TE Vwgh Erkenntnis 2013/9/19 2013/01/0100

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Veröffentlicht am 19.09.2013
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art140 Abs7;
StbG 1985 §29 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2013/01/0102 2013/01/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerden der beschwerdeführenden Parteien 1. E, 2. N, 3. V, alle in W, alle vertreten durch Dr. Karin Metz, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Praterstraße 25A/19, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung je vom  28. August 2009, 1.) Zl. MA 35/III - B 22/2009, 2.) Zl. MA 35/III - B 21/2009, 3.) Zl. MA 35/III - B 1/2009, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden stellte die belangte Behörde fest, dass die beschwerdeführenden Parteien die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 29 Abs. 1 StbG mit Wirkung vom 18. Februar 1998 verloren haben (jeweils Spruchpunkt 1.) und wies die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf rückwirkende Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 28 Abs. 1 und 3 StbG ab (jeweils Spruchpunkt 2.).

Begründend wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe bereits in einem anderen Verfahren festgestellt, dass die Eltern der beschwerdeführenden Parteien infolge ihrer (Wieder)Aufnahme in den türkischen Staatsverband die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG mit Wirkung vom 18. Februar 1998 verloren hätten. Nach der Aktenlage sei in Bezug auf die beschwerdeführenden Parteien daher der Verlusttatbestand des § 29 Abs. 1 StbG verwirklicht und hätten diese daher ebenso mit Wirkung vom 18. Februar 1998 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Eine nachträgliche bzw. rückwirkende Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei gesetzlich nicht möglich.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Erledigung verbunden wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Aus Anlass der Beschwerdefälle stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 31. Mai 2012, Zlen. A 2012/0011-0013 (2009/01/0052-0054) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 29 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, in eventu die Wortfolge "1. seine ehelichen Kinder, 2." in § 29 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2013, G 68/2012-7, G 120/2012-7, hob der Verfassungsgerichtshof § 29 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG), BGBl. Nr. 311 (Wv.), als verfassungswidrig auf. Weiters sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2014 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2013, Zl. 2013/01/0009, mwN).

Die vorliegenden Beschwerdefälle bilden Anlassfälle für die Aufhebung des § 29 Abs. 1 StbG 1985.

Die belangte Behörde hat jeweils den Spruchpunkt 1. der angefochtenen Bescheide auf die zuletzt genannte Bestimmung gestützt, die nach dem Gesagten in den Beschwerdefällen nicht (mehr) anzuwenden war. Damit ist auch die rechtliche Grundlage für den damit jeweils in Zusammenhang stehenden Spruchpunkt 2. der angefochtenen Bescheide weggefallen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013010100.X00

Im RIS seit

14.10.2013

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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