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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter und die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel als Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des A K in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. Juni 2011, Zl. 2011-0566-9-000459, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W (in der Folge AMS) vom 25. Jänner 2011, mit dem der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 22. Dezember 2010 bis 15. Februar 2011 ausgesprochen wurde, abgewiesen.
Die belangte Behörde stellte fest, dass in der mit dem Beschwerdeführer am 25. November 2010 abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung festgehalten worden sei, dass er Berufserfahrung als Bankangestellter habe. Als Ziel der Betreuung sei unter anderem seine Unterstützung durch das Arbeitsmarktservice bei der Suche nach einer Stelle als Bankangestellter, aber auch in jedem anderen Bereich gemäß den Notstandshilfebestimmungen vereinbart worden. Gemäß dieser Vereinbarung sei ihm am 14. Dezember 2010 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft bei dem Unternehmen I mit einem möglichen Arbeitsantritt am 22. Dezember 2010 zugewiesen worden. Laut schriftlicher Mitteilung von I habe er die Beschäftigung wegen finanzieller Einbußen - sein jetziges Einkommen würde gerade zur Begleichung der Fixkosten reichen - abgelehnt. Anlässlich der am 27. Dezember 2010 beim AMS aufgenommenen Niederschrift habe der Beschwerdeführer angegeben, eine Aufnahme der Beschäftigung sei wegen der höheren Fixkosten nicht möglich, da es sich bei dem angebotenen Arbeitsverhältnis um eine Teilzeitbeschäftigung handle. Hinsichtlich der konkret angebotenen Entlohnung, der angebotenen beruflichen Verwendung, der vom Unternehmen geforderten Arbeitszeit, hinsichtlich körperlicher Fähigkeiten, Gesundheit und Sittlichkeit, der täglichen Wegzeit für Hin- und Rückweg und hinsichtlich Betreuungspflichten habe er keine Einwendungen erhoben.
Rechtlich erachtete die belangte Behörde, bei dem Unternehmen I handle es sich um einen sozialökonomischen Betrieb. Die arbeitsrechtlichen Vorschriften würden eingehalten, die in den Richtlinien des Verwaltungsrates geltenden Qualitätsstandards seien erfüllt. Mitarbeiter der Firma I würden an dritte Arbeitgeber verliehen werden und während der Stehzeiten sozialpädagogische Betreuung erhalten, sowie theoretische und praktische Ausbildung. Bei der dem Beschwerdeführer angebotenen Beschäftigung habe es sich um ein Dienstverhältnis in einem sozialökonomischen Überlassungsbetrieb gehandelt. Die Entlohnung erfolge nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigungsbetriebes, in den Stehzeiten erfolge die Entlohnung nach dem Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlasser. Die angebotene Beschäftigung sei daher zumutbar gewesen. Durch seine Weigerung, die Beschäftigung bei I anzunehmen, habe er ein Verhalten gesetzt, das die Verhängung einer Sanktion gemäß § 10 AlVG rechtfertige. Im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer trotz Aufforderung keine Stellungnahme abgegeben und sich auch sonst nicht mit der Berufungsbehörde in Verbindung gesetzt. Die von ihm angegebenen Nachsichtsgründe, insbesondere die familiäre und wirtschaftliche Situation, seien nicht geeignet, eine Nachsicht zu erwirken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer anzunehmen und von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.
Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Nach § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0157, mwN).
2. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer die Annahme der ihm von I angebotenen Beschäftigung als Transitarbeitskraft abgelehnt hat und dass diese Ablehnung kausal für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung war. Er bestreitet jedoch, ein Vereitelungsverhalten im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG gesetzt zu haben, indem er den Standpunkt vertritt, er habe kein konkretes Stellenangebot erhalten. Ein "Stellenangebot" ohne irgendwelche Angaben der Arbeitsbedingungen, sodass eine Prüfung der Zumutbarkeit beispielsweise nach Gehalts- und Arbeitszeitbedingungen und insbesondere Wegzeiten überhaupt nicht möglich gewesen sei, habe er nicht erhalten. Die Beschäftigung bei diesem Unternehmen sei unzumutbar, zumal grundsätzlich nur Teilzeitbeschäftigungen mit einer maximalen Wochenarbeitszeit von 30 Stunden angeboten würden, um eine Bemessungsgrundlage für den Neuanspruch auf Arbeitslosengeld zu verringern, indem für die 30 Stunden-Beschäftigung pro Woche ein Monatsgehalt von ca. EUR 750,-- angeboten werden. Aus dem der Berufung beigelegten Dienstvertrag des Unternehmens I (Anmerkung: nicht den Beschwerdeführer betreffend) ergebe sich, dass dieser gesetzwidrig sei, da er das Grundrecht auf Datenschutz und Art. 8 EMRK verletzen würde. Auch die darin enthaltenen Klauseln wie Konkurrenzverbot und Verfall seien gesetzwidrig. Tatsächlich sei kein Beschäftigungsverhältnis vermittelt worden, sondern offenbar verdeckt eine so genannte Maßnahme.
