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82/04 Apotheken Arzneimittel;Norm
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/10/0255Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerden des Mag. Pharm. R in Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien IX, Nußdorferstraße 10-12, und der Stadt-Apotheke KG, vertreten durch die Komplementärin Mag. pharm. G, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwältin in Wien I, Bräunerstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. Oktober 1999, Zl. 262.270/2-VIII/A/4/99, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. B in Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Franz Burgemeister und Mag. Christian Alberer, Rechtsanwälte in Klosterneuburg, Kierlinger Straße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 24. März 1995 beantragte die mitbeteiligte Partei beim Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) die Erteilung der Konzession zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Klosterneuburg - Kierling, Kierlinger Hauptstraße Nr. 153, mit dem Standort Klosterneuburg - Kierling.
Gegen die Neuerrichtung dieser Apotheke erhoben mit Schriftsatz vom 19. Juni 1995 der Erstbeschwerdeführer und mit Schriftsatz vom 16. Juni 1995 der (damalige) Pächter der Stadt-Apotheke sowie die Zweitbeschwerdeführerin Einspruch.
Der Erstbeschwerdeführer brachte vor, die neue Apotheke werde aus näher dargelegten Gründen nicht mindestens 5.500 Personen zu versorgen haben und es werde das Versorgungspotenzial seiner Rathaus-Apotheke auf unter 5.500 Personen absinken. Es sei ihm nämlich mit Bescheid des LH vom 14. April 1988 die Konzession für diese Apotheke mit der Begründung erteilt worden, dass dadurch eine bessere Versorgung eines Teiles von Kierling möglich wäre und erst durch die Zurechnung dieser Einwohner, insbesondere der Haschhofsiedlung zum Versorgungspotenzial seiner Apotheke das Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen erreicht werden könne. Würde dieses Versorgungspotenzial für seine Apotheke ausfallen, wäre die so genannte negative Bedarfsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 3 Apothekengesetz (ApG) erfüllt.
Die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Pächter der Stadt-Apotheke brachten ebenfalls vor, es bestehe unter den Gesichtspunkten des § 10 Abs. 2 Z. 1 und Z. 3 ApG kein Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke. Die Zahl der von der Stadt-Apotheke im Falle der Neuerrichtung weiterhin zu versorgenden Personen werde weniger als 5.500 betragen. Der Stadt-Apotheke und der von dieser nur 200 m entfernt gelegenen Apotheke "Zum heiligen Leopold" würden nämlich insgesamt ein Versorgungspotenzial von etwa
6.400 Personen, die Einwohner des Stadtgebietes von Klosterneuburg nördlich der Kierlinger Straße, verbleiben, jeder dieser beiden Apotheken also lediglich 3.200 Personen. Ein weiteres Versorgungspotenzial im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG komme nicht in Betracht.
Der LH holte ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer, Landesgeschäftsstelle Niederösterreich, ein. Diesem Gutachten zufolge sei auf Grund der geringen Entfernung zwischen den Betriebsstätten der "Stadt-Apotheke" und der Apotheke "Zum heiligen Leopold" das Versorgungspotenzial für beide Apotheken gemeinsam überprüft worden. Beiden Apotheken würden 9.036 ständige Einwohner zur Versorgung verbleiben, und zwar die 738 ständigen Einwohner des Zählsprengels 001, die 1.227 ständigen Einwohner des Zählsprengels 010, die 1.467 ständigen Einwohner des Zählsprengels 011, die 424 ständigen Einwohner folgender Straßen bzw. Straßenzüge des Zählsprengels 012: Kierlinger Straße, Ochsnerpromenade, Küffnergasse, Elisabethgasse und Lessinggasse, die 908 ständigen Einwohner des Zählsprengels 015, die 1.087 ständigen Einwohner des Zählsprengels 016, 786 ständige Einwohner des Zählsprengels 017, und zwar die Einwohner des gesamten Zählsprengels ohne die ständigen Einwohner folgender Straßen bzw. Straßenzüge: Dettenbrunngasse, Eisenhütte, Hillebrandgasse, Kierlinger Straße ab Hausnummer 132, Leopoldsgraben, Neugasse, Prof. Lorenz-Böhler-Weg, Stegleiten