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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Finanzamtes St. Veit/Wolfsberg in 9400 Wolfsberg, Lindhofstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 14. Juni 2011, Zl. KUVS-1496/4/2010, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Ing. W E in S, vertreten durch die NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan vom 5. Juli 2010 wurde der Mitbeteiligte mit einer Geldstrafe von EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) belegt, weil er es als Dienstgeber unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass der in seinem landwirtschaftlichen Betrieb seit 25. Mai 2009, 08.00 Uhr, als Hilfsarbeiter für Schweißarbeiten, Regiearbeiten und Eisenbinden, täglich 8 Stunden, für einen Stundenlohn für EUR 15,--
netto pro Stunde beschäftigte K. G. vor Arbeitsantritt am 25. Mai 2009 beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Mitbeteiligte habe § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG verletzt. K. G. sei von Beamten des beschwerdeführenden Finanzamtes bei einer Kontrolle am 5. Juni 2009 gegen 16.45 Uhr bei Hilfsarbeiten auf dem Gelände der Landwirtschaft des Mitbeteiligten angetroffen worden. K. G. habe angegeben, dass er seit 25. Mai 2009 in der Zeit von Dienstag bis Freitag täglich acht Stunden für EUR 15,-- netto pro Stunde mit Hilfsarbeiten (Schweiß-, Regiearbeit und Eisenbinden) beschäftigt worden sei.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung, in der er vorbrachte, K. G. habe keine Hilfsarbeiten ausgeführt, sondern als selbständiger Unternehmer Leistungen auf Werkvertragsbasis angeboten. Seine Aufgabe sei die selbständige Verlegung der Erdungsdrähte im Zuge der Errichtung eines Stallneubaues und die Herstellung des Potenzialausgleiches gewesen. K. G. habe nicht jeweils 8 Stunden pro Tag gearbeitet. Er sei an keine vorgegebenen Arbeitszeiten gebunden gewesen, sei organisatorisch nicht in die Baustelle eingegliedert gewesen und hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit nicht den Weisungen des Mitbeteiligten unterstellt gewesen. Mit ihm sei vereinbart worden, dass er sämtliches Werkzeug selbst auf die Baustelle mitbringe und nach Fertigstellung seines Auftrages eine Rechnung darüber lege. Zutreffend sei lediglich, dass der Schlussrechnung des K. G. ein Stundensatz von EUR 15,-- zu Grunde gelegt werden sollte. Seine Arbeiten seien stets vom restlichen Baufortschritt abhängig gewesen. Abhängig von der Betonlieferung habe es auch erhebliche Stehzeiten gegeben, während derer K. G. die Baustelle habe verlassen können.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt. Begründend führte die belangte Behörde aus, der österreichische Staatsbürger K. G. sei bei einer am 5. Juni 2009 um 16.45 Uhr von Organen des beschwerdeführenden Finanzamtes durchgeführten Kontrolle bei Schweißarbeiten angetroffen worden . Es handle sich bei ihm um einen freiberuflichen Künstler, der sich mit Metallskulpturen beschäftige. Er sei dem Mitbeteiligten schon seit zwanzig Jahren bekannt und habe die Werkstätte des Mitbeteiligten benutzen dürfen. K. G. sei als Selbständiger versichert und habe eine Lehre als Schmied und Schlosser absolviert. Daher habe ihn der Mitbeteiligte gebeten, den gesamten Potenzialausgleich für seinen neu erbauten Stall zu erstellen. Bei dieser Arbeit handle es sich um eine qualifizierte Tätigkeit. Das Material sei vor Ort gewesen und von der Baufirma so positioniert worden, dass K. G. die Schweißarbeiten habe durchführen können. Er habe zuvor mit dem Elektriker Rücksprache gehalten und nach Plänen gearbeitet. Er habe allein gearbeitet und sei für die Verbindungen und für das Schweißen zuständig gewesen. Es