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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §207;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 4020 Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 21. Dezember 1999, Zl. RV 78/1-7/98, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war neben acht weiteren Personen Gesellschafter der L GmbH und Kommanditist der
T Kommanditgesellschaft.
Mit Notariatsakt vom 8. November 1991 traten alle Gesellschafter ihre jeweiligen Geschäfts- bzw. Gesellschaftsanteile an den beiden Gesellschaften an einen Erwerber ab.
Mit Bescheiden vom 22. März 1993 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz (im Folgenden kurz: Finanzamt) für die Übertragung der Geschäfts- und Kommanditanteile die Rechtsgebühr für Zessionen gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG fest.
Mit dem als "Solidarschuld-Bescheid" überschriebenen Bescheid vom 16. Mai 1997 schrieb das Finanzamt dem Beschwerdeführer für die Abtretung seines Kommanditanteiles die Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 GebG ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 3,100.000,-- vor. Gleiche Bescheide ergingen auch gegen die übrigen acht Gesellschafter.
Gegen den Bescheid vom 16. Mai 1997 berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, es sei mit Ende des Jahres 1996 Festsetzungsverjährung eingetreten. Unzweifelhaft sei er ebenso wie der Erwerber der Kommanditanteile auf Grund des § 28 Abs. 1 GebG Gesamtschuldner der für dieses Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Gebühr. Die Gebührenschuld sei am 8. November 1991, dem Zeitpunkt der Unterzeichnung der Urkunde entstanden. Die fünfjährige Verjährungsfrist beginne mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, also mit Ablauf des Jahres 1991. Ohne Unterbrechungshandlungen ende die Verjährungsfrist demnach mit Ende 1996. Es sei ihm gegenüber während dieser Zeit weder ein Vorhalt oder ein Bescheid erlassen noch sonst eine verjährungsunterbrechende Handlung gesetzt worden. Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führe die eindeutig nur an einen Gesamtschuldner gerichtete Festsetzung und Geltendmachung des Abgabenanspruches zur Unterbrechung der Verjährung lediglich diesem und nicht den anderen Mitschuldnern gegenüber. Der an den Erwerber ergangene Bescheid vom 22. März 1993 betreffend Vorschreibung der Rechtsgebühr für die Abtretung der Kommanditanteile habe die für den Beschwerdeführer laufende Verjährungsfrist nicht unterbrochen. Weiters sei der an den Erwerber gerichtete Berichtigungsbescheid vom 9. Mai 1997 zu Unrecht ergangen und es sei nicht geklärt, inwieweit die Solidarschuld durch Zahlungen des anderen Gesamtschuldner bereits beglichen worden sei.
In ihrer abweislichen Berufungsvorentscheidung wies die erstinstanzliche Behörde auf die Entscheidung des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995, Zl. 91/13/0037, VwSlg. 7.038/F, hin. Die bis dahin ständige Rechtsprechung, die eindeutig gegen einen Gesamtschuldner gerichtete Festsetzung unterbreche nicht die Verjährung gegen andere Mitschuldner, sei durch diesen verstärkten Senat aufgegeben worden und die Entscheidungsgrundsätze dieses Erkenntnisses seien auch auf den Beschwerdefall anzuwenden.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und vertrat die Ansicht, in jenem verstärkten Senat sei es um die Einhebungsverjährung fälliger Abgaben nach § 238 Abs. 1 BAO gegangen und seine Aussage beziehe sich auf eine bereits feststehende Gesamtschuldnerschaft. Im Beschwerdefall gehe es hingegen um die Festsetzungsverjährung. Mit der Bescheidzustellung an den Erwerber sei damit nicht auch die Zustellung an den Beschwerdeführer erfolgt und ein einheitlicher Abgabenbescheid an alle Gesamtschuldner sei nicht ergangen.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, bei Gesamtschuldverhältnissen wirkten Unterbrechungshandlungen gegen alle Gesamtschuldner. Diese Unterbrechungshandlungen müssten nur nach außen hin wirksam und einwandfrei erkennbar sein, sie müssten sich aber weder gegen den Abgabenschuldner selbst richten, noch müssten sie ihm zur Kenntnis gelangen. Seien aber bereits nach außen gerichtete Ermittlungsschritte der Behörde zur Feststellung des Abgabepflichtigen, auch wenn diese ihm unbekannt geblieben seien, geeignet, die Bemessungsverjährung bis zur absoluten Verjährungsfrist hinaus zu verlängern, so müsse dies umso mehr ein bereits erlassener Abgabenbescheid an einen weiteren Gesamtschuldner bewirken. Unter Hinweis auf den verstärkten Senat des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995, Zl. 91/13/0037, VwSlg. 7.038/F, nach dem der Ablauf von Verjährungsfristen im Abgabenrecht nicht mehr wie im bürgerlichen Recht subjektbezogen sondern objektbezogen zu sehen sei, müsse die bisherige Rechtsprechung, wonach die eindeutig gegen einen Gesamtschuldner gerichtete Festsetzung die Verjährung gegen andere Mitschuldner nicht unterbreche, aufgegeben werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtfestsetzung der Gebühr gemäß § 33 TP 16 GebG wegen Verjährung der Gebührenschuld gemäß §§ 207 ff BAO verletzt.