und Wunderlgasse, 151 ständige Einwohner des Zählsprengels 038, und zwar die Einwohner des gesamten Zählsprengels ohne die ständigen Einwohner folgender Straßen bzw. Straßenzüge: Am Haschhof, Anzengrubergasse, Doppelngasse, Doppelngraben, Föhrengasse, Feldgasse, Ferdinand Backovsky-Gasse, Grillparzergasse, Haschhofstraße, Hauptstraße/Kierling, Roseggergasse, Nikolaus Döry-Gasse, Schumanngasse, Spohrweg, Stollhofgasse und Summergasse, sowie die 2.248 ständigen Einwohner der Katastralgemeinde Kritzendorf. Die Werte seien analog der Bevölkerungsentwicklung der gesamten Gemeinde Klosterneuburg (- 0,7 % seit der Volkszählung 1991) fortgeschrieben worden. Die Zuteilung der Personen sei unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher örtlicher Verhältnisse erfolgt. Da im konkreten Fall keine geographischen oder verkehrstechnischen Besonderheiten zu beachten gewesen seien, sei bei der Zuteilung die Entfernung, die von den zu versorgenden Personen zur jeweils nächstliegenden öffentlichen Apotheke zurückzulegen sein werde, ausschlaggebend gewesen. Da weniger als 11.000 ständige Einwohner in der Versorgung der bestehenden öffentlichen Apotheken verblieben, seien weitere Ermittlungen über zusätzlich zu versorgende Personen gemäß § 10 Abs. 5 ApG erforderlich gewesen. Im umschriebenen Versorgungsgebiet hätten 3.707 Personen ihren Zweitwohnsitz. 2.173 Personen mit Zweitwohnsitz ergäben sich auf Grund des Faktors von 0,32 Zweitwohnsitzen je Hauptwohnsitz in den Katastralgemeinden Klosterneuburg Stadt für die Zählsprengel 001, 010, 011, 012, 015, 016, 017 und 038. Die 1.395 Zweitwohnsitze der Katastralgemeinde Kritzendorf seien zur Gänze und die 417 Zweitwohnsitze der Katastralgemeinde Höflein an der Donau zu einem Drittel (= 139) berücksichtigt worden. Diese Personen seien je nach Inanspruchnahme des Zweitwohnsitzes aliquot zu berücksichtigen. Die Erfahrung zeige, dass im Nahbereich von städtischen Ballungszentren (wie hier Wien) Zweitwohnsitze relativ häufig auch unter der Woche benutzt würden; deshalb erscheine die Heranziehung der Zweitwohnbesitzer als zusätzlich zu den ständigen Einwohnern zu versorgende Personen zur Hälfte realistisch und gerechtfertigt. Die 3.707 Personen mit Zweitwohnsitz würden demnach 1.854 "Einwohnergleichwerten" entsprechen. Weiters seien 269 ständige Einwohner der Katastralgemeinde Höflein an der Donau (= ein Drittel der Gesamteinwohneranzahl der Katastralgemeinde Höflein) berücksichtigt worden. Für die Berücksichtigung eines Drittels der ständigen Einwohner bzw. der Zweitwohnungsbesitzer der Katastralgemeinde Höflein trotz der hier bestehen bleibenden ärztlichen Hausapotheken sprächen folgende Umstände:
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Der Wert der von Fachärzten ausgestellten und in öffentlichen Apotheken eingelösten Rezepte beträgt bereits mehr als 20 % des gesamten Rezeptwertes einer öffentlichen Apotheke.
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Mehr als 6 % aller in öffentlichen Apotheken eingelösten Verordnungen sind magistrale Verordnungen (Individualzubereitungen des Apothekers). Erfahrungsgemäß werden auch von hausapothekenführenden Ärzten derartige Rezepte gleichermaßen ausgestellt, welche dann aber in öffentlichen Apotheken eingelöst werden.
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Bei ärztlichen Hausapotheken gibt es Urlaubssperren sowie Sperren auf Grund der Erkrankung des hausapothekenführenden Arztes. Geht man nur von einer fünf- bis sechswöchigen Abwesenheit des hausapothekenführenden Arztes aus, so entspricht dies ca. 10 % eines Kalenderjahres. In dieser Zeit sind die Patienten gezwungen, andere Ärzte (ohne ärztliche Hausapotheke) aufzusuchen, deren Verschreibungen dann in einer öffentlichen Apotheke einzulösen sind.
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Ein weiteres Argument, das den Bedarf nach einer öffentlichen Apotheke trotz bestehen bleibender ärztlicher Hausapotheke untermauert, sind die günstigeren Öffnungszeiten einer öffentlichen Apotheke, denn dadurch ist man nicht an die meist nur kurzen Ordinationszeiten des hausapothekenführenden Arztes gebunden.