sei nicht dezidiert ausgesprochen worden, dass es sich um einen Werkvertrag handle. K. G. habe nach der Kleinunternehmerregelung eine Rechnung geschrieben. Er habe keine fixe Arbeitszeiten einzuhalten gehabt und sämtliches Werkzeug selbst beigestellt. Mit dem Mitbeteiligten sei ein Stundenlohn vereinbart worden. Für diesen habe es sich um einen Werkvertrag gehandelt. Die Arbeiten des K. G. seien durch den Elektriker insoweit kontrolliert worden, als er nach deren Abschluss eine Messung vorgenommen habe, ob alles funktioniere. K. G. sei (vom Mitbeteiligten) nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass sie den Aussagen des Mitbeteiligten sowie des K. G. gefolgt sei. Der Zeuge sei insgesamt glaubhaft gewesen. Seine Angaben seien nachvollziehbar und würden sich mit den Angaben des Mitbeteiligten decken.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe vorgebracht, dass es sich bei den Arbeiten des K. G. um den Potenzialausgleich gehandelt habe. Dies sei ein abgeschlossenes Werk im Rahmen eines Werkvertrages gewesen. Entscheidend für die Frage - so die belangte Behörde weiter -, ob Arbeitnehmerähnlichkeit oder ein echter Werkvertrag vorliege, sei die wirtschaftliche Unselbständigkeit, derentwegen eine Person, die im Auftrag und für Rechnung einer anderen Person Arbeit leiste, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, sich in einer arbeitnehmerähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit befinde. Dabei könne wirtschaftliche Abhängigkeit nicht nur zum unmittelbaren Empfänger der Arbeitsleistung (Werkbesteller), sondern auch zu dessen Vertragspartner (Werkunternehmer) bestehen. Ein Werkvertrag liege insbesondere vor, wenn das Ergebnis der Arbeitsleistung ein Werk oder eine in sich geschlossene Einheit, die sich auf ein Werk beziehe, zu erbringen sei. Für den Werkvertrag sei die Lieferung eines Werkes charakteristisch. Gegen die Einordnung des K. G. als unselbständige Arbeitskraft in das Unternehmen des Mitbeteiligten spreche, dass es keine Arbeitsanweisungen oder laufende Kontrollen durch den Mitbeteiligten gegeben habe, sondern lediglich eine Endabnahme durch den Elektriker. K. G. habe alleine gearbeitet, sei an keine Arbeitszeit gebunden gewesen und habe sein eigenes Werkzeug verwendet. Seine Arbeiten seien klar abgrenzbar gewesen. Allein daraus, dass das Material beigestellt worden sei, könne noch kein Dienstverhältnis abgeleitet werden. Es liege ein Werkvertrag vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das beschwerdeführende Finanzamt bringt vor, ein schriftlicher Werkvertrag liege nicht vor. Somit sei auf Grund der tatsächlichen Umstände zu beurteilen, ob schlüssig ein Dienstverhältnis oder ein Werk vorliege. In der Niederschrift vom 5. Juni 2009 habe K. G. erklärt, dass der Mitbeteiligte die Arbeitsanweisungen erteilt habe. Der Mitbeteiligte habe in der Berufungsverhandlung vom 11. März 2011 angegeben, dass die Potenzialausgleichsarbeiten parallel mit den Maurerarbeiten hätten ausgeführt werden müssen. Er sei selbständig vor Ort gewesen und habe immer wieder nachgeschaut, ob alles in Ordnung sei. Er habe dann nach den ersten Arbeiten Vertrauen zu den Kenntnissen (des K. G.) gehabt, der sodann alleine gearbeitet habe. K. G. habe ständig auf der Baustelle anwesend sein müssen. Er habe auch viele Stehzeiten gehabt, weil er - wie erwähnt - an die Arbeiten der Maurer gebunden gewesen sei. Daraus resultiere auch der relativ geringe Stundenlohn. K. G. habe eine Gewährleistungsverpflichtung getroffen. Bevor die Eisengitter etc. einbetoniert worden seien, habe der Mitbeteiligte auch den Elektriker geholt, der Messungen durchgeführt und festgestellt habe, dass die Arbeiten des K. G. in Ordnung gewesen seien.
