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L2001 PersonalvertretungNorm
VfGG §33, §82 Abs1Leitsatz
Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags sowie der Beschwerde gegen eine als Bescheid zu qualifizierende Erledigung betreffend Erklärung des Amtsverlustes eines Personalvertreters als verspätet; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde gegen einen Zurückweisungsbescheid der WahlkommissionSpruch
I. 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als verspätet zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Bescheid der Zentralpersonalvertretung I der Landeshauptstadt Innsbruck richtet, als verspätet zurückgewiesen.
II. 1. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Bescheid der Wahlkommission für die Wahlen der Zentralpersonalvertretung I, der Dienststellenpersonalvertretungen und der Behindertenvertrauensperson 2012 der Landeshauptstadt Innsbruck richtet, abgelehnt.
2. Die Beschwerde wird insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung
1. Der Beschwerdeführer ist Beamter der Landeshauptstadt Innsbruck. Am 27./28. Februar 2012 wurde er zum Mitglied der Dienststellenpersonalvertretung 7 der Berufsfeuerwehr Innsbruck gewählt.
1.1. Mit Erledigung der Zentralpersonalvertretung I der Landeshauptstadt Innsbruck (in der Folge: Zentralpersonalvertretung I) vom 13. März 2013 wurde der Beschwerdeführer wegen gröblicher Verletzung der Verschwiegenheitspflicht seines Amtes für verlustig erklärt.
1.2. Am 8. April 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung durch die Wahlkommission für die Wahlen der Zentralpersonalvertretung I, der Dienststellenpersonalvertretungen und der Behindertenvertrauensperson 2012 der Landeshauptstadt Innsbruck (in der Folge: Wahlkommission), dass sein Mandat weder ruht noch erloschen ist.
1.3. Mit Bescheid vom 24. Juni 2013 wies die Wahlkommission den Antrag mangels Zuständigkeit zurück.
1.4. Gegen die Erledigung der Zentralpersonalvertretung I vom 13. März 2013 (in der Folge: erstangefochtene Erledigung) sowie gegen den Bescheid der Wahlkommission vom 24. Juni 2013 (in der Folge: zweitangefochtener Bescheid) richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in Rechten infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu aber die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird. Im Hinblick auf die erstangefochtene Erledigung begehrt der Beschwerdeführer mit selbigem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Beschwerdeführer aus, die erstangefochtene Erledigung sei aufgrund der mangelnden Bezeichnung als "Bescheid", des mangelnden Hinweises auf die Anrufbarkeit der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sowie der mangelnden Nennung der an der kollegialbehördlichen Willensbildung mitwirkenden Personen nicht als Bescheid erkennbar gewesen. Die Ansicht, die erstangefochtene Erledigung habe Bescheidcharakter, sei erst durch Zustellung des zweitangefochtenen Bescheides am 1. Juli 2013 hervorgekommen.
In der Sache führt der Beschwerdeführer aus, die Bestimmungen des Tiroler Gemeinde-Personalvertretungsgesetzes, LGBl 51/1990, widersprächen dem Determinierungsgebot, indem §11 Abs6 leg.cit. einerseits die Entscheidungskompetenz über das Erlöschen der Mitgliedschaft in Zweifelsfällen der Wahlkommission und §16 Abs2 leg.cit. andererseits die Entscheidungskompetenz zur Amtsenthebung der Dienststellenpersonalvertretung bzw. der Zentralpersonalvertretung zuweise. Dem Gesetz sei weiters nicht zu entnehmen, worin der Unterschied zwischen "Erlöschen" der Mitgliedschaft und "Amtsverlust" bestehe, welche Bedeutung bloß einfache und nicht "gröbliche" Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht für die Zuständigkeitsverteilung haben und wonach sich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Dienststellenpersonalvertretung und Zentralpersonalvertretung gemäß §16 Abs2 leg.cit. richte. Die zitierten Bestimmungen seien auch insoweit verfassungswidrig, als sie der Zentralpersonalvertretung die Befugnis einräumen, über den Amtsverlust von Mitgliedern der Dienststellenpersonalvertretung zu entscheiden.
Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer in keinem der zu den angefochtenen Bescheiden geführten Verwaltungsverfahren Gelegenheit eingeräumt worden, sich hinsichtlich der Vorwürfe der Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht zu rechtfertigen.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist verspätet:
2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.
2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.
2.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.
