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L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
MRKZP 07te Art4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/10/0224Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der E in 6900 Bregenz, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 30. April 1996, Zl. 1-966/93/K2 und Zl. 1-0096/94/K2, betreffend Übertretungen des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 5.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Darstellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137, verwiesen.
Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 17. Jänner 1994 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 21. März 1994 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit den genannten Bescheiden wurde die Beschwerdeführerin jeweils unter anderem wegen einer Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (Vlbg SittenpolG) schuldig erkannt; über die Beschwerdeführerin wurde im ersten Fall (betreffend die Übertretung am 7. September 1993) eine Arreststrafe in der Dauer von 21 Tagen und eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- sowie im zweiten Fall (betreffend die Übertretung am 13. Jänner 1994) eine Arreststrafe in der Dauer von 20 Tagen und eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt. Nach Ansicht der belangten Behörde seien bei der erstgenannten Übertretung im Hinblick auf drei einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin besondere Erschwerungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat allerdings diesbezüglich die Auffassung, die belangte Behörde hätte zu berücksichtigen gehabt, dass die Behörde dann, wenn sie wegen Vorliegens erschwerender Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 Vlbg SittenpolG eine Geld- und Arreststrafe neben einander verhängt hat, denselben Umstand nicht noch bei der im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Strafbemessung berücksichtigen darf. Auf diese Problematik sei die belangte Behörde allerdings nicht eingegangen. Sie habe es dadurch unterlassen, im Hinblick auf das in der Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Doppelverwertungsverbot in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Weise darzulegen, welche Vorstrafe für eine Kumulierung im Sinne des § 18 Abs. 3 leg. cit. bzw. eine mehr als zweiwöchige Freiheitsstrafe im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG herangezogen worden sei.
Bei der zweitgenannten Übertretung hat die belangte Behörde die rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin in der Dauer von 7, 10 und 14 Tagen sowohl als besonders
erschwerende Umstände im Sinne des § 12 Abs. 1 VStG und besonders
erschwerende Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 Vlbg SittenpolG gewertet. Damit habe sie nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes gegen das bereits erwähnte Doppelverwertungsverbot verstoßen.
Mit den nunmehr ergangenen Ersatzbescheiden vom 30. April 1996 wurde den Berufungen der Beschwerdeführerin insoweit Folge gegeben, als die verhängte Freiheitsstrafe jeweils auf 18 Tage herabgesetzt und die verhängte Geldstrafe aufgehoben wurde.
Nach der Begründung des ersten Bescheides (hinsichtlich der Verwaltungsübertretung am 7. September 1993) habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nur das Strafausmaß bekämpft. Der Schuldspruch sei daher in Rechtskraft erwachsen. Gemäß § 11 VStG dürfe eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig sei, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Dieser spezial präventive Gesichtspunkt treffe auf den vorliegenden Fall zu. Die Beschwerdeführerin habe sich weder durch eine einschlägige Strafe von S 30.000,-- und 7 Tagen Arrest noch durch weitere Strafen abhalten lassen, eine gleichartige Straftat zu begehen. Der Warn- und Beeindruckungseffekt einer Geldstrafe reiche offensichtlich nicht aus, die Beschwerdeführerin künftig davon abzuhalten, gleichartige Straftaten zu begehen. Nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG dürfe eine Freiheitsstrafe zwei Wochen nur dann übersteigen, wenn besondere Erschwerungsgründe vorlägen. Dies sei nach Auffassung der belangten Behörde im gegenständlichen Zusammenhang jedenfalls dann der Fall, wenn - wie hier - drei einschlägige Vorstrafen vorlägen. Die nunmehr festgesetzte Dauer der Freiheitsstrafe sei im gegenständlichen Fall gerechtfertigt, weil auch die letzte rechtskräftige Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen nicht ausgereicht habe, die Beschwerdeführerin zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass die darin zum Ausdruck kommende außergewöhnliche Nachhaltigkeit der wertwidrigen Einstellung der Beschwerdeführerin und somit der atypisch schwer wiegende Schuldgehalt der Tat die Höhe der nunmehr festgesetzten Freiheitsstrafe rechtfertige. Es sei unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin durch eine geringere Strafe noch zu beeindrucken sei. Hingegen sei die belangte Behörde der Auffassung, dass die Anwendung des § 18 Abs. 3 letzter Satz Vlbg SittenpolG im gegenständlichen Fall nicht in Betracht komme, weil über die erwähnten drei einschlägigen Vorstrafen hinaus keine weiteren Erschwerungsgründe vorlägen. Die Heranziehung derselben Vorstrafen im Zusammenhang mit § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG als auch mit § 18 Abs. 3 letzter Satz Vlbg SittenpolG sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig. Es habe daher die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Verhängung einer (zusätzlichen) Geldstrafe zu entfallen.
In der Begründung des zweiten Bescheides vom 30. April 1996 (hinsichtlich der Übertretung der Beschwerdeführerin am 13. Jänner 1994) wiederholte die belangte Behörde im Wesentlichen die Ausführungen des ersten Bescheides. Hinsichtlich des Tatbestandselementes der Gewerbsmäßigkeit vertrat sie die Auffassung, auf diesen Umstand könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin bei ihrem Verhalten am 13. Jänner 1994 ein (näher beschriebenes) "professionelles Verhalten" an den Tag gelegt habe. Es sei somit davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin damals aus der Prostitution eine fortlaufende Einnahmequelle habe verschaffen wollen. Bei diesen Gegebenheiten sei nicht mehr von entscheidender Bedeutung, dass die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt auch schon mehrere einschlägige Vorstrafen aufgewiesen habe.