3. Fest steht, dass dem Beschwerdeführer ein Arbeitsverhältnis beim Unternehmen I im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes (SÖB) zugewiesen wurde.
Der Gesetzgeber hat durch die mit BGBl. I Nr. 104/2007 (mit Wirkung vom 1. Jänner 2008) angefügte Zumutbarkeitsregelung in § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch "ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)" als (zumutbare) Beschäftigung erklärt. Ein Verhalten im Sinne von § 10 Abs. 1 AlVG im Hinblick auf einen sozialökonomischen Betrieb (Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung oder Nichtannahme einer vom sozialökonomischen Betrieb angebotenen Beschäftigung) kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 2012, Zl. 2010/08/0034). Auch ein ihm angebotenes Dienstverhältnis als "Transitarbeitskraft" wäre von dem Beschwerdeführer daher - bei Vorliegen der weiteren Zumutbarkeitsvoraussetzungen - grundsätzlich einzugehen gewesen.
Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, wobei dem auch kein widersprechendes Vorbringen des Beschwerdeführers entgegen steht, lehnte er das Beschäftigungsverhältnis beim Unternehmen I ab, ohne Erkundigungen über die Art der Beschäftigung, Gehaltsbedingungen und sonstige Konditionen einzuholen. Er lehnte vielmehr generell eine Beschäftigung in einem sozialökonomischen Betrieb ab.
Wenn der Beschwerdeführer darauf insistiert, keinerlei Informationen zur Überprüfung der Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung gehabt zu haben, ist ihm zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach, beispielsweise im hg. Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. 2008/08/0240, ausgesprochen hat, dass das Gesetz nicht verlangt, dass alle Einzelheiten, die für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung von Bedeutung sein können, für die arbeitslose Person schon in einer frühesten Stufe der Bewerbung erkennbar sein müssen. Eine arbeitslose Person ist nur insoweit und ab jenem Zeitpunkt zu keinen Bewerbungsschritten (mehr) verpflichtet (und das AMS zum Verlangen nach solchen Schritten nicht berechtigt), in dem solche Umstände einer Beschäftigung zu Tage treten, welche diese für eine arbeitslose Person unzumutbar erscheinen lassen. Dass der Beschwerdeführer anlässlich der Vorsprache beim Unternehmen I nähere Informationen über die Bedingungen des Beschäftigungsverhältnisses eingeholt hat, ergibt sich aus dem Akt nicht und wurde von ihm auch nicht behauptet.
Daraus folgt, dass die von ihm in der Beschwerde bzw. auch schon im Berufungsvorbringen erhobenen Behauptungen, was die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses betrifft, im konkreten Beschwerdefall irrelevant sind, weil sie gerade nicht den Fall des Beschwerdeführers betroffen haben. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der vom Beschwerdeführer vorgelegte Dienstvertrag im Zeitpunkt der Vorlage bereits vier Jahre alt und somit nicht aktuell war.
Zusammenfassend war daher auf sämtliche Ausführungen zur Konkurrenzklausel, zum Verfall und letztendlich auch zu den Gehaltsbedingungen nicht einzugehen.
Auch wenn er vorbringt, die belangte Behörde hätte beweisen müssen, dass sie zumindest vertragliche Vorkehrungen in den Verträgen zwischen ihr und dem Arbeitskräfteüberlasser getroffen habe, dass dieser nicht § 9 Abs. 2 und Abs. 3 AlVG widersprechende unzumutbare Beschäftigungsverhältnisse vermittle, ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass auf Grund der Ablehnung des Beschäftigungsverhältnisses - ohne Einholung von näheren Informationen - abstrakte, von seinem Fall losgelöste Behauptungen vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen sind.