Die belangte Behörde legte den Akt des Verwaltungsverfahrens und die Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Bescheide vom 22. März 1993 wurden an den Erwerber zugestellt. Der Beschwerdeführer war nicht Bescheidadressat dieser Bescheide und eine Zustellung auf Grund der Zustellfiktion des § 101 Abs. 1 BAO konnte auch deshalb nicht rechtswirksam erfolgen, weil auf eine solche Rechtsfolge in diesen Bescheiden nicht hingewiesen worden ist. Demnach sind diese Bescheide an den Beschwerdeführer nicht ergangen.
Für die Verjährungseinrede des Beschwerdeführers ist entscheidend, ob die an den Erwerber ergangenen Abgabenbescheide vom 22. März 1993 die Festsetzungsverjährung für die mit Ablauf des Jahres 1991entstandene Gebührenschuld auch gegenüber dem Beschwerdeführer unterbrochen haben.
Gemäß § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, unterbricht jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Behörde unternommene, nach außen erkennbare Handlung die Verjährung auch dann, wenn sich diese Handlung nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person gerichtet hat. Nach der vor der Entscheidung des verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, Zl. 91/13/0037, VwSlg. 7.038/F, ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte die eindeutig nur gegen einen Gesamtschuldner gerichtete Festsetzung dem durch sie nicht berührten Gesamtschuldner nicht schaden (siehe zB die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1984, Zl. 82/16/0140, vom 14. Februar 1991, Zl. 89/16/0218, und vom 2. Juli 1992, Zlen. 91/16/0071, 0073; anderer Ansicht nur das hg. Erkenntnis vom 17. September 1976, Zl. 934/75).
In dem bereits erwähnten verstärkten Senat hat sich der Verwaltungsgerichtshof für den damals zu beurteilenden Bereich der Einhebungsverjährung zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen bekannt. Er führte dazu aus, dass er die im hg Erkenntnis vom 17. Dezember 1963, Slg. Nr 2994/F, zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Bundesabgabenordnung angestellte - und in den Folgeerkenntnissen auch für den Geltungsbereich der BAO aufrechterhaltene - Überlegung, dass die im bürgerlichen Recht geltenden Grundsätze über den gesonderten Ablauf von Verjährungsfristen gegen jeden einzelnen von mehreren Gesamtschuldnern auch für das öffentlich-rechtliche Steuerschuldverhältnis Geltung beanspruchen dürften, nicht teilt.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt mit dem Erkenntnis des verstärkten Senates den Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen nicht mehr aufrecht und bekannte sich zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen; die hat auch für den Bereich der Bemessungsverjährung zu gelten.
Es erschiene auch inkonsequent, wenn Unterbrechungshandlungen einer niedrigeren Stufe, nämlich Anfragen, Erhebungen, Ermittlungen und sonstige Verfahrensmaßnahmen, im Vorfeld der Bescheiderlassung veranlasst, jede für sich verjährungsunterbrechend wirken sollten, während Unterbrechungshandlungen der höchsten Stufe, nämlich die bescheidmäßigen Abgabenfestsetzungen, nicht auf das Gesamtschuldverhältnis insgesamt durchschlagen und nicht allen Gesamtschuldnern gegenüber verjährungsunterbrechend wirken sollten (vgl. Stoll, BAO-Kommentar1 , 202). Diese Einschränkung würde sich auch nur schwer mit dem Gedanken der Einheitlichkeit des Abgabenanspruches vertragen (vgl. Ritz, RdW 1983, 87, 90).
Es konnte somit von einer Verstärkung des Senates gemäß § 13 VwGG Abstand genommen werden, weil die hier getroffene Entscheidung in der Rechtsansicht des verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, Zl. 91/13/0037, VwSlg. 7.038/F, Deckung findet.
Der an den Erwerber am 22. März 1993 ergangene Abgabenbescheid betreffend Rechtsgebühr hat die Festsetzungsverjährung gegenüber den Beschwerdeführer als weiteren Gesamtschuldner unterbrochen. Der an den Beschwerdeführer erlassene Bescheid vom 16. Mai 1997 erging innerhalb der nach erfolgter Unterbrechung der Verjährung mit Ablauf des Jahres 1993 neu begonnen fünfjährigen Verjährungsfrist.
Da die Verjährungseinrede sich als nicht berechtigt erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 9. November 2000
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000160336.X00Im RIS seit
11.07.2001