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50/01 GewerbeordnungNorm
B-VG Art10 Abs1 Z8Leitsatz
Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung der Anmeldung des Gewerbes "Vermittlung von Kunden zu Buchmachern/Wettbüros unter Ausschluss der Tippannahme" wegen Unzuständigkeit der Gewerbebehörde; Zuordnung der Tätigkeit des Wettkundenvermittlers angesichts der Vergleichbarkeit mit der - nicht in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung fallenden - Tätigkeit der Buchmacher und Totalisateure zur Landeskompetenz; Einordnung in den selbständigen Kompetenztatbestand der Privatgeschäftsvermittlung nicht zwingend; kein Eingriff in das - im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot - auch für Unionsbürger geltende Recht auf Freiheit der ErwerbsbetätigungRechtssatz
Gegen §2 Abs1 Z22 GewO 1994, der die Vermittlung und den Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen (Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher) vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausnimmt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl VfSlg 1477/1932).
Kein Entzug des gesetzlichen Richters.
Die Regelung der Tätigkeit der "Buchmacher und Totalisateure" fällt nicht unter den Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z8 B-VG "Gewerbe und Industrie", sondern verbleibt gemäß Art15 Abs1 B-VG in der Zuständigkeit der Länder. Die einfachgesetzliche Ausnahme in §2 Abs1 Z22 GewO 1994 entspricht der Verfassungsrechtslage.
Es ist jedoch nicht nur die Tätigkeit eines Buchmachers oder Totalisateurs und die damit im Zusammenhang stehende Vermittlung von Wetten der Landeskompetenz zuzuordnen, sondern auch die Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher und Totalisateure. Denn auch die letztgenannte Tätigkeit ist im Rahmen eines einheitlichen Lebenssachverhalts der Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher vorgeschaltet und in diesem Sinne untrennbar mit einer Veranstaltung iSd von der Gewerbeordnung ausgenommenen Unternehmungen öffentlicher Belustigungen und Schaustellungen aller Art (Art15 Abs3 B-VG) verbunden.
Der Kompetenztatbestand der "öffentlichen Agentien und Privatgeschäftsvermittlung" des Art10 Abs1 Z8 B-VG erfasst verschiedenartige Erwerbstätigkeiten, deren gemeinsames Merkmal "in einer Vermittlung von Geschäften oder in einer bevollmächtigten Geschäftstätigkeit für andere besteht". Eine sachliche Eingrenzung des Kompetenztatbestandes auf bestimmte Privatgeschäfte kann aus ihm nicht abgeleitet werden. Grundsätzlich kann deshalb jede Art der selbständigen Vermittlung von privaten Rechtsgeschäften vom Kompetenztatbestand der "öffentlichen Agentien und Privatgeschäftsvermittlung" erfasst sein.
Es ist ungeachtet des selbständigen Kompetenztatbestandes jedoch nicht zwingend, dass Regelungen über die selbständige Tätigkeit der Vermittlung von Privatgeschäften kompetenzrechtlich anders als das Hauptgeschäft einzuordnen sind.
Im Hinblick auf die Tätigkeit der Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher und Totalisateure bedeutet dies, dass die Tätigkeit des Wettkundenvermittlers mit dem Berufsbild der Buchmacher und Totalisateure vergleichbar ist. Beide Berufsgruppen bedienen sich auf Grund neuerer technischer Entwicklungen zu ihrer Tätigkeit vielfach eines Wettterminals oder des Internets. Der Wettkundenvermittler verfolgt unter anderem das Ziel, dass der von ihm vermittelte Wettkunde eine Wette abschließt, um die dafür vereinbarte Vermittlungsgebühr zu erhalten. Da die Tätigkeit des Vermittlers von Wettkunden jener des Buchmachers und Totalisateurs dergestalt vorgeschaltet ist, besteht ein enger, ja untrennbarer systematischer Zusammenhang zwischen diesen Tätigkeiten. Es besteht deshalb nicht nur für die Tätigkeit der Buchmacher und Totalisateure, sondern auch in Bezug auf die Vermittlung von Wettkunden die "größte Ähnlichkeit" zu den von der Gewerbeordnung ausgenommenen Unternehmungen öffentlicher Belustigungen und Schaustellungen (iSd Erk VfSlg 1477/1932).
Die belangte Behörde hat daher ihre Unzuständigkeit zur Gewerbeanmeldung des freien Gewerbes "Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher/Wettbüros, unter Ausschluss der Tippannahme" zu Recht erklärt. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist somit nicht verletzt worden.
Kein Eingriff ins Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit.
Angesichts des Verbotes der Diskriminierung von Unionsbürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art18 AEUV) ist im Anwendungsbereich des Unionsrechts im Ergebnis von einer Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereiches der Freiheit der Erwerbsbetätigung auf Unionsbürger auszugehen (vgl VfSlg 19077/2010).
Der Beschwerdeführer kann die Tätigkeit der "Vermittlung von Kunden zu Buchmachern/Wettbüros, unter Ausschluss der Tippannahme" zwar nicht im Rahmen eines freien Gewerbes nach den Regelungen der GewO 1994 erbringen, es steht ihm jedoch offen, seine Tätigkeit im Rahmen landesgesetzlicher Vorschriften auszuüben. Der Zugang zur Tätigkeit wird dem Beschwerdeführer dementsprechend durch den angefochtenen Bescheid nicht verwehrt, sodass nicht einmal ein Eingriff in das genannte Recht stattgefunden hat.
Weiters kein Eingriff in die durch die EU-Grundrechte-Charta garantierten Rechte auf Berufsfreiheit gem Art15 GRC und auf unternehmerische Freiheit gem Art16 GRC.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Gewerberecht, Gewerbeanmeldung, Wetten, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, Veranstaltungswesen, Behördenzuständigkeit, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B1316.2012Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014