Aus dieser Aussage würden sich - so das beschwerdeführende Finanzamt - "somit klare Divergenzen zwischen diesen - bei ersteren auf Grund der Unmittelbarkeit der Kontrolle wohl glaubhaften - Angaben und den Feststellungen des UVS" ergeben. K. G. habe sich zudem selbst widersprochen, wenn er in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen erklärt habe: "Ich hatte keine fixe Arbeitszeit. Ich war die festgelegten Stunden vor Ort." Die Feststellungen, dass der Zeuge K. G. alleine gearbeitet habe, an keine Arbeitszeit gebunden gewesen sei, sein eigenes Werkzeug verwendet habe und die Arbeiten klar abgrenzbar gewesen seien, würden jeglicher Grundlage entbehren. Gerade bei einem Dienstverhältnis würde es üblich sein, dass "der Arbeitgeber vorerst die Arbeitshandlungen des Beschäftigten kontrolliere, um dann bei zufriedenstellender Arbeitsleistung nur den jeweiligen Arbeitsfortschritt von Zeit zu Zeit" nachprüfe. Der Mitbeteiligte habe ferner angegeben, K. G. gesagt zu haben, ihn bei der Gebietskrankenkasse zu melden. K. G. habe erwidert, "das brauchen wir nicht, ich bin selbständig versichert". Aus dieser Aussage sei zu schließen, dass der Mitbeteiligte sich offensichtlich darüber im Klaren war, dass ein Dienstverhältnis vorliege. Die von K. G. angesprochene Versicherung sei eine für Künstler, nicht für die gegenständliche Tätigkeit vorgesehene Unfallversicherung.
Die Kärntner Gebietskrankenkasse habe mit rechtskräftigem Bescheid vom 12. Oktober 2009 (in dem Beitragszuschlagsverfahren) entschieden, dass K. G. hinsichtlich seiner Beschäftigung beim Mitbeteiligten vom 25. Mai bis zum 28. Mai 2009 sowie vom 2. Juni bis zum 5. Juni 2009 der Pflichtversicherung in der Vollversicherung gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Dieser Umstand sei von der belangten Behörde ebenfalls ignoriert worden. Wie die belangte Behörde angesichts der hauptsächlich für die Dienstnehmereigenschaft sprechenden Beweisergebnisse zu seinen rechtlichen Schlussfolgerungen gelangt sei, sei für das beschwerdeführende Finanzamt nicht nachvollziehbar. K. G. sei vielmehr - wenn man den Beweisergebnissen folge und anders als die belangte Behörde festgestellt habe - "an den Arbeitsort, die Arbeitszeit, die Weisungen und die Kontrolle" des Mitbeteiligten gebunden gewesen. Das Entgelt sei zeitbezogen und unabhängig von der erbrachten Leistung ausbezahlt worden. Die Gewährleistung habe darin bestanden, eventuell auftretende Fehler an Ort und Stelle zu beheben, was aber wiederum nur einen Hinweis auf "das Schulden der Arbeitskraft" darstelle und nicht auf das Wesen einer Gewährleistung. Es habe kein Unternehmerrisiko bestanden.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner eingeschränkten Prüfbefugnis (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht zu beanstanden. Das beschwerdeführende Finanzamt zeigt keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit oder Denkgesetzwidrigkeit der Beweiswürdigung auf. Dass die Beweisergebnisse unter Umständen auch anders hätten gewichtet werden können, macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig.
Ausgehend von den Feststellungen kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Vereinbarung zwischen dem Mitbeteiligten und K. G., entsprechend dem Baufortschritt auf seiner Baustelle den gesamten Potenzialausgleich für den neu erbauten Stall zu erstellen, als Werkvertrag über ein in sich geschlossenes, klar abgrenzbares, gewährleistungstaugliches Werk angesehen und die in Erfüllung dieses Vertrages durchgeführte Erwerbstätigkeit nicht als Beschäftigung angesehen hat, die gemäß § 33 Abs. 1 ASVG die Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger erfordert hat.
Umstände, die den (mündlichen) Werkvertrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a Abs. 1 ASVG) als für die vorliegende Erwerbstätigkeit nicht maßgeblich erscheinen ließen, liegen nach den Feststellungen nicht vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Das Kostenbegehren der belangten Behörde war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.
Wien, am 4. September 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2011080186.X00Im RIS seit
02.10.2013Zuletzt aktualisiert am
23.01.2014