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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der C B in L, vertreten durch Mag. Rudolf Lind, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 26. Februar 2013, Zl LGS NÖ/RAG/05661/2013, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin vom 8. November 2012 bis zum 19. Dezember 2012 ihren Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG verloren habe. Nachsichtsgründe gemäß § 10 Abs. 3 in Verbindung mit § 38 AlVG lägen nicht vor.
Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin AHS-Matura habe und ausgebildete Europasekretärin sei. Sie sei zuletzt anwartschaftsbegründend bis 31. Juli 2010 beschäftigt gewesen und beziehe seit 10. September 2010 Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Seit 21. September 2011 stehe sie im Notstandshilfebezug mit einem Tagsatz von EUR 38,80. Da die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarktservice bekannt gegeben habe, dass sie unter gesundheitlichen Einschränkungen leide, sei ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. Laut diesem Gutachten sei die Beschwerdeführerin uneingeschränkt im erlernten bzw. überwiegend ausgeübten Beruf als Sekretärin im Teilzeitausmaß bis zu 30 Wochenstunden einsetzbar. Am 6. November 2012 sei der Beschwerdeführerin ein Stellenangebot der S GmbH als Assistentin der Geschäftsleitung übermittelt worden. Aus dem betreffenden Inserat, in welchem das personalsuchende Unternehmen ohne Namensnennung als internationale Dessous-Kette in 1060 Wien bezeichnet worden sei, gehe hervor, dass eine Person, welche in der Verkaufsabteilung im Bereich Vertrieb arbeite, als Halbtagskraft im Beschäftigungsausmaß von 25 bis 30 Wochenstunden gesucht werde.
In der Folge stellte die belangte Behörde das im Inserat näher angegebene Anforderungsprofil dar sowie den Umstand, dass der Dienstgeber zu einer - nicht näher bestimmten - Überzahlung des für die angebotene Stelle geltenden Kollektivvertrags (EUR 1.400,-- brutto pro Monat auf Basis Vollzeitbeschäftigung) bereit sei. Dezidiert sei im Inserat angeführt, dass eine aussagekräftige Bewerbung mit Lebenslauf zur Vorauswahl an eine Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice zu richten sei.
Die Beschwerdeführerin habe sich für die angebotene Stelle beworben, wobei ihre Bewerbung vom Arbeitsmarktservice auf Grund ihres Inhalts nicht an das betreffende Unternehmen weitergeleitet worden sei. Die Bewerbung habe folgenden Wortlaut gehabt:
"Das Ihr AMS hat mir beiliegendes Stellenangebot weiter geleitet, für welches ich mich hiermit bewerben möchte (bzw. muss), da ich sehr an einer interessanten und herausfordernden Teilzeitanstellung interessiert bin. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass ich keinerlei Erfahrung und ausreichende Skills für Direktvertrieb, Aquisitionstätigkeiten vor allem im Bereich Dessous habe, außerdem gebe ich zu bedenken, dass ich in den letzten Positionen Bruttogehälter von EUR 3.300,-- - 3.500,-- bekommen hatte.
Anbei übersende ich ihnen meinen CV.
Sollte obiges Stellenangebot bereits vergeben sein bzw. sollte meine Bewerbung nicht in die nähere Auswahl kommen, so bitte ich um Nachricht an (E-Mail Adresse der Beschwerdeführerin und der regionalen Geschäftsstelle des AMS), andernfalls freue ich mich bereits auf ein baldiges Vorstellungsgespräch. Terminvereinbarungen unter Tel (…)."
In der Folge sei mit der Beschwerdeführerin bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS eine Niederschrift aufgenommen worden. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, es tue ihr leid, dass die Art der Formulierung zu solchen Missverständnissen geführt habe. Sie habe lediglich darauf hinweisen wollen, dass ihre Skills nicht zu 100 % auf die Stellenbeschreibung passten und sie habe gehofft, dass dieser Hinweis zu einer Win-win-Situation für das Arbeitsmarktservice und sie führen würde. Ihr E-Mail sei lediglich als Hinweis gedacht gewesen und nicht als Verweigerung einer angebotenen Beschäftigung.
In der Folge setzte sich die belangte Behörde näher mit der Zumutbarkeit der angebotenen Stellung sowohl im Hinblick auf die Fahrzeit als auch die Art der Beschäftigung und die angebotene Entlohnung, auseinander.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - aus, dass, wenn das Arbeitsmarktservice seine Aufgabe als Arbeitsvermittler ausführe, auch die Vorauswahl von Bewerbern vom Arbeitsmarktservice für potentielle Arbeitgeber angeboten werden könne. Dabei werde das Arbeitsmarktservice für das jeweilige Unternehmen als Dienstleister tätig und unterliege somit im Wesentlichen denselben Rechtsvorschriften wie private Arbeitsvermittlungsunternehmen. Die Arbeitslose sei dazu verpflichtet, den ersten Schritt zu einer Bewerbung zu setzen und das gewünschte Bewerbungsschreiben für Zwecke einer Vorauswahl abzugeben. Die Arbeitslose sei daher auch verpflichtet, diese Bewerbung so zu verfassen, dass sie keine die potentielle Anstellung vereitelnde Form oder einen solchen Inhalt aufweise.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 9 Abs 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Gemäß § 10 Abs 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl zB das hg Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl 2007/08/0008 mwN).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.
Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen -, somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden:
Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl zB das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl 2008/08/0151).
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass keine Vereitelung im Sinne des Gesetzes vorliege.
Tatbestandsvoraussetzung einer Vereitelung sei auch vorsätzliches Handeln der arbeitslosen Person zur Erreichung gerade dieses Zwecks. Eine Aussage der Arbeitslosen gegenüber Mitarbeitern des AMS könne nicht unter die Bestimmung des § 10 AlVG subsumiert werden. Eine Äußerung dahingehend, dass man sich für die fragliche Tätigkeit (nicht) geeignet erachte oder diese aus bestimmten Gründen nicht gerne annehme, sei gegenüber dem AMS selbst unschädlich. Nichts anderes sei aber mit dem Mail an das AMS passiert. Die Beschwerdeführerin habe im Folgegespräch in der regionalen Geschäftsstelle des AMS sofort ihre Motivation erklärt und klargestellt, dass sie zu einer ordentlichen Bewerbung bereit sei. Aus dem Schreiben könne nicht der zwingende Schluss gezogen werden, bei der Beschwerdeführerin liege Vorsatz vor, das angebotene Beschäftigungsverhältnis zu vereiteln. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass die S GmbH die Beschwerdeführerin gerade wegen des fraglichen Schreibens nicht genommen hätte. Eine Vereitelungshandlung durch die arbeitslose Person liege aber nicht vor, sondern es habe vielmehr das AMS selbst die Bewerbung nicht weitergeleitet. Schon deshalb könne gar nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, wie der potentielle Arbeitgeber darauf reagiert hätte.
3. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass nach den unstrittigen Feststellungen die Beschwerdeführerin nach dem ihr weitergeleiteten Stellenangebot eine aussagekräftige Bewerbung mit Lebenslauf zur Vorauswahl an eine Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice zu richten gehabt hatte. Demnach musste der Beschwerdeführerin klar sein, dass das Arbeitsmarktservice in diesem Fall eine Vorauswahl aus eingehenden Bewerbungen für den potentiellen Dienstgeber vornimmt. Das Verhalten der Arbeitslosen im Rahmen der - vom AMS durchgeführten - Vorauswahl ist im Sinne der §§ 9 und 10 AlVG gleich bedeutend wie jenes im Rahmen einer Vorstellung unmittelbar beim potentiellen Dienstgeber (vgl das hg Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl 2007/08/0187).
Die Beschwerdeführerin hebt in dem von ihr verfassten E-Mail vorrangig die von ihr empfundenen Schwächen ("keinerlei Erfahrung und ausreichende Skills") hervor, lässt erkennen, dass sie sich nicht freiwillig bewirbt ("… bewerben möchte (bzw. muss)"), und gibt schließlich "zu bedenken", dass sie zuletzt bedeutend über der hier angebotenen Bezahlung liegende Gehälter bezogen habe. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein derartiges Bewerbungsschreiben - in dem der Unwillen der Beschwerdeführerin, die angebotene Beschäftigung anzutreten, zum Ausdruck kommt - nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung der Arbeitslosen abzubringen und damit eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs 1 AlVG darstellt (vgl zur Hervorhebung angenommener Schwächen das hg Erkenntnis vom 22. Februar 2012, Zl 2009/08/0092).
Ob im Falle einer ordnungsgemäßen Bewerbung das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zustande gekommen wäre, ist dabei nicht entscheidend (vgl das hg Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl 2005/08/0106), ebenso wenig der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im "Folgegespräch" - gemeint ist dabei der über ein Monat nach dem Absenden des Bewerbungsmails stattgefundene Termin in der regionalen Geschäftsstelle, bei dem die Niederschrift zum verfahrensgegenständlichen Vorfall aufgenommen wurde - "klargestellt" habe, dass sie zu einer Bewerbung bereit sei, da dies schon angesichts des verstrichenen Zeitraums jedenfalls nicht mehr als rechtzeitige Klarstellung angesehen werden (vgl zur erforderlichen Klarstellung bei überhöhten Gehaltswünschen etwa die hg Erkenntnisse vom 25. Oktober 2006, Zl 2005/08/0049, und vom 11. September 2008, Zl 2007/08/0187).
Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 4. September 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013080101.X00Im RIS seit
01.10.2013Zuletzt aktualisiert am
23.01.2014