausgeführten Erwägungen auf Basis der vorliegenden Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung der Art2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ein diesbezügliches Vorbringen wurde nicht glaubhaft erstattet.

Der BF ist laut eigenen Angaben gesund, erwerbsfähig und (aktuell) nicht in Gefahr, aufgrund einer allenfalls unzureichenden medizinischen Behandlung in eine hoffnungslose[…] beziehungsweise unmenschliche Lage zu geraten. Er kann sich in seinem Herkunftsstaat voraussichtlich ein ausreichendes Einkommen sichern. Dies ergibt sich aus seinen Aussagen in Zusammenschau mit den Erkenntnisquellen zu weiten Teilen des Herkunftsstaates.

[…]

[…] Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

[…]

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Was etwa die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.) als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen […].

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt darüber hinaus über eine gewisse Berufserfahrung. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF nicht einmal glaubhaft machen konnte, aus welcher Region er tatsächlich stammt, somit nicht festgestellt werden konnte, dass er aus einer Region kommt, in welcher die Gefahr besteht, dass er bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. In seiner gegen diese Entscheidung gemäß Art144a Abs1 B-VG erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2, 3, 6 und 14 EMRK, Art47 GRC sowie im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Begründend wird u.a. ausgeführt, dass sich der Asylgerichtshof nicht mit der Sicherheitslage "in der angenommenen Heimatprovinz" des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe.

5. Der belangte Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde an den Asylgerichtshof betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan sowie die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan richtet, begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

2. Derartige, in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind dem belangten Asylgerichtshof unterlaufen:

2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art3 EMRK relevant sein (VfSlg 19.602/2011 mwN).

2.2. Der Asylgerichtshof legt der angefochtenen Entscheidung zunächst die Feststellungen zur Lage in Afghanistan, die im Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. August 2011 getroffen wurden, zugrunde. Diese Feststellungen setzen sich ausschließlich mit der Lage der Minderheiten (Minderheitenrechte und Praxis) sowie Rückkehrfragen (Grundversorgung/Wirtschaft, Lebensmittel, Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten, medizinische Versorgung und Behandlung nach Rückkehr) auseinander (vgl. Pkt. I.2.). Darüber hinaus trifft der Asylgerichtshof in einem Absatz seiner Erwägungen auch eigene Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul, die eine gewisse Verbesserung der Sicherheitslage in Kabul aufzeigen. Weiters hält der Asylgerichtshof fest, dass die "aktuelle Situation […] unverändert weder sicher noch stabil" sei, die Sicherheitslage jedoch "regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt" variiere. Feststellungen zur Sicherheitslage in der vom Beschwerdeführer behaupteten Heimatprovinz werden weder in der angefochtenen Entscheidung des Asylgerichtshofes noch im Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. August 2011 getroffen, obwohl das Bundesasylamt – im Gegensatz zum Asylgerichtshof – die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunftsregion – der Provinz Zabul – noch ausdrücklich für glaubhaft erachtet hat. Während des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof wurde keine mündliche Verhandlung durchgeführt und dem Beschwerdeführer auch keine Möglichkeit zur Stellungnahme hinsichtlich jener Länderberichte zur Situation in Kabul gewährt, die der Asylgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat; dem vorgelegten Gerichtsakt lassen sich dazu auch keinerlei Hinweise auf sonstige Ermittlungstätigkeiten entnehmen.

Der Asylgerichtshof gelangt in seiner Beweiswürdigung – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seine Herkunftsregion nicht glaubhaft habe machen können. Angesichts der Sicherheitslage in Afghanistan – die sich auch nur zum Teil aus den vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen ergibt – genügt es jedoch nicht, auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Herkunftsregion und – abgesehen von der vom Asylgerichtshof rudimentär dargestellten Situation in Kabul – pauschal auf die "festgestellte" Situation in Afghanistan abzustellen, sondern wäre es erforderlich gewesen, für den konkreten Einzelfall zu begründen, inwiefern es dem Beschwerdeführer möglich ist, trotz seiner behaupteten jahrelangen Abwesenheit in Afghanistan bzw. in welchem Teil davon zu überleben (vgl. zB VfGH 13.3.2013, U1416/12). Daran ändern auch die – dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebrachten – Ausführungen zur relativ stabilen Lage in Kabul nichts, weil die Entscheidung keinerlei Hinweis darauf enthält, dass der Beschwerdeführer über Bezugspunkte in Kabul verfügt (vgl. zB VfGH 12.3.2013, U1674/12).

Soweit der Asylgerichtshof ausführt, die vom Beschwerdeführer als Heimatregion angegebene Provinz Zabul gelte ohnehin "als eines der ruhigsten Gebiete in Afghanistan", enthält die angefochtene Entscheidung keine nähere Begründung für diese Annahme. Sollte der Asylgerichtshof davon ausgehen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Zabul oder in eine andere Provinz Afghanistans möglich ist, hätte er sich mit den jeweiligen Länderberichten auseinandersetzen müssen, zumal die Sicherheitslage in Afghanistan, wie der Asylgerichtshof ausdrücklich festhält, von Provinz zu Provinz variiert (vgl. zB VfSlg 19.695/2012 mwN).

2.3. Da der Asylgerichtshof somit jegliche Auseinandersetzung mit einem wesentlichen Aspekt für die Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vermissen lässt, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

3. Der Beschwerdeführer ist somit durch die Abweisung der Beschwerde an den Asylgerichtshof betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973).

Da die Ausweisung aus dem Bundesgebiet die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten voraussetzt, ist die bekämpfte Entscheidung auch im Umfang der Abweisung der Beschwerde gegen die verfügte Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

B. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit damit die Abweisung der Beschwerde an den Asylgerichtshof gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bekämpft wird, aus folgendem Grund abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan und gegen seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973).

Die angefochtene Entscheidung ist insoweit aufzuheben.

2. Im Übrigen ist die Behandlung der Beschwerde abzulehnen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Bescheidbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U2478.2012

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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