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Weiters ist festzustellen, dass auch während der Zeit, in der sich der hausapothekenführende Arzt bei Hausbesuchen befindet, keine Abgabe von Medikamenten aus der Ordination des hausapothekenführenden Arztes erfolgen kann.
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Ebenso spricht der steigende Anteil der Selbstmedikation für eine verstärkte Inanspruchnahme der öffentlichen Apotheke auch von Personen, in deren Wohnsitzgemeinde eine ärztliche Hausapotheke besteht.
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Auch die seit 1. August 1996 massiv erhöhte Rezeptgebühr sowie die Einführung der Krankenscheingebühr führt zu verstärkter Inanspruchnahme der öffentlichen Apotheke. Dadurch wird es vielfach 'ökonomischer', Bagatellerkrankungen mittels Selbstmedikation zu behandeln, da sich die erste in einem Quartal verschriebene Medikamentenpackung für den Patienten mit Kosten von derzeit
S 93,-- niederschlägt.
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Darüber hinaus verfügen öffentliche Apotheken im Normalfall über ein wesentlich breiteres Sortiment, insbesondere auch im Bereich der nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel.
Da nunmehr das Versorgungspotenzial für beide Apotheken ("Stadt-Apotheke" und Apotheke "Zum heiligen Leopold") gemeinsam bereits 11.000 zu versorgende Personen überschreite, seien weitere Erhebungen über zusätzlich zu versorgende Personen nicht erforderlich. Da alle weiteren bestehenden öffentlichen Apotheken in Klosterneuburg von der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke weiter entfernt seien als die beiden genannten Apotheken, sei durch die Neuerrichtung eine Verringerung deren Versorgungspotenzials nicht zu erwarten.
Mit Bescheid des LH vom 20. Oktober 1998 wurden der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession erteilt und die gegen die Neuerrichtung dieser Apotheke erhobenen Einsprüche als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Ermittlungsverfahrens und der angewendeten Rechtsvorschriften ausgeführt, die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung, insbesondere der Bedarf an der neuen Apotheke im Sinne des § 10 Abs. 2 ApG seien gegeben.
Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin erhoben Berufung.
Der Erstbeschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, der Rathaus-Apotheke verblieben als Versorgungspotenzial ausschließlich die ständigen Einwohner und die Inhaber von Zweitwohnsitzen, die im Stadtgebiet selbst wohnhaft seien, sowie das Verkehrspublikum aus Kierling. Seiner Apotheke verblieben daher die 1.014 Einwohner des Zählsprengels 00, die 1.276 Einwohner des Zählsprengels 012 sowie die Hälfte der Einwohner des Zählsprengels 013 (die Einwohner der anderen Hälfte dieses Zählsprengels hätte es bereits näher zur "Agnes-Apotheke"), das seien 748 Personen. Insgesamt verblieben der Rathaus-Apotheke somit nur 3.038 Personen zur Versorgung. Ohne das Verkehrspublikum aus Kierling liege das Versorgungspotenzial der Rathaus-Apotheke weit unter dem geforderten Mindestversorgungspotenzial, was auch im Konzessionserteilungsbescheid aus 1988 festgehalten sei.
Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, die 151 ständigen Einwohner des Zählsprengels 038 müssten richtigerweise der Rathaus-Apotheke zugerechnet werden, gleichfalls die 424 ständigen Einwohner des Zählsprengels 012. Dies ergebe sich bereits aus dem Konzessionserteilungsbescheid betreffend die Rathaus-Apotheke. Bei der Zuordnung der ständigen Einwohner von Kritzendorf sei nicht berücksichtigt worden, dass die dort lebenden Personen durch die dort betriebene ärztliche Hausapotheke versorgt würden. Die Zurechnung auch nur eines Drittels der Einwohner von Höflein, die gleichfalls durch eine ärztliche Hausapotheke versorgt würden, sei mit dem Apothekengesetz nicht in Einklang zu bringen. Es dürften maximal jene 6 % berücksichtigt werden, auf die sich magistrale Verordnungen bezögen. Die Anzahl an zu versorgenden Zweitwohnungsbesitzern sei ohne Auseinandersetzung mit der Frage, in welchen Zählsprengeln sich wie viele Zweitwohnsitze befänden und auf Grund welcher Umstände mit der zu Grunde gelegten Verweildauer gerechnet werden könne, angenommen worden. Schließlich sei auch nicht berücksichtigt worden, dass zwar die Betriebsstätten der "Stadt-Apotheke" und der Apotheke "Zum heiligen Leopold" etwa 200 m voneinander entfernt seien, dass aber die Ordinationen von im Einzelnen genannten Fachärzten von der Stadt-Apotheke weiter entfernt seien, als von der Apotheke "Zum heiligen Leopold".
Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. Oktober 1999 wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, die neue Apotheke der mitbeteiligten Partei werde auf Grund ihrer dezentralen Lage ausschließlich Einwohner von Kierling und Gugging versorgen. Es sei völlig verfehlt, wollte man für die neue Apotheke ein größeres Versorgungsgebiet annehmen. In Kierling und Gugging gebe es derzeit
3.555 Einwohner, die - wenn sie nicht ohnedies ins Zentrum von Klosterneuburg fahren - die beantragte neue Apotheke aufsuchen werden. Diese maximal 3.555 Personen würden also aus dem bisherigen Versorgungspotenzial der in Klosterneuburg bestehenden öffentlichen Apotheken in Zukunft wegfallen. Infolge ihrer dezentralen Lage, d. h. infolge der Entfernung der neuen öffentlichen Apotheke von der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke von mindestens 4 km ändere sich an der Versorgungslage hinsichtlich der Einwohner von Klosterneuburg-Stadt, Kritzendorf, Höflein, Weidlung und Weidlingbach nichts. Nun befänden sich im Zentrum von Klosterneuburg drei öffentliche Apotheken ("Stadt-Apotheke", "Rathaus-Apotheke" und die Apotheke "Zum heiligen Leopold") in einem geringen Abstand zueinander, die bezogen auf die Einwohner von Kierling bzw. Gugging 4 km bzw. 4,3 km und mehr entfernt seien, sodass im Verhältnis zur insgesamt von Einwohnern von Kierling und Gugging zurückzulegenden Distanz diese geringfügigen Entfernungsunterschiede keinen Umstand darstellten, der bei lebensnaher Betrachtung für die Zurechnung zur einen oder anderen Apotheke den Ausschlag geben könnte. Nun gehe es nicht darum, die Bevölkerung von Kierling und Gugging den innerstädtischen Apotheken zuzurechnen, sondern darum, diese für den Fall, dass eine neue öffentliche Apotheke in Kierling in Betrieb geht, abzuziehen. Es gehe somit nur ein Teil der Arzneimittelversorgungsaufgabe von den bestehenden öffentlichen Apotheken auf die neu zu errichtende Apotheke über; eine Änderung im Gefüge der bisherigen Relationen der Versorgungspotenziale der bestehenden öffentlichen Apotheken sei damit nicht verbunden. Es erübrige sich daher, auf die internen Abgrenzungsvorstellungen der Inhaber der bestehenden Apotheken einzugehen. Vielmehr sei lediglich zu prüfen, ob insgesamt auch genügend Versorgungspotenzial für die bestehenden Apotheken verbleiben werde. Dabei sei davon auszugehen, dass in Klosterneuburg ohne Kierling und Gugging 19.755 ständige Einwohner gezählt worden seien und die Hälfte der Personen, die einen weiteren Wohnsitz verbunden mit dem Wahlrecht hätten, eine Zahl von
2.513 Personen ergebe. Bei vier bestehenden Apotheken könnten jeder davon mindestens 5.567 zu versorgende Personen zugeordnet werden. Das Verkehrspublikum sei noch nicht miteinbezogen, ebenso wenig die Einfluter aus Nachbargemeinden, die wegen des äußerst guten medizinischen Angebotes Klosterneuburg aufsuchen würden. Im Einzelnen müsse allerdings berücksichtigt werden, dass im Stadtteil Höflein eine ärztliche Hausapotheke betrieben werde. Von der Höfleiner Bevölkerung seien den bestehenden öffentlichen Apotheken - den Ausführungen der Erstbehörde folgend - nur ein Drittel zuzuordnen. In Kritzendorf bestehe weder eine ärztliche Hausapotheke noch sei eine solche beantragt worden; sie könnte auch nicht bewilligt werden. Soweit in den Berufungsvorbringen schließlich auf eine Kundenzurechnung aus dem Jahre 1988 hingewiesen werde, sei dies nicht zielführend, zumal hinsichtlich der nun beantragten Apotheke auch auf Grund der anderen Rechtslage andere Erwägungen maßgeblich seien. In Ansehung der Zweitwohnungsbesitzer sei noch zu ergänzen, dass es sich nicht nur um die Bewohner der "Pfahlbauten" in Kritzendorf handle und dass selbst diese Bauten zumindest im Sommerhalbjahr bewohnt seien. Die Bewohner der "Pfahlbauten" würden überdies nur einen geringen Teil der Zweitwohnungsbesitzer ausmachen.
Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, zu den hg. Zlen. 99/10/0246 und 99/10/0255 protokollierten Beschwerden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:
Zunächst ist dem von der mitbeteiligten Partei gegen die Beschwerdelegitimation der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Einwand, die Beschwerdeführerin habe keinen Einspruch gemäß § 48 Abs. 2 ApG erhoben, zu entgegnen, dass nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ein entsprechender Einspruch sowohl von der Zweitbeschwerdeführerin, als auch von der Konzessionärin und allein vertretungsbefugten Gesellschafterin der Zweitbeschwerdeführerin, als auch vom Pächter der "Stadt-Apotheke" erhoben wurde. Die Zweitbeschwerdeführerin hat in der Folge mit Schriftsatz vom 6. Juli 1998 bekannt gegeben, das Pachtverhältnis sei beendet worden und die Apotheke werde wiederum von der Zweitbeschwerdeführerin bzw. von der Konzessionärin und allein vertretungsbefugten Gesellschafterin der Zweitbeschwerdeführerin geleitet. Der Einwand der mitbeteiligten Partei ist somit unzutreffend .
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. besteht ein Bedarf nicht, wenn
1.
...
2.
die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt, oder
3.
die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden
bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als
5.500 betragen wird.
Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 ApG sind nach § 10 Abs. 4 ApG die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind nach § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.
Nach ständiger hg. Judikatur hat sich die gemäß § 10 ApG durchzuführende Bedarfsprüfung auf eine - auf entsprechende Ermittlungsergebnisse gestützte - prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den beteiligten Apotheken zu gründen. Die Behörde hat somit festzustellen, wie viele der ständigen Einwohner im Umkreis von 4 km um die Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke nach Errichtung der geplanten Apotheke ihren Arzneimittelbedarf auf Grund der örtlichen Verhältnisse weiterhin aus der bestehenden öffentlichen Apotheke decken werden. Diese unter dem Gesichtspunkt der leichteren Erreichbarkeit vorzunehmende Zuordnung hat in erster Linie an Hand der Straßenentfernungen zu der bestehenden öffentlichen Apotheke im Vergleich zur beantragten Apotheke zu erfolgen.
Im Überschneidungsbereich der 4 km-Polygone hat sich die Zuordnung der Wohnbevölkerung zu den in Betracht kommenden Apotheken an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 99/10/0254, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Er beruht auf der Annahme, den vier in Klosterneuburg bestehenden öffentlichen Apotheken ( der "Stadt - Apotheke", der "Rathaus - Apotheke", der Apotheke "Zum heiligen Leopold" sowie der Apotheke "Zur heiligen Agnes" ) verbleibe nach Errichtung der Apotheke der mitbeteiligten Partei ein Kundenpotenzial von insgesamt 22.268 Personen, sodass bei Verteilung dieses Potenzials auf die bestehenden Apotheken zu gleichen Teilen jeder Apotheke mindestens 5.567 Personen zuzuordnen wären, die dieser im Sinne des § 10 Abs. 2 Z.3 ApG zur Versorgung verblieben.
Nun wird in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die so genannte "Divisionsmethode" als Ermittlungsmethode dann zugelassen, wenn ausnahmsweise besondere Gründe eine Zuordnung konkreter Kundenpotenziale nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit unmöglich machen, andererseits aber eindeutig ist, dass das in Rede stehende Kundenpotenzial von den Betriebsstätten der beteiligten Apotheken aus zu versorgen ist. Diese Methode der gleichteiligen Zurechnung bestimmter Kundenkreise zu den beteiligten Apotheken kann insbesondere in Ansehung der Einwohner solcher Gebiet in Betracht kommen, die in größerer Entfernung von den Betriebsstätten der beteiligten Apotheken und zu diesen in annähernd gleicher Entfernung liegen; in solchen Fällen kann gesagt werden, dass relativ - im Verhältnis zur insgesamt zurückzulegenden Distanz - geringfügige Entfernungsunterschiede keinen Umstand darstellen, der bei lebensnaher Betrachtung für die Zurechnung zur einen oder anderen Apotheke den Ausschlag geben könnte (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 15. Februar 1999, Zl. 98/10/0090, und vom 26. April 1999, Zl. 98/10/0426, sowie die dort zitierte Vorjudikatur).
