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19/05 Menschenrechte;Norm
MRK Art8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 24. Mai 2013, Zl. 165.238/2-III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, ihm aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 6. September 2004 in das Bundesgebiet eingereist. Am darauf folgenden Tag habe er einen Asylantrag eingebracht. Dem Asylbegehren sei letztlich vom Asylgerichtshof am 2. Juni 2009 keine Folge gegeben worden. Weiters sei unter einem gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen worden. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof (gemeint wohl: Verfassungsgerichtshof) mit Beschluss vom 12. Oktober 2009 abgelehnt worden.
Den hier gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am 18. Oktober 2011 eingebracht. Im Verfahren habe er auf die bisherige Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, seine Unbescholtenheit, die Bemühungen sich sozial und sprachlich zu integrieren, das Vorhandensein einer ortsüblichen Unterkunft und auf seinen Freundeskreis hingewiesen. Hinsichtlich der Absolvierung eines Deutschkurses sei ein "Sprachdiplom 'Deutsch A2', - ÖSD" vorgelegt worden. Weiters habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung vorgelegt, der entnommen werden könne, dass er seit Februar 2011 als "Augustinverkäufer" tätig sei.
Bereits die Behörde erster Instanz habe erkannt, dass es notwendig sei, den Fall des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art. 8 EMRK einer neuerlichen inhaltlichen Beurteilung zuzuführen. Dies bedeute allerdings nicht, dass der begehrte Aufenthaltstitel zwangsläufig zu erteilen sei.
Im Weiteren ging die belangte Behörde erkennbar von der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus und führte in ihrer rechtlichen Beurteilung ins Treffen, dass der Beschwerdeführer bisher lediglich vorübergehend auf Grund eines Asylantrages, der sich als nicht berechtigt erwiesen habe, rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Seit der Abweisung des Asylbegehrens sei sein Aufenthalt unrechtmäßig. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Sämtliche Familienangehörigen befänden sich in Nigeria. Zwar sei der Beschwerdeführer seit Februar 2011 als "Augustinverkäufer registriert". Er habe aber nicht nachgewiesen, dass er aus dieser Beschäftigung über ein fixes monatliches Gehalt verfüge. Es sei nicht davon auszugehen, dass er am Arbeitsmarkt integriert sei. Diese beiden "Integrationsschritte" (Sprache, Beruf) habe er erst zu einem Zeitpunkt gesetzt, als er sich seines unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet "sicher" gewesen sei.
Der Beschwerdeführer habe durch den unrechtmäßigen Aufenthalt, der seit der rechtskräftig gegen ihn erlassenen Ausweisung bestehe, gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen. Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten sei, werde "als Grundvoraussetzung angesehen". Der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen komme ein sehr hoher Stellenwert zu. Danach seien Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich gehalten, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herzustellen. Diesem Erfordernis sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.
Angesichts dessen gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nach Art. 8 EMRK nicht geboten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (28. Mai 2013) das NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 68/2013 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 43 Abs. 3 NAG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a NAG) oder auf begründeten Antrag (§ 44b NAG), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine "Niederlassungsbewilligung" zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt (Z 1) und dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 2).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, § 43 Abs. 3 Z 2 NAG sei nicht erfüllt, weil die Erteilung des von ihm beantragten Aufenthaltstitels nicht zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Dazu führt er all jene - von der belangten Behörde zur Gänze berücksichtigten - Umstände ins Treffen, die er bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung kein Fehler unterlaufen.
Es ist - mit der belangten Behörde - festzuhalten, dass der Beschwerdeführer einen unberechtigten Asylantrag gestellt und durch seinen Verbleib in Österreich trotz Abweisung seines Asylbegehrens und trotz Erlassung einer Ausweisung den geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen zuwider gehandelt hat. Sein Verhalten stellt somit eine relevante Verletzung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. statt vieler etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, Zl. 2013/22/0033, mwN).
Das sich nach dem Gesagten ergebende öffentliche Interesse hatte die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls gegen die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers - das Vorliegen familiärer Bindungen im Bundesgebiet wurde nicht geltend gemacht - abzuwägen. Die in diesem Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten - oben wiedergegebenen - Umstände wurden von der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung ausreichend berücksichtigt. Diese sind aber insgesamt nicht von einem solchen Gewicht, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.
Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinn des § 11 Abs. 3 Z 8 NAG auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Dies gilt umso mehr für die Zeit ab Rechtskraft der gegen ihn erlassenen Ausweisung.
Somit ist es zusammenfassend fallbezogen nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde davon ausging, es sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht geboten, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel zu erteilen.
Soweit der Beschwerdeführer aber auch in der Grundrechtecharta verbriefte Rechte anspricht, ist ihm entgegenzuhalten, dass nicht zu sehen ist, inwieweit im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich des Unionsrechts gegeben wäre. Insbesondere trifft seine Ansicht nicht zu, dass es sich bei der gegenständlichen Entscheidung, mit der ihm die Erteilung eines Aufenthaltstitels versagt wurde, um eine Rückkehrentscheidung im Sinn der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) gehandelt hätte.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 9. September 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013220221.X00Im RIS seit
03.10.2013Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018