2.2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur zulässig, wenn eine Frist für die Vornahme einer Prozesshandlung versäumt wurde. Eine Versäumung der Frist zur Erhebung einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde kann nur unter der Voraussetzung stattgefunden haben, dass es sich bei der erstangefochtenen Erledigung – soweit sich die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid richtet, erfolgte ihre Erhebung innerhalb der Beschwerdefrist – um einen Bescheid handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Erledigung dann als Bescheid zu qualifizieren, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde gegenüber individuell bestimmten Personen erlassen wird und eine konkrete Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat, ob sie nun unter Einhaltung der von den Verwaltungsvorschriften für die Bescheiderlassung aufgestellten Voraussetzungen erlassen worden ist oder nicht (s. zuletzt etwa VfSlg 19.622/2012 mwN). Aus der Erledigung muss deutlich der objektiv erkennbare Wille hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. zB VfSlg 18.218/2007). Ob aus einer Erledigung deutlich ein objektiv erkennbarer Bescheidwille hervorgeht, kann sich auch daraus ergeben, dass die Behörde von Rechts wegen verpflichtet war, einen Bescheid zu erlassen (vgl. zB VfSlg 13.750/1994).
Ausgehend von dieser Rechtsprechung – von der abzurücken sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst sieht – besteht an der Bescheidqualität der erstangefochtenen Erledigung im Sinne des Art144 Abs1 B-VG kein Zweifel. Sie wurde von einer Verwaltungsbehörde, der Zentralpersonalvertretung I, gegenüber einer individuell bestimmten Person, dem Beschwerdeführer, erlassen und erledigte eine konkrete Verwaltungsangelegenheit, das Verfahren über die Erklärung des Amtsverlustes des Beschwerdeführers, in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ, indem sie den Amtsverlust aussprach. Zwar weist die Erledigung – sie ist nicht in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert und auch nicht als "Bescheid" bezeichnet – nicht die durch die §§58 ff. AVG gebotene äußere Form eines Bescheides auf. Dennoch lässt sie nach ihrem durch ihre sprachliche Fassung und ihren erkennbaren Inhalt mitgezeichneten Gesamtbild objektiv den Bescheidwillen der Behörde erkennen: So bezeichnet die belangte Behörde die Erledigung als "Entscheidung", gegen die "ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig" sei; ferner geht bereits aus dem Betreff hervor, dass Gegenstand dieser "Entscheidung" das "Enthebungsverfahren nach §16 Gemeinde-Personalvertretungsgesetz" sei; schließlich endet die Erledigung auch mit einer ordnungsgemäßen Fertigung ohne Grußformel. Im Übrigen hat der Ausspruch über den Amtsverlust gemäß §16 Abs2 Tiroler Gemeinde-Personalvertretungsgesetz, welcher die Anwendung des AVG anordnet und von einer "Entscheidung" spricht, von Gesetzes wegen bescheidmäßig zu erfolgen. Ob die erledigende Behörde zur Bescheiderlassung zuständig war, ist für die Rechtswirksamkeit des Bescheides ohne Bedeutung.
2.3. Selbst wenn man, den Ausführungen des – in allen Verfahrensschritten rechtsanwaltlich vertretenen – Antragstellers vollinhaltlich folgend, davon ausgeht, dass der Irrtum über die Rechtsqualität des erstangefochtenen Bescheides, in dem sowohl der Antragsteller als auch sein Rechtsanwalt befangen waren, ein der Wiedereinsetzung zugängliches "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" darstellt, welches den Antragsteller an der Wahrung der Beschwerdefrist gehindert hat, wurde dieses Hindernis nach eigenen Angaben des Antragstellers zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der Wahlkommission am 1. Juli 2013 beseitigt. Dass der Antragsteller ab diesem Zeitpunkt durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Beschwerdeerhebung gehindert gewesen wäre, wird von ihm selbst nicht dargetan. Die Frist zur Antragstellung endete daher spätestens am 15. Juli 2013. Der am 9. August 2013 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag erweist sich bereits aus diesem Grund als verspätet und somit unzulässig.
Soweit sich der Antrag auf das Fehlen eines Hinweises auf die Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stützt, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es sich bei dem Hinweis gemäß §61a AVG um keine Rechtsmittelbelehrung handelt und sein Fehlen als solches keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellt (vgl. VfSlg 10.813/1986, 14.120/1995, 14.229/1995, 16.527/2002, 17.779/2006).
3. Die Beschwerde wurde, soweit sie sich gegen den erstangefochtenen Bescheid richtet, erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.
Soweit sich die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid richtet, ist die Beschwerde hingegen zulässig.
4. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Insbesondere teilt der Verfassungsgerichtshof nicht die Bedenken des Beschwerdeführers, dass die §§11 und 16 Tiroler Gemeinde-Personalvertretungsgesetz einer dem verfassungsgesetzlichen Determinierungsgebot genügenden Interpretation nicht zugänglich oder sonst verfassungswidrig wären.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen den zweitangefochtenen Bescheid richtet, abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
6. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, Personalvertretung, Bescheidbegriff, Rechtsmittelbelehrung, Verwaltungsverfahren, BeschwerdefristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B879.2013Zuletzt aktualisiert am
07.10.2013