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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
AsylG 2005 §4, §5, §10Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung des Asylantrags eines somalischen Staatsangehörigen wegen Drittstaatsicherheit und Ausweisung in die Niederlande mangels hinreichender Auseinandersetzung mit dem Aspekt der Asylberechtigung eines in Österreich lebenden minderjährigen Kindes des Asylwerbers im Hinblick auf die gegebenenfalls gebotene Ausübung des SelbsteintrittsrechtsRechtssatz
Der Beschwerdeführer genießt nach den (unbestrittenen) Feststellungen des belangten AsylGH in den Niederlanden subsidiären Schutz. Es ist dem belangten AsylGH aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten und denkmöglich, wenn er von einer Anwendbarkeit der Dublin II-VO und von einer Zuständigkeit der Niederlande zur Prüfung des (in Österreich neuerlich gestellten) Antrags auf internationalen Schutz ausgeht.
Wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung festhält, kann die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art3 Abs2 Dublin II-VO zur Vermeidung einer sonst eintretenden Verfassungswidrigkeit geboten sein (vgl etwa VfSlg 19264/2010).
§4 Abs4 zweiter Satz AsylG 2005 normiert Fälle, in denen die Zurückweisung des Antrags des Asylwerbers auf internationalen Schutz wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat zu unterbleiben hat. Dabei handelt es sich um Kriterien, denen über die im vorhergehenden Satz angeordnete Berücksichtigung des Art8 EMRK hinausgehend eigenständige Bedeutung zukommt (vgl VfGH 07.06.2013, U963/2012). Die Zurückweisung wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat hat demnach "insbesondere zu unterbleiben, wenn [...] dem Ehegatten, dem eingetragenen Partner oder einem minderjährigen ledigen Kind des Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde."
Zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist jedoch dieses - dem Wortlaut nach nur für Fälle der Zurückweisung nach §4 AsylG 2005 geltende - Kriterium in verfassungskonformer Auslegung auch im Fall der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung nach §5 AsylG 2005 anzuwenden. Es ist nämlich keine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung zwischen solchen Antragstellern, deren Asylantrag zurückgewiesen werden soll, weil ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrags zuständig ist (§5 AsylG 2005), und solchen, die in einem (anderen) sicheren Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden können (§4 AsylG 2005), und deren in Österreich gestellter Antrag aus diesem Grund zurückgewiesen werden soll, ersichtlich.
Der AsylGH stellte im Rahmen seiner Prüfung, ob vom Selbsteintrittsrecht nach Art3 Abs2 Dublin II-VO zwingend Gebrauch zu machen sei, fest, dass der "Lebensgefährtin" (die Eheschließung war dem Asylgerichtshof nicht bekannt) und dem "angeblichen" Sohn des Beschwerdeführers in Österreich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Die Zurückweisung hätte jedoch zu unterbleiben, wenn ua dem Ehegatten oder einem minderjährigen, unverheirateten Kind eines Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (§4 Abs4 Z3 AsylG 2005). Mit der Frage, ob tatsächlich "dem minderjährigen ledigen Kind des Asylwerbers" in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, hat sich der AsylGH nicht hinreichend auseinandergesetzt.
Schlagworte
Asylrecht, Ausweisung, Drittstaatsicherheit, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:U701.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014