Gegen diese Bescheide hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Oktober 1996, B 3227, 3228/96, abgelehnt und diese über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe die Vorstrafen der Beschwerdeführerin zunächst einmal dazu herangezogen, um die Gewerbsmäßigkeit der Unzuchtshandlungen zu begründen, also um den Tatbestand des § 18 Abs. 1 lit. c Vlbg SittenpolG herzustellen, und dann ein zweites Mal, um die Verhängung einer Primärarreststrafe nach § 11 VStG zu legitimieren. Danach sei es aber unzulässig, die
Vorstrafen ein weiteres - drittes - Mal heranzuziehen, um die
Verhängung einer zwei Wochen übersteigenden Primärarreststrafe nach § 12 Abs. 1 letzter Satz VStG zu begründen. Die belangte Behörde habe mit dieser Vorgangsweise weiterhin gegen das Doppelverwertungsgebot verstoßen.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c Vlbg SittenpolG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.
Nach § 18 Abs. 3 Vlbg SittenpolG sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. c bis f von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.
Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.
Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist.
Das so genannte "Doppelverwertungsverbot" bedeutet, dass ein Tatbestandsmerkmal bei einer Strafbemessung weder als erschwerender noch als mildernder Umstand gewertet werden darf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0224, und die dort zitierte Vorjudikatur; ferner das Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zlen. 96/10/0142, 0143). Im Beschwerdefall kann von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nicht die Rede sein.
Die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der Unzucht (bei der zweitgenannten Übertretung) entsprach dem Gesetz; sie beruht auf einer im Einzelnen dargelegten schlüssigen Beweiswürdigung, die auch von der Beschwerde nicht bekämpft wird. Den einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung mehr beigemessen.
Zutreffend hat die belangte Behörde auch die in der Frage, ob gemäß § 11 VStG mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe vorzugehen sei, maßgebenden Gesichtspunkten der Spezialprävention in der Richtung dargelegt, dass sich die Beschwerdeführerin durch die bisher verhängten Strafen nicht von der Begehung einer weiteren gleichartigen Strafe habe abhalten lassen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0230, und vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0120).
Von den genannten Gesichtspunkten der Spezialprävention zu unterscheiden ist die Wertung der einschlägigen Vorstrafen als besonderer Erschwerungsgrund im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG. Es entspricht dem Gesetz, solche Vorstrafen, die über den Täter wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verhängt wurden, unabhängig davon, ob sie auch zur Begründung des Tatbestandsmerkmales der Gewerbsmäßigkeit herangezogen wurden oder nicht, deshalb als erschwerend zu werten, weil sich in dem trotz der Verurteilungen fortgesetzten Verhalten die besondere Uneinsichtigkeit und ablehnende Haltung des Täters gegenüber rechtlich geschützten Werten manifestiert (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137).
Die Beschwerde zeigt auch mit ihrem Vorbringen, die angefochtenen Bescheide unterließen es wiederum, in einer nachprüfbaren Weise offen zu legen, welche Vorstrafen die belangte Behörde herangezogen habe, keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich nicht erforderlich, die dem Beschuldigten bekannten Vorstrafen detailliert anzuführen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 24. Juni 1985, Zl. 85/10/0041, vom 18. September 1991, Zl. 92/02/0079, und vom 11. November 1992, Zl. 92/02/0207). Besondere Umstände, die eine solche Darstellung im Einzelfall erforderlich machen könnten (vgl. das bereits genannte Vorerkenntnis vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137), sind im Beschwerdefall nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Geld- und Arreststrafe nebeneinander im Sinne des § 18 Abs. 3 letzter Satz Vlbg SittenpolG waren nach Auffassung der belangten Behörde nicht gegeben. In der Begründung der angefochtenen Bescheide wird dargelegt, dass über die Beschwerdeführerin einschlägige Strafen von S 30.000,-- und 7 Tagen Freiheitsstrafe sowie Freiheitsstrafen in der Dauer von 10 Tagen und 14 Tagen verhängt worden sind. Die Beschwerde tritt dem nicht entgegen und legt auch nicht dar, inwiefern sie durch eine nicht weiter gehende Umschreibung gehindert worden sei, ihre Rechte geltend zu machen. Ein relevanter Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Die Behauptung, die belangte Behörde habe trotz entsprechender Antragstellung der Beschwerdeführerin dieser keine Ausfertigung der Verhandlungsschrift übermittelt, ist unzutreffend. Nach der Aktenlage wurde gar kein Antrag auf Übermittlung der Niederschrift gestellt (vgl. die Verhandlungsschrift vom 30. April 1996).
Soweit in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, der unabhängige Verwaltungssenat sei kein "Tribunal" im Sinne des Art. 6 EMRK, genügt es im Sinne des Art. 43 Abs. 2 auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 96/10/0183, zu verweisen. Dies gilt auch für die Behauptung einer Verletzung im "Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK)".
Da sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. November 2000
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände SchuldformErschwerende und mildernde Umstände VorstrafenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996100223.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
18.07.2012