Davon ausgehend schiene es - den Ausführungen im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer folgend - nicht unplausibel, die "Divisionsmethode" im vorliegenden Fall zur Bestimmung der Versorgungspotenziale der "Stadt-Apotheke" und der Apotheke "Zum heiligen Leopold" in Betracht zu ziehen. Verfehlt ist es hingegen, den einzelnen in Klosterneuburg bestehenden Apotheken schlechthin und ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen vorliegen, die nach der Rechtsprechung die Anwendung der Divisionsmethode bei der Bedarfsermittlung angezeigt erscheinen lassen, das "Gesamtversorgungspotenzials", d.h. das den in Klosterneuburg bestehenden Apotheken - nach Errichtung der Apotheke der mitbeteiligten Partei - insgesamt verbleibende Versorgungspotenzial durch die Anzahl der bestehenden Apotheken zu dividieren und das solcherart gewonnene, durchschnittliche Versorgungspotenzial den einzelnen Apotheken als Versorgungspotenzial im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG zuzurechnen. Denn § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG stellt nicht auf die in einem bestimmten Gebiet von einer Apotheke im Durchschnitt zu versorgende Anzahl von Personen ab, sondern auf das von der Betriebsstätte dieser Apotheke aus zu versorgende konkrete Kundenpotenzial.
Die belangte Behörde hat daher, indem sie der Bedarfsbeurteilung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG nicht das den - durch die Neuerrichtung der Apotheke betroffenen - bestehenden Apotheken jeweils verbleibende konkrete Kundenpotenzial , sondern die Annahme zu Grunde legte, den bestehenden Apotheken würden im Durchschnitt mehr als 5.500 Personen zur Versorgung verbleiben, ohne jedoch zugleich jene sachverhaltsbezogenen Feststellungen zu treffen, deren Vorliegen diese Vorgangsweise in Ausnahmefällen zu rechtfertigen vermag, die Rechtslage verkannt und solcherart den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund - ohne auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, für das fortzusetzende Verfahren in Ansehung der Berücksichtigung von Zweitwohnungsbesitzern auf seine Judikatur zu verweisen, wonach im konkreten Einzelfall festzustellen ist, in welchem Umfang durch die Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer ein Bedarf an einer öffentlichen Apotheke mitbegründet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1993, Zl. 92/10/0009, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dieser Anforderung wird die Zurechnung der Hälfte der Zweitwohnungsbesitzer in Form von "Einwohnergleichwerten" zum Versorgungspotenzial, weil die Erfahrung zeige, "dass die Zweitwohnsitze relativ häufig auch unter der Woche benutzt werden", nicht gerecht; ergeben sich aus dieser - nicht näher begründeten - Erfahrung doch weder Anhaltspunkte dafür, die in Betracht kommenden Zweitwohnsitze würden halb so häufig benützt wie Hauptwohnsitze, noch dafür, dass Zweitwohnungsbesitzer ihren Medikamentenbedarf in einem Ausmaß in der dem Zweitwohnsitz nächstgelegenen Apotheke decken werden, der der Hälfte des Medikamentenbedarfes eines ständigen Einwohners entspricht. Im Übrigen ist im vorliegenden Fall nicht einmal nachvollziehbar, in welchem räumlichen Naheverhältnis zu welcher bestehenden Apotheke wie viele Zweitwohnungsbesitzer angesiedelt sind.
In Ansehung der Abgrenzung der Versorgungspotenziale öffentlicher Apotheken zu jenen aufrecht bleibender ärztlicher Hausapotheken wird schließlich auf die Grundsätze hingewiesen, die der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. Dezember 1993, Zl. 92/10/0359, dargelegt hat, insbesondere auf das Erfordernis einer die konkreten Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Betrachtungsweise; selbstverständlich sind - im Gegensatz zur Auffassung der Zweitbeschwerdeführerin - in diese Abgrenzung Versorgungspotenziale ungesetzlich betriebener Hausapotheken nicht einzubeziehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999100246.X00Im RIS seit
25.04.2001