Dass die Ablehnung eines Beschäftigungsangebots dazu führt, dass ein solches nicht zu Stande kommt, ist notorisch; es liegt sohin auch der für den Ausspruch des Verlustes erforderliche Vorsatz vor.
Weiters erachtet der Beschwerdeführer die angebotene Beschäftigung wegen der Gehaltsbedingungen als unzumutbar. Wenn er dazu vorbringt, dass in Kooperation zwischen der Arbeitsmarktverwaltung und dem gegenständlichen so genannten sozialökonomischen Betrieb nur Beschäftigungen für 30 Stunden, bei einem Monatsgehalt von brutto EUR 876,32, angeboten würden, entfernt er sich damit nicht nur von den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, sondern generell vom Akteninhalt. Auch diesbezüglich schöpft der Beschwerdeführer sein "Wissen" bezüglich der Gehaltsausgestaltung ganz offenkundig aus anderen Fällen, betreffen jedoch nicht aus dem konkreten Beschwerdefall. Festgestellt wurde, dass die Entlohnung nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigungsbetriebes erfolge, in den Stehzeiten nach dem Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlasser.
Der Begriff der angemessenen Entlohnung in § 9 Abs. 2 AlVG wurde vor dem Arbeitsmarktreformgesetz (BGBl. I Nr. 77/2004) vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung derart ausgelegt, dass das nach dem (im konkreten Fall anzuwendenden) Kollektivvertrag gebührende Entgelt für die konkret zugewiesene Beschäftigung als angemessene Entlohnung anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0085). Durch das Arbeitsmarktreformgesetz erfuhr § 9 Abs. 2 AlVG hinsichtlich des Begriffes der angemessenen Entlohnung eine Verdeutlichung durch die Einfügung folgenden zweiten Satzes:
"Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung."
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 464 BlgNR 22. GP, 4) sollte durch diese Einfügung der Gesetzestext nunmehr die der ständigen Rechtsprechung entsprechende Auslegung des Begriffs "angemessen entlohnt" enthalten.
Somit kann der Beschwerdeführer keine Unzumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung dadurch aufzeigen, dass im Anbot selbst die Entlohnung nach den entsprechend anwendbaren Kollektivverträgen zu erfolgen hat. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass die Entlohnung unter dem anzuwendenden Kollektivvertrag gelegen wäre; er behauptet auch nicht, dass eine "marktkonforme Entlohnung" höher gewesen wäre.
Inwieweit eine Zuweisung zu einer Teilzeitbeschäftigung - wenn es im Fall des Beschwerdeführers eine solche gegeben hätte - grundsätzlich rechtswidrig sein soll, zeigt er nicht auf. Auf die in diesem Zusammenhang von ihm erhobenen Behauptungen bezüglich Konkurrenzklausel und Verfall war wie bereits dargelegt mangels Bezug auf den konkreten Beschwerdefall nicht einzugehen.
Der Beschwerdeführer regt schließlich an, ein Gesetzprüfungsverfahren hinsichtlich des § 9 Abs. 7 AlVG beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten. Wenn die von der belangten Behörde eingeschlagene Vorgangsweise der Zuweisung zu dem sozialökonomischen Betrieb der Rechtslage entsprechen würde, wäre dies nur zum Zwecke des Lohndrückens und Unterlaufens eines höheren Anspruches auf Arbeitslosengeld.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht zu einer Anfechtung der genannten Norm beim Verfassungsgerichtshof veranlasst, zumal nicht erkennbar ist, in welcher Weise der Arbeitslose durch die Bestimmung des § 9 Abs. 7 AlVG in - welchen -
Grundrechten beeinträchtigt sein sollte. Es darf nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer ungeachtet einer Zuweisung durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice frei ist, eine von ihm gewählte versicherungspflichtige Beschäftigung anzutreten. Es steht ihm hingegen nicht frei, die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses während des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu verweigern. Im Übrigen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Verfassungskonformität der Bestimmung schon im Hinblick darauf, dass auch bei einer Zuweisung zu einer Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb die Zumutbarkeit im Einzelfall jedenfalls zu beurteilen ist, keine Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Mai 2012, Zl. 2012/08/0077).
Vor diesem Hintergrund sind auch die in der mündlichen Verhandlung geäußerten unionsrechtlichen Bedenken in Bezug auf behauptete allgemeine Vorgangsweisen des AMS nicht berechtigt.
Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Nichterteilung des Nachsichtstatbestandes gemäß § 10 Abs. 3 AlVG. Berücksichtigungswürdig im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft, als dies sonst allgemein der Fall ist. Weder der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt noch der vorgelegte Verwaltungsakt (insbesondere auch die Berufung des Beschwerdeführers) bieten Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nachsichtsgründen im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG.
Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht der Beschwerdeführer darin verwirklicht, dass die belangte Behörde Ermittlungstätigkeiten zur Frage, ob im konkreten Einzelfall eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung vorliegt, unterlassen habe.
Zum Themenbereich Entlohnung ist auf das bereits vorher Gesagte zu verweisen.
Wenn der Beschwerdeführer sich in der Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt und der Möglichkeit beraubt sieht, die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Berufsurkunde zur Abklärung des angemessenen branchenüblichen Entgelts zu beantragen, übersieht er, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer sehr wohl die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Ausführungen der belangten Behörde eingeräumt hat; von diesem Recht hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht und somit auf das eingeräumte rechtliche Gehör verzichtet. Ein Verfahrensfehler liegt somit nicht vor.
Die sonstigen Ausführungen zu einem allfälligen Verfahrensmangel betreffen Rechtsausführungen, die der Beschwerdeführer bereits in den zuvor erhobenen Punkten geltend gemacht hat; auf diese Punkte wird verwiesen.
Schließlich macht der Beschwerdeführer verschiedene Verfassungswidrigkeiten geltend. So sieht er eine Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 Z. 6 AÜG, zumal sich die belangte Behörde hinsichtlich der Entgeltregelung beim Arbeitskräfteüberlasser darauf berufen habe, dass dieser der genannten Ausnahmeregelung unterliege und für ihn keinerlei sonstige Mindestentgeltregelungen gelten würden.
Auf diese Argumentation war insofern nicht weiter einzugehen, weil im angefochtenen Bescheid eine solche Begründung nicht enthalten ist und sich der Beschwerdeführer daher vom Inhalt des angefochtenen Bescheides entfernt.
Ferner vermeint der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 1 1. ZP EMRK in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK zu erkennen und regt ein Gesetzprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof diesbezüglich an. Die Methode des Arbeitsmarktservice, mittels Schein- oder Umgehungsgeschäften Arbeitslose ihrer Ansprüche nach dem AlVG zu entledigen, verwirkliche eine gröbliche Verletzung des angezogenen Menschenrechts.
Art. 1 Abs. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (1. ZPEMRK) lautet:
"1. Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemanden darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter dem durch Gesetz und durch die allgemeine Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen."
Die in der Beschwerde erhobenen und in der mündlichen Verhandlung ergänzten Behauptungen erhellen nicht, inwieweit eine Verletzung der zuvor zitierten Bestimmung vorliegen soll.
Schließlich macht der Beschwerdeführer - auch unter dem Beschwerdegrund der Unzuständigkeit der belangten Behörde - geltend, Ansprüche nach dem AlVG seien als "civil rights" im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu beurteilen. § 44 AlVG sehe zur Entscheidung über derartige Ansprüche die Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice, sohin von Verwaltungsbehörden und ein Verfahren nach dem AVG vor. Dies verletze das Grundrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches auf Gesetz beruhendes Gericht. Er sei weiter in seinen von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten Rechten auf Anhörung in einer öffentlichen Verhandlung und auf öffentliche Urteilsverkündung verletzt. Die Mindestdauer von sechs bis acht Wochen Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG sei verfassungswidrig.
Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/08/0251, verwiesen werden.
Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 78/99 u.a. regt der Beschwerdeführer weiters ein Gesetzprüfungsverfahren hinsichtlich § 10 Abs. 1 AlVG an, da der in dieser Norm geregelte Anspruchsverlust von mindestens sechs bzw. acht Wochen Strafcharakter habe und daher im Sinn des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes verfassungswidrig sei. Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 11. September 2008, Zl. 2007/08/0187, verwiesen werden.
Zuletzt macht der Beschwerdeführer geltend, dass er durch den Entzug der Mittel zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse und der medizinischen Grundversorgung in seiner Menschenwürde im Sinn des Art. 3 EMRK verletzt sei. Hinsichtlich dieses Vorbringens ist er gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2011/08/0201, zu verweisen.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Die Fahrtkosten waren anteilig zuzusprechen.
Wien, am 4. September 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2011080200.X00Im RIS seit
02.10.2013Zuletzt aktualisiert am
23.01.2014