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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
EIRAG 2000 §5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des T in K, vertreten durch Dr. Thomas Ruza, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 6/13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 15. April 2010, Zl. Senat-PL-09-0113, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO 1960 schuldig erkannt und eine - von der belangten Behörde auf EUR 130,-- herabgesetzte -
Geldstrafe verhängt. Die belangte Behörde hat das Straferkenntnis mit der beschriebenen Abänderung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestätigt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. Februar 2011, B 730/10, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 51e Abs. 3 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird (Z. 1) oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet (Z. 2) oder im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (Z. 3) oder sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet (Z. 4) und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.
Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen.
Gemäß § 51e Abs. 5 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Im Beschwerdefall war der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht durch einen österreichischen Rechtsanwalt oder einen Einvernehmensanwalt vertreten. Unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK konnte daher die Unterlassung der Antragstellung auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zum Verlust des Rechtes des Beschwerdeführers auf die in Strafsachen grundsätzlich garantierte mündliche Verhandlung führen, es sei denn, er wäre über die Antragstellung belehrt worden oder es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er von dieser Möglichkeit wissen musste (vgl. einen ebenfalls unvertretenen Berufungswerber betreffend das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2010/04/0123, mwN).
Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren über die Antragstellung betreffend eine mündliche Verhandlung nicht belehrt. Es bestanden auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er von dieser Möglichkeit wissen musste, da der angefochtene Bescheid den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge nach Vorlage der Berufung an die belangte Behörde erlassen wurde und sich auch in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine entsprechende Belehrung findet.
Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 11. September 2013
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2011020072.X00Im RIS seit
08.10.2013Zuletzt aktualisiert am
23.12.2014