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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des WH in H, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 21. Mai 2013, Zl. BMJ-Pr45102/0012-Pr 7/2013, betreffend Entzug einer Naturalwohnung samt Pkw-Abstellplatz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Antrag des Beschwerdeführers nach § 80 Abs. 9 BDG 1979 abweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand - zuletzt als Abteilungsinspektor im Bereich der Justizanstalt H - in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde mit Ablauf des 31. März 2013 in den Ruhestand versetzt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 1985 war ihm eine näher bezeichnete Dienstwohnung zugewiesen worden, die über seinen Antrag mit weiterem Bescheid vom 2. November 1987 in eine Naturalwohnung umgewandelt worden war. Weiters war dem Beschwerdeführer das Recht zur Nutzung eines nicht überdachten Pkw-Abstellplatzes eingeräumt worden.
Mit Eingabe vom 16. Jänner 2013 beantragte er - neben der Verlängerung der Räumungsfrist - "eine Weiterbelassung" der Naturalwohnung im Ruhestand zu gewähren. Er verwies auf seine Wohnsituation (die Wohnung war - jedenfalls zunächst - auch von seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter benutzt worden) sowie auf die Vornahme von Investitionen.
Mit Bescheid vom 9. April 2013 entzog ihm die Vollzugsdirektion als Dienstbehörde erster Instanz die genannte Naturalwohnung samt Pkw-Abstellplatz mit Wirkung vom 30. April 2013 gemäß § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979. Gleichzeitig gab sie dem Ansuchen um weitere Benützung der Naturalwohnung gemäß § 80 Abs. 9 BDG 1979 nicht statt, verlängerte jedoch gemäß § 80 Abs. 7 BDG 1979 die Räumungsfrist (im höchstmöglichen Ausmaß) bis 30. April 2014. Zugleich setzte sie die zu leistende Grundvergütung für den Zeitraum ab 1. April 2013 neu fest.
Begründend verwies sie nach Hinweis auf die Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand darauf, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979 erfüllt seien, sowie darauf, dass das gegenständliche Wohngebäude "dem Verwertungsprozess (Verkauf) durch die A. GmbH angeschlossen" werde.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, dass die in § 80 Abs. 9 BDG 1979 normierten Voraussetzungen für eine Weitergestattung der Benützung vorlägen. Die Wohnung werde, wie aus der mit einer Verkaufsabsicht argumentierenden Begründung des Bescheides hervorgehe, nicht für einen Beamten des Dienststandes benötigt. Eine nach der genannten Gesetzesstelle gebotene Interessenabwägung sei gänzlich unterblieben. In deren Rahmen wäre zu berücksichtigen gewesen, dass er aus Anlass der Umwandlung der Dienstwohnung in eine Naturalwohnung auf die Weitergestattung der Benützung habe vertrauen dürfen, dass er im Hinblick darauf "erhebliche Mittel in die Sanierung und Erhaltung der Wohnung gesetzt" habe sowie dass auf der Liegenschaft eine Einheit leer stehe und andere Wohnungen von im Ruhestand befindlichen Beamten genutzt würden. Die Nichtgestattung der Weiterbenützung sei ihm gegenüber somit willkürlich erfolgt und habe gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung nicht Folge.
Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, dass die Erstbehörde § 80 Abs. 5 Z. 1 BDG 1979, der für die Entziehung einer Naturalwohnung auf Grund der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand keine Übung von Ermessen vorsehe, richtig angewendet habe. Das in § 80 Abs. 9 BDG 1979 normierte Erfordernis des Fehlens eines subjektiven Rechts auf Benützung der Naturalwohnung sei somit erfüllt. Grundsätzlich bestünde daher die Möglichkeit, dem Beschwerdeführer nach dieser Bestimmung die tatsächliche Benützung so lange zu gestatten, als die Wohnung nicht für einen Beamten des Dienststandes dringend benötigt werde. Der Umstand, dass ein derart dringender Bedarf die Gestattung der Weiterbenützung ausschließe, erlaube allerdings nicht den Umkehrschluss, dass die tatsächliche Benützung jedenfalls zu gestatten sei, wenn die Wohnung nicht für Beamte des Dienststandes dringend benötigt werde. Bei der Entscheidung der Dienstbehörde handle es sich "um einen in ihrem Ermessen gelegenen Willensakt", mit dem ein neuer Benützungstitel geschaffen werde. Habe ein Beamter aber schon keinen Anspruch auf die Zuweisung einer Naturalwohnung, so müsse dies umso mehr für die Gestattung ihrer weiteren Benützung gelten, "bei dem ein früheres Rechtsverhältnis aus einem anderen Titel fortgesetzt" werde. Eine "besondere Begründung durch die Dienstbehörde" sei daher nicht erforderlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Darin werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend gemacht, ihn aus diesen Gründen im Sinn einer Stattgebung der Berufung abzuändern oder den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 80 BDG 1979 (Abs. 4a, Abs. 5 Z. 1 und Abs. 7a in der Fassung der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, die übrigen Bestimmungen in der Stammfassung des BGBl. Nr. 333) lauten auszugsweise:
"Sachleistungen
§ 80. ...
(2) Dem Beamten kann im Rahmen des Dienstverhältnisses eine Dienst- oder Naturalwohnung zugewiesen werden. Dienstwohnung ist eine Wohnung, die der Beamte zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben beziehen muss, Naturalwohnung ist jede andere Wohnung. Die Zuweisung oder der Entzug einer Dienst- oder Naturalwohnung hat durch Bescheid zu erfolgen.
(3) Durch die Zuweisung einer Dienst- oder Naturalwohnung an den Beamten wird kein Bestandverhältnis begründet.
(4) ...
(4a) Die Dienstbehörde hat die Dienst- oder Naturalwohnung zu entziehen, wenn das Dienstverhältnis aus einem anderen Grund als dem des Todes des Beamten aufgelöst wird.
(5) Die Dienstbehörde kann die Dienst- oder Naturalwohnung
entziehen, wenn
1. der Beamte an einen anderen Dienstort versetzt wird
oder aus dem Dienststand ausscheidet, ohne dass das
Dienstverhältnis aufgelöst wird,
2. …
3. die Wohnung auf eine Art verwendet werden soll, die
in höherem Maße den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung,
4. …
(7) Ist eine Dienst- oder Naturalwohnung entzogen worden, so hat sie der Beamte innerhalb der ortsüblichen Frist zu räumen. Die Räumungsfrist kann, wenn es das dienstliche Interesse erfordert, bis auf einen Monat herabgesetzt werden. Eine Verlängerung der Räumungsfrist bis auf insgesamt ein Jahr ist zulässig, wenn der Beamte glaubhaft macht, dass es ihm nicht gelungen ist, innerhalb der Räumungsfrist eine andere Wohnmöglichkeit zu erhalten.
(7a) Wird die Dienst- oder Naturalwohnung innerhalb der Räumungsfrist nicht geräumt, so ist der Vollziehungsbescheid nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53, zu vollstrecken.
(8) Die Abs. 2 bis 7a gelten sinngemäß auch für … Abstellplätze, es sei denn, dass für die Benützung eine privatrechtliche Vereinbarung maßgebend ist.
(9) Die Dienstbehörde kann dem Beamten, der an einen anderen Dienstort versetzt wurde, dem Beamten des Ruhestandes oder den Hinterbliebenen des Beamten, die mit diesem bis zu dessen Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, so lange die tatsächliche Benützung der Naturalwohnung gestatten, als diese nicht für einen Beamten des Dienststandes dringend benötigt wird. Die Abs. 3 bis 8 gelten sinngemäß."
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "Recht auf (gesetzmäßige) Entscheidung in Sachen (Weiterbenützung) einer Naturalwohnung im Ruhestand" verletzt und verweist insoweit auf seinen gemäß § 80 Abs. 9 BDG 1979 gestellten Antrag. Er vertritt im Übrigen die Ansicht, dass sowohl die Bestimmungen des Abs. 5 als auch des Abs. 9 in § 80 BDG 1979 eine Ermessensentscheidung gebieten, wobei eine korrekte Ermessensübung jeweils eine Entscheidung zu seinen Gunsten ermöglicht hätte.
Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, von der abzugehen die Beschwerde keinen Anlass bietet, dass die Inanspruchnahme der in § 80 Abs. 5 BDG 1979 genannten konkreten Entziehungsmöglichkeiten als eine an die Dienstbehörde gerichtete Vorschrift zu werten ist, aus der bei Vorliegen der gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen die Berechtigung und Verpflichtung der Dienstbehörde zur Entziehung der Dienst- oder Naturalwohnung, nicht aber eine über die Feststellung des (fallbezogen unstrittigen) Vorliegens der im Gesetz genannten Tatbestände hinausgehende Begründungspflicht im Sinn einer Ermessensregelung folgt. Hingegen sieht § 80 Abs. 9 BDG 1979 eine Interessenabwägung vor (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. Juni 2004, Zl. 2004/12/0063, vom 14. Dezember 2005, Zl. 2003/12/0117, und vom 30. Mai 2011, Zl. 2011/12/0056).
Dies hat die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Z 1 BDG 1979 zutreffend erkannt. Soweit sie allerdings bei der Erledigung des Antrages nach § 80 Abs. 9 BDG 1979 eine Interessenabwägung als nicht geboten erachtete, steht diese Ansicht im Widerspruch zur zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Auch die Begründung der Erstbehörde, es sei der Verkauf des Wohngebäudes beabsichtigt, überzeugt - abgesehen davon, dass die Nennung eines einzelnen Gesichtspunktes keine Abwägung der divergierenden Interessen des Bundes einerseits und des Beschwerdeführers andererseits darstellen kann - nicht, weil dem Gesetz keine Regelung zu entnehmen ist, wonach der Bund Eigentümer der von ihm vergebenen Naturalwohnung sein müsse. Der Eigentumsübergang an der Liegenschaft, auf welcher (fallbezogen mehrere) Naturalwohnungen errichtet worden sind, entfaltet daher keine Auswirkung auf das öffentlich-rechtliche Benützungsverhältnis (vgl. neuerlich etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 2004, Zl. 2004/12/0063).
Soweit die belangte Behörde schließlich in ihrer Gegenschrift im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 80 Abs. 9 BDG 1979 auf den (im Verwaltungsverfahren nicht einmal herangezogenen) Tatbestand des § 80 Abs. 5 Z. 3 BDG 1979 verweist, ist sie daran zu erinnern, dass es sich bei der Entziehung einer Naturalwohnung nach § 80 Abs. 5 BDG 1979 einerseits sowie der Gestattung ihrer Benützung nach § 80 Abs. 9 BDG 1979 andererseits um verschiedene "Verwaltungssachen" handelt, die in gesonderten Verfahren abzuhandeln und in gesonderten Bescheiden bzw. Spruchpunkten zu erledigen sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 27. September 2005, Zl. 2005/12/0199, sowie das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2005, Zl. 2003/12/0117).
In der Sache ist, unter Berücksichtigung des in § 80 Abs. 9 BDG 1979 enthaltenen Verweises (auch) auf die Bestimmung des Abs. 5 Z. 3 dieser Norm, zur Argumentation der belangten Behörde ergänzend anzumerken, dass eine in höherem Maße den Interessen der Verwaltung dienende Verwendung der Wohnung nach § 80 Abs. 5 Z. 3 BDG 1979 nur im Sinne eines Bedarfs der Gebietskörperschaft an den Räumen selbst - und damit nicht am Eingang eines durch den Verkauf des Hauses erzielten Erlöses - verstanden werden kann (siehe etwa das zum inhaltlich insoweit ähnlichen Kündigungstatbestand nach § 30 Abs. 2 Z 11 MRG ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. Mai 1986, 7 Ob 579/86, sowie Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22, § 30 MRG, Rz 55 mwN). Private Interessen eines Käufers des Hauses am Wohnobjekt könnten umso weniger ein "Interesse der Verwaltung" begründen.
Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er die Abweisung des nach § 80 Abs. 9 BDG 1979 gestellten Antrages ohne Vornahme einer - auf Grund einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten rechtlichen Beurteilung als nicht erforderlich angesehenen - Interessenabwägung billigte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Im Übrigen erweist sich die Beschwerde, welche die Entscheidungen über die Räumungsfrist sowie die Grundvergütung nicht einmal inhaltlich anspricht, als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 16. September 2013
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013120098.X00Im RIS seit
08.10.2013Zuletzt aktualisiert am
18.12.2013