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27/01 RechtsanwälteNorm
B-VG Art7 Abs1Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte wegen VertrauensunwürdigkeitSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
II. Der Antrag auf Abtretung wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer war von 1989 bis 22. Dezember 2004 Rechtsanwalt in Tirol. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2004 wurde er auf Grund der Abweisung eines Konkursantrages gegen ihn mangels kostendeckenden Vermögens (ex lege) aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 2005 wurde er wegen der Verbrechen der Veruntreuung gemäß §133 Abs1 und 2, 2. Fall StGB und der Untreue gemäß §153 Abs1 und 2, 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 29. November 2011 auf drei Jahre und acht Monate herabgesetzt. Von dieser Haftstrafe hat der Beschwerdeführer ein Jahr und vier Monate verbüßt. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Dezember 2011 wurde die Verbüßung der Reststrafe wegen Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorläufig aufgeschoben.
2. Am 8. Juni 2010 beantragte der Beschwerdeführer bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 beantragte der Beschwerdeführer, mit der Entscheidung im Verfahren über die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zuzuwarten, bis über seinen Antrag auf Erlass der restlichen Haftverbüßung beim Landesgericht Innsbruck entschieden sei. Mit Schreiben vom 19. Jänner 2012 legte der Beschwerdeführer den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 29. November 2011 über die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, ein medizinisches Gutachten zur Haftfähigkeit des Beschwerdeführers sowie den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Dezember 2011 über den Aufschub des Strafvollzuges bis 1. Jänner 2014 vor und beantragte, "das gegenständliche Verfahren unter Würdigung der vorliegenden Beweise [...] fortzusetzen […]".
3. Mit Beschluss des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 9. Februar 2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer habe Handlungen begangen, die ihn des Vertrauens unwürdig machen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Beschluss der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom 27. August 2012 mit der Begründung keine Folge gegeben, die Auffassung der Behörde erster Instanz begegne keinen Bedenken. Weiters bestehe nach wie vor eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Beschwerdeführers.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verfassungswidrigkeit von §5 Abs2 und Abs6 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO) behauptet wird.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete aber keine Gegenschrift.
II. Rechtslage
§5 Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. 96/1868 idF BGBl I 111/2007, lautet:
§5. (1) Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.
(1a) Ist fraglich, ob das vom Bewerber abgeschlossene Studium des österreichischen Rechts den Voraussetzungen des §3 entspricht, kann der Ausschuss vor seiner Entscheidung auf Kosten des Bewerbers im Wege des Präses der gemäß §5 Abs4 ABAG zuständigen Ausbildungsprüfungskommission ein Gutachten eines oder mehrerer Prüfungskommissäre aus dem Kreis der Universitätsprofessoren (§3 Abs3 ABAG) einholen.
(2) Die Eintragung in die Liste ist zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Der Ausschuß hat die notwendigen Erhebungen zu pflegen und, wenn die Eintragung verweigert werden soll, den Bewerber vorher einzuvernehmen.
(3) Sonst ist, wenn dem Bewerber nicht ein Grund nach strafgesetzlichen Vorschriften oder nach den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegensteht, die Eintragung zu bewilligen.
(4) Inwiefern die Eintragung infolge eines Disziplinarerkenntnisses zu verweigern ist, bestimmen die Disziplinarvorschriften.
(5) Die erfolgte Eintragung ist im Internet auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (http://www.rechtsanwaelte.at) unverzüglich und allgemein zugänglich zu veröffentlichen.
(6) Wird die Eintragung wegen Vertrauensunwürdigkeit abgewiesen, so kann ein neuerliches Eintragungsansuchen bei keiner Rechtsanwaltskammer vor Ablauf von drei Jahren seit der rechtskräftigen Abweisung gestellt werden.
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1.1. Soweit der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit von §5 Abs2 RAO behauptet, weil die Formulierung "des Vertrauens unwürdig macht" zu unbestimmt sei bzw. gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verstoße, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §5 Abs2 RAO zu verweisen, wonach gegen diese Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. VfSlg 17.999/2006 und die darin zitierte Vorjudikatur).
1.2. Die vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig bezeichnete Bestimmung des §5 Abs6 RAO ist nicht präjudiziell (zB VfSlg 11.401/1987, 11.979/1989, 14.078/1995, 15.634/1999 und 15.673/1999).
2. Auch sonst sind gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen aus Anlass des vorliegenden Falles keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden. Der Beschwerdeführer ist daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
3. Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid verletze ihn in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK.
3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
3.1.1. Die OBDK hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich mit den einzelnen Argumenten des Beschwerdeführers auseinander gesetzt. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis VfSlg 17.999/2006 Folgendes ausführlich dargelegt:
"Bei jedem Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte hat die Behörde gemäß §5 Abs2 RAO auch die Vertrauenswürdigkeit des Eintragungswerbers zu prüfen. Das Eintragungshindernis des §5 Abs2 RAO beruht nicht auf der Anwendung strafgesetzlicher Bestimmungen, sondern darauf, dass der Eintragungswerber Handlungen begangen hat, die ihn vertrauensunwürdig machen. Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit kommt es darauf an, ob sein gesamtes Verhalten geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken (VwSlg. 8915 A/1975). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach Auffassung des VfGH ist es unmaßgeblich, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit liegen, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Rechtsanwalt überhaupt zukommt. Der Rechtsanwaltsstand verlangt, dass sich Standesangehörige eines einwandfreien, absolut verlässlichen Verhaltens befleißigen und insbesondere in Geldangelegenheiten Sauberkeit walten lassen (AnwBl. 1978, 972)."
Der belangten Behörde kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegen getreten werden, wenn sie auch hier die nicht geordneten bzw. nicht geregelten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers im Interesse der rechtsschutzsuchenden Bevölkerung beachtet hat.
3.1.2. Der Beschwerdeführer ist daher nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
3.2. Angesichts dessen kommt auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht in Betracht.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
3. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
4. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
5. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist abzuweisen, weil die OBDK als Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG eingerichtet ist und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzlich nicht vorgesehen ist (vgl. Punkt IV.3.). Da die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes somit ausgeschlossen ist, kommt eine Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG nicht in Betracht (vgl. VfSlg 11.954/1989).
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, BerufsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B1450.2012Zuletzt aktualisiert am
